Dialyseverfahren: Eine umfassende Übersicht

Der Begriff Dialyse beschreibt den Vorgang der sogenannten Blutreinigung. Der Einsatz eines Dialyseverfahrens erfolgt primär bei niereninsuffizienten Patienten, bei denen die Niere nicht mehr in der Lage ist, Toxine und Schadstoffe aus dem Blut zu filtern und zu eliminieren. Aufgrund dessen muss zur Blutreinigung bei fehlender oder stark verminderter Nierenfunktion entweder eine Nierentransplantation oder eine Dialysetherapie (extrakorporale Nierenersatztherapie) erfolgen. Die Nierentransplantation stellt prinzipiell den Goldstandard (Therapieverfahren der Wahl) bei stark supprimierter und komplett fehlender Nierenfunktion dar, allerdings gibt es in Deutschland einen höheren Bedarf an Spendernieren als Organspender zur Verfügung stehen, sodass die Mehrheit der Patienten die Wartephase bis zur Organtransplantation mittels Dialyse überbrücken muss. Sollte eine Transplantation aufgrund verschiedener Ursachen nicht möglich sein, kann die Dialysetherapie lebenslang durchgeführt werden. Somit stellt das Dialyseverfahren neben der Nierentransplantation die wichtigste Nierenersatztherapie bei chronischem Nierenversagen dar. Des Weiteren besteht jedoch die Option, die Dialyse als Behandlungsmöglichkeiten bei einem akuten Nierenversagen einzusetzen.

Weiterhin ist es möglich, die Dialysetherapie in zwei Untergruppen einzuteilen. Zu unterscheiden sind hierbei die extrakorporalen (außerhalb des Körpers) und intrakorporalen (innerhalb des Körpers) beziehungsweise nicht-extrakorporalen Dialyseverfahren. Von besonderer Bedeutung bei den extrakorporalen Verfahren ist die Hämodialyse, die das am häufigsten genutzte Dialyseverfahren weltweit darstellt. Ebenfalls zu den extrakorporalen Verfahren zählen die Hämofiltration und die Hämodiafiltration. Außerdem werden die Hämoperfusion und die Apherese-Therapie zu den Blutreinigungsverfahren gezählt, allerdings ist anzuführen, dass die Indikation (Anzeige zur Anwendung) dieser Verfahren nicht die chronische Therapie bei einer vorliegenden Niereninsuffizienz ist, sondern das Vorliegen anderer Krankheitsbilder beziehungsweise Vergiftungen. Somit stellen sowohl die Hämoperfusion als auch die Apherese-Therapie keine Nierenersatztherapie-Verfahren dar.

Die folgenden Verfahren sind der Dialysetherapie zuzuordnen:

