Röntgentherapie

Die Röntgentherapie oder konventionelle Therapie ist eine strahlentherapeutische Methode, die zur Teletherapie (perkutane Strahlentherapie) gehört und bei der Röntgenstrahlen verwendet werden. Bei der Röntgenstrahlung (Bremsstrahlung) handelt es sich um ionisierende Photonenstrahlung, die durch das Abbremsen von Elektronen im Coulomb'schen Feld der Atomhülle entsteht.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

Die Indikationen zur Röntgentherapie sind aufgrund ihrer unbefriedigenden Dosishomogenität (gleichmäßige Dosis im Bestrahlungsgebiet) bei größeren Zielvolumina eingeschränkt. Als mögliche Anwendungsgebiete kommen solche Erkrankungen infrage, die nur eine geringe Gesamtstrahlendosis erfordern, sodass Dosisspitzen in Kauf genommen werden können. Geeignet sind auch oberflächlich gelegene zu bestrahlende Strukturen, die im Maximum der absorbierten Energie in der Haut liegen. Beispiele für Röntgentherapie-Indikationen:

  • Antiinflammatorische Bestrahlung bei akuten Entzündungen
    • Panaritium (Entzündungen an den Fingern/Zehen)
    • Paronychie (Nagelbettentzündungen)
    • Schweißdrüsenabszesse (Furunkel, infizierte Akne)
    • Thrombophlebitis (Venenentzündung)
    • Hautekzeme, Psoriasis (Schuppenflechte)
    • Nicht heilende Fisteln, Phlegmonen (eitrige, sich diffus ausbreitende Infektionserkrankung der Weichteile) und Ulzera (Geschwüre)
    • Herpes zoster (Gürtelrose)
  • Antiinflammatorische Bestrahlung bzw. Schmerzbestrahlung bei chronischen Entzündungen bzw. degenerativen Erkrankungen der Gelenke und Weichteile
    • Non-Outlet-Impingement im Schultergelenk (Einengung des subakromialen Raumes durch Sehnenverkalkungen, Bursitis (Schleimbeutelentzündungen), Rotatorenmanschetten-Instabilität oder Lockerung des Akromioklavikulargelenks)
    • Arthrosis deformans (deformierende Arthrose) der großen Gelenke
    • Degenerative Wirbelsäulenerkrankungen
    • Epicondylitis radialis humeri (Epicondylitis humeri lateralis; auch Tennisellenbogen; Tennisarm; Entzündung der Sehnenansätze am Oberarmknochen) bzw. Epicondylitis ulnaris humeri (Golferellenbogen, Golferarm)
    • Achillodynie (Schmerzsyndrom der Achillessehne)
  • Antiproliferative Bestrahlung hyperproliferativer Prozesse (überschüssige Zellbildung)
    • Überschussbildungen von kollagenen Fasern: Narbenkeloid (überschießende Narbe), Dupuytren-Kontraktur (Narbenkontraktur der Palmaraponeurose der Hand), Desmoid (aggressive Fibromatose, Neoplasie des Bindegewebes)
    • Überschießende Aktivität von Mesenchymzellen: heterotope Ossifikation (Bildung von Knochengewebe) nach Gelenkeingriffen
    • Überproliferation von Myofibroblasten der Gefäßwand: Intimafibrose (Verdickung der Innenhaut von Blutgefäßen durch Zunahme kollagener, häufig auch elastische Fasern) der Arterien, Restenosierung (erneuter Gefäßverschluss) nach Gefäßdilatation (Gefäßaufdehnung)
    • Überschießende Gefäßsprossung: exsudative Makuladegeneration, vermehrte Vaskularisation (Gefäßbildung) nach Keratoplastik (Ersatz einer erkrankten Hornhaut) etc.
  • Strahlentherapie von kleinen oberflächlichen Hauttumoren
  • Palliative (medizinische Behandlung, die nicht auf eine Heilung einer bestehenden Grunderkrankung beruht) Strahlentherapie von oberflächlich gelegenen Metastasen/Tochtergeschwülste (an Rippen oder Haut)

Das Verfahren

Die Röntgentherapie wird mithilfe von Röntgenbestrahlungseinrichtungen durchgeführt. Eine Röntgenanlage besteht aus Generator, Röntgenröhre, Röhrenschutzgehäuse, Stativ, Schaltgerät und eventuell einem Patientenbehandlungstisch. Für die verschiedenen Anwendungsgebiete sind unterschiedliche Erzeugerspannungen nötig. Die entsprechenden Röhrenspannungen variieren zwischen 7 kV (Grenzstrahlen) und 300 kV und erfordern eine angepasste Konstruktion des Generators bzw. der Röntgenröhre. Es wird unterschieden zwischen:

  • Weichstrahltherapie
    • Die Weichstrahltherapie ist eine Therapie von ganz oberflächlich gelegenen Läsionen, bei der eine hohe Hautbelastung mit gleichzeitig scharfem Dosisabfall schon nach wenigen Millimetern Gewebetiefe erreicht werden soll.
    • Technik: Röhrenspannung zwischen 10 und 50 kV (weiche Strahlung), kurzer Fokus-Haut-Abstand, dünnes Berylliumblech gegen Eigenfilterung der Röntgenröhre.
  • Hartstrahltherapie
    • Die Hartstrahltherapie wird zur Behandlung degenerativer Gelenk- und Wirbelsäulenerkrankungen verwendet.
    • Technik: Röhrenspannung von 100-400 kV, Filter zur Aufhärtung, aufwendiger baulicher Strahlenschutz

Mögliche Komplikationen

Nicht nur Tumorzellen, sondern auch gesunde Körperzellen werden von einer Radiotherapie geschädigt. Daher ist stets sorgsam auf radiogene (strahlenbedingte) Nebenwirkungen zu achten und diese zu verhüten, ggf. rechtzeitig zu erkennen und therapieren. Hierfür sind eine gute Kenntnis der Strahlenbiologie, Bestrahlungstechnik, Dosis und Dosisverteilung sowie eine permanente klinische Beobachtung des Patienten notwendig. Die möglichen Komplikationen einer Strahlentherapie sind wesentlich abhängig von der Lokalisation und Größe des Zielvolumens. Besonders bei einer hohen Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Nebenwirkungen müssen prophylaktische Maßnahmen getroffen werden. Häufige Komplikationen einer Strahlentherapie:

  • Radiogene Dermatitis (Hautentzündungen)
  • Mukositiden (Schleimhautschädigungen) des Atmungs- und Verdauungstraktes
  • Zahn- und Zahnfleischschäden
  • Darmerkrankungen: Enteritiden (Darmentzündungen mit Übelkeit, Erbrechen etc.), Strikturen, Stenosen, Perforationen, Fisteln
  • Zystitiden (Harnblasenentzündungen), Dysurien (erschwerte Blasenentleerung), Pollakisurien (häufiges Wasserlassen)
  • Lymphödeme
  • Neuronale Toxizitäten (Neurotoxizität) nach Bestrahlung im ZNS-Bereich/Zentralnervensystem (→ neurokognitive Funktionseinschränkungen, selten Hirnnekrosen/Absterben von Hirngewebe)
  • Kardiale Toxizitäten (Kardiotoxizität/Herzschädigung) nach mediastinaler Bestrahlung (→  koronare Herzerkrankung (KHK; Herzkranzgefäßerkrankung), Kardiomyopathie (Herzmuskelerkrankung), Herzklappenerkrankungen, Störungen des Reizleitungssystems sowie Perikarderkrankungen/Herzbeutel Erkrankungen)
  • Pulmonale Toxizitäten (Lungentoxizität) nach thorakaler Bestrahlung/Brustkorbbestrahlung (→ chronische Lungenfibrose/Veränderung des Lungengewebes, bei dem verstärkten Bindegewebe zwischen den Lungenbläschen (Alveolen) und den sie umgebenden Blutgefäßen gebildet wird)
  • Radiogene Pneumonitis (Sammelbegriff für jede Form der Lungenentzündung (Pneumonie), welche nicht die Alveolen (Lungenbläschen), sondern das Interstitium bzw. den Zellzwischenraum betrifft) bzw. Fibrose
  • Radiogene Nephritis (Entzündung der Nieren) bzw. Fibrose
  • Einschränkungen des hämatopoetischen Systems (blutbildende System), insbesondere Leukopenien (gegenüber der Norm verminderte Anzahl von weißen Blutkörperchen (Leukozyten) im Blut) und Thrombozytopenien (gegenüber der Norm verminderte Anzahl von Blutplättchen (Thrombozyten) im Blut)
  • Zweit-/Mehrfachtumoren (ZT) – überwiegend solide Tumoren, die mit einer Latenz von mindestens 5-10 Jahren auftreten

Literatur

  1. Sauer R: Strahlentherapie und Onkologie. Elsevier Verlag 2010
  2. Lohr F, Wenz F: Strahlentherapie kompakt. Elsevier Verlag 2007
  3. Richter E, Feyerabend T: Grundlagen der Strahlentherapie. Springer Verlag 2002
  4. Wennenmacher M, Debus J, Wenz F: Strahlentherapie. Springer Verlag 2006

     
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