Strahlentherapie (Einleitung)

Strahlentherapie ist ein alter deutscher Begriff für die Behandlung von malignen (bösartigen) oder benignen (gutartigen) Erkrankungen innerhalb der Radiologie. Seit 1988 hat sich die Strahlentherapie in Deutschland von der Radiologie abgezweigt und bildet ein eigenständiges Fachgebiet. Die Begriffe Radiotherapie und Radioonkologie werden oftmals synonym gebraucht, wobei die Radioonkologie meist eine umfassendere Betreuung der Tumorpatienten impliziert.

In der Onkologie bilden die Chirurgie, Chemotherapie und Strahlentherapie drei wichtige Säulen der effizienten Tumorbehandlung. Ein enges interdisziplinäres Zusammenarbeiten dieser Teilbereiche ist unabdingbar, sodass heutzutage die Strahlentherapie meist in ein Tumorzentrum mit Chirurgen, Onkopathologen, Radiologen, Psychoonkologen etc. angegliedert ist.

Prinzipiell ist die Strahlentherapie wie auch die Chirurgie eine lokale Behandlungsmethode, deren Wirkung ausschließlich auf den Ort der Anwendung begrenzt ist. Sie beruht auf der Wechselwirkung von ionisierender Strahlung mit biologischen Strukturen. Statistisch gesehen werden heute etwa zwei Drittel aller lokal begrenzten Tumoren geheilt, wobei ein Drittel davon auf die Chirurgie und ein Drittel auf die Strahlentherapie entfällt. Außerdem