  • Hämodialyse – um eine Hämodialysetherapie durchführen zu können, bedarf es der operativen Implantation ein Shunts. Bei einem Shunt handelt es sich um eine künstlich hergestellte Verbindungsstelle zwischen dem arteriellen und dem venösen Blut. Der Eingriff wird prinzipiell ausschließlich am Ober- oder Unterarm durchgeführt (meistens am Handgelenk zwischen der Arteria radialis und der Vena cephalica). Der Dialyseshunt sollte immer am nicht-dominanten Arm angelegt werden, da der Shuntarm im Alltag geschützt werden muss!
    Beachte: Keine Blutdruckmessung, Blutabnahmen und keine Anlage von Venenverweilkanülen am Shuntarm!
    Je nach Konstitution des Patienten können beim Anlegen des Shunts Komplikationen auftreten, die beispielsweise durch die Verwendung sogenannter Gefäßprothesen reduziert werden können. Grundlegendes Prinzip der Hämodialyse ist die Erzeugung eines Konzentrationsausgleichs von exakt definierten Substanzen zwischen zwei durch eine semipermeable Membran getrennte Flüssigkeiten. Über diese Membran erfolgt ein Stoffaustausch nach dem physikalischen Prinzip der Osmose. Die beiden voneinander separierten Flüssigkeiten sind das Blut des Patienten, welches sämtliche Toxine und Schadstoffe enthält und das Dialysat. Im Dialysat befindet sich eine Puffersubstanz, die ein Ungleichgewicht des pH-Wertes (Säure-Basen-Haushalt) ausgleichen kann. Des Weiteren ist das Dialysat keimarm, elektrolytbeladen und enthält keine Abfallprodukte.
  • Hämofiltration – grundlegender Unterschied zwischen der Hämofiltration und der Hämodialyse ist die fehlende Nutzung eines Dialysates zur Durchführung der Therapiemaßnahme. Trotz dieses Unterschiedes ist auch bei Verwendung der Hämofiltration eine signifikant bessere und somit niedrigere Konzentration an harnpflichtigen und schädlichen Substanzen im Blut und somit im Organismus des Patienten enthalten. Stattdessen erfolgt bei der Hämofiltration ein Flüssigkeitsentzug mittels Ultrafiltration. Dieses Prinzip beruht auf der Nutzung eines Hämofilters. Dieser verwendete Hämofilter zeichnet sich dadurch aus, dass er aus einer hochpermeablen Membran besteht, was zum Erreichen von Ultrafiltrationsraten im Bereich von 120 bis 180 ml/min führt. Durch diesen Filter kann, mittels eines über eine Pumpe angelegten Druckgradienten an der Filtermembran, ein Transport von Plasma aus dem Blut über die Membran erfolgen, was als Resultat einen Flüssigkeitsentzug bewirkt. Folge dieses Druckgradienten ist weiterhin die Entfernung aller filtergängigen Stoffe. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die entzogene Flüssigkeit rasch durch eine Elektrolytlösung ersetzt werden muss. Überdies ist zu erwähnen, dass es sich bei der Hämofiltration um ein maschinelles Verfahren handelt, welches sich in weitere Subsysteme gliedern lässt. Die spontane langsame Ultrafiltration (SCUF), die kontinuierliche arteriovenöse Hämofiltration (CAVH), die kontinuierliche arteriovenöse Hämofiltration mit Filtrationspumpe und die kontinuierliche veno-venöse Hämofiltration (CVVH) können der Hämofiltration zugeordnet werden.
  • Hämodiafiltration (HDF) – bei diesem Verfahren handelt es sich um eine Kombination aus der Hämodialyse und der Hämofiltration, die ausschließlich zur Therapie einer chronischen Niereninsuffizienz mit Therapieindikation als Nierenersatzverfahren eingesetzt wird. Aufgrund dieser Kombination der beiden Blutreinigungsverfahren wird es möglich, dass sowohl die Entfernung der nieder- als auch der mittelmolekularen Substanzen durchzuführen ist. Der Entzug dieser Substanzen ist nur bei einem kontrollierten Ersatz des Ultrafiltrats durch physiologische Elektrolytlösung realisierbar. Die Zugabe der Ersatzlösung direkt ins Blut erfolgt entweder vor oder nach dem Dialysator. Um einen Volumenausgleich wiederherstellen zu können, ist es notwendig, dass die zugegebene Flüssigkeit mittels Dialysator wieder entfernt wird. Resultat dieses Prozesses, die Erzeugung eines höheren transmembranären Flusses. Dies hat zur Folge, dass die im Blut vorhandenen Schadstoffe und Toxine effektiver eliminiert werden können.
  • Peritonealdialyse (PD) – hierbei handelt es sich um eine Gruppe von Nierenersatzverfahren zur Therapie einer Niereninsuffizienz, denen gemeinsam ist, dass zur Dialysetherapie eine Nutzung des Peritoneums (Bauchfell) als Filtermembran erfolgt. Hierzu wird dem Patienten entweder invasiv (konventionelle Operation) oder minimal-invasiv (mit geringer Schädigung der Bauchhaut) ein Kathetersystem in die Bauchhöhle implantiert. Im Anschluss an diesen Eingriff lässt sich über diesen Katheter eine Dialyselösung in den Peritonealraum (Bauchraum) füllen. Der Verbleib des Dialysats ist abhängig vom genutzten Verfahren. Nachteil dieses Verfahrens ist jedoch, dass das Peritoneum proteindurchlässig ist, sodass dem Körper eine größere Menge an Eiweiß entzogen wird.
  • Heim-Dialyse – sowohl die Hämodialyse als auch die Peritonealdialyse lassen sich unter bestimmten Voraussetzungen, wie beispielsweise der Eignung des Patienten für diese Therapiemaßnahme, im eigenen Haushalt durchführen. Durch die Durchführung der Therapie zu Hause lässt sich eine flexiblere Zeiteinteilung erreichen, was gegebenenfalls die Weiterausübung des Berufes zur Folge haben kann. Außerdem konnte in verschiedenen Studien gezeigt werden, dass die Letalität (Sterblichkeit bezogen auf die Gesamtzahl der an der Krankheit Erkrankten) durch die Heimdialyse gesenkt werden kann.

Indikationen

Akutdialyse

  • Therapierefraktäre Entgleisungen
    • pH-Haushalt: Metabolische Azidose (stoffwechselbedingte Übersäuerung)
    • Elektrolyte: Hypercalcämie (Calciumüberschuss), Hyperkaliämie (Kaliumüberschuss)
    • Wasserhaushalt: Hypervolämie/
      (z. B. wg. Lungenödem/Wassereinlagerung in der Lunge)
    • Serum-Harnstoffwerte: > 200 mg/dl
  • Symptomatische Urämie
  • Intoxikationen (Vergiftungen; dialysierbar)
    • Lithium
    • Methanol
  • Akutes Nierenversagen (ANV)
  • kardialbedingte (herzbedingte) Hypervolämie (z. B. wg. Lungenödem)

Dauerdialyse

  • GFR (glomeruläre Filtrationsrate): < 7 ml/min
  • Therapierefraktäre renale Anämie

Dialyse: je früher, desto besser?

In der IDEAL-Studie (Initiating Dialysis Early and Late) wurde untersucht, ob für Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz (Stadium V) die Aussage gilt: Dialyse: je früher, desto besser?
In der frühen Gruppe begann die Dialyse bei einer GFR zwischen 10 und 14 ml/min/1.73 und in der späten Gruppe bei einer GFR zwischen 5,0 und 7,0 ml/min/1.73.
Ergebnis: Die Gesamtsterblichkeit war für beide Gruppen gleich!
Fazit: Mit Beginn der Dialyse kann so lange gewartet werden, bis Symptome einer Urämie auftreten [6, 7]. Typische Symptome einer Urämie sind unter anderem Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Übelkeit und Juckreiz; des Weiteren u. a. auch urämische Perikarditis (Herzbeutelentzündung) oder Enzephalitis (Gehirnentzündung).

Absolute Indikationen für den Beginn einer Dialyse sind laborchemische Befunde wie u. a. die konservativ nicht beherrschbare Hyperkaliämie (Calciumüberschuss) und metabolische Acidose (Stoffwechsel-bedingte Übersäuerung) oder dauerhaft hohe Harnstoffwerte.

Prognose nach Verweigerung der Dialyse

Patienten mit einem Altersschnitt von 60-87 Jahren und einer eGFR (geschätzte glomeruläre Filtrationsrate) von durchschnittlich 7-19 ml/min/1,73 m2, die sich aktiv gegen den Beginn einer Dialyse entschieden hatten, erreichten eine mediane Überlebenszeit von 1-41 Monaten, in den Studien aus Kontinentaleuropa waren es 6-37 Monate bei lange gleichbleibender Lebensqualität. Ein bis zwei stationäre Aufnahmen pro Jahr waren allerdings erforderlich [8].

Weiteres

In den vergangenen 25 Jahren ist bei Dialysepatienten die kardiovaskuläre Mortalität (Herz- und gefäßbedingte Sterberate) stärker zurückgegangen als im Bevölkerungsdurchschnitt. Dieses betrifft insbesondere die Sterblichkeit durch Myokardinfarkte (Herzinfarkte), Apoplexe (Schlaganfälle) und Lungenembolien. Allerdings liegt die kardiovaskuläre Mortalität immer noch 6- bis 7-mal so hoch im Vergleich zum Bevölkerungsdurchschnitt [9].

Hinweis: Bei der Lungenembolie handelt es sich um eine mechanische Obstruktion ("Verstopfung oder Verengung") einer oder mehrerer Pulmonalarterienäste (Lungenarterieäste), die vor allem durch eine Becken-Bein-Thrombose (ca. 90 % der Fälle) seltener durch einen Thrombus (Blutgerinnsel) aus den oberen Extremitäten bedingt ist. 

Literatur

  1. Hörl W: Dialyseverfahren in Klinik und Praxis: Technik und Klinik. Georg Thieme Verlag 2003
  2. Olbricht C: Therapie innerer Krankheiten. Springer Verlag 2006
  3. Keller C: Praxis der Nephrologie. Springer Verlag 2010
  4. Nowack R: Dialyse und Nephrologie für Fachpersonal. Springer Verlag 2009
  5. Busse C: Medizintechnik – Blutreinigungssysteme. Springer Verlag 2007
  6. Cooper BA et al.: A randomized, controlled trial of early versus late initiation of dialysis. N Engl J Med 2010; 363: 609-19
  7. Lameire N et al.: The initiation of renal-replacement therapy – just in time delivery. N Engl J Med 2010; 363: 678-9
  8. Wong SPY et al.: Long-term Outcomes Among Patients With Advanced Kidney Disease Who Forgo Maintenance Dialysis A Systematic Review. JAMA Netw Open 2022;5(3):e222255; https://doi.org/10.1001/jamanetworkopen.2022.2255
  9. Ocak G et al.: Trends in Mortality Due to Myocardial Infarction, Stroke, and Pulmonary Embolism in Patients Receiving Dialysis. JAMA Network Open 2022;5(4):e227624. https://doi.org/10.1001/jamanetworkopen.2022.7624

Leitlinien

  1. S3-Leitlinie: Versorgung von Patienten mit chronischer nicht-dialysepflichtiger Nierenerkrankung in der Hausarztpraxis. (AWMF-Registernummer: 053 - 048), Juni 2019 Kurzfassung Langfassung

     
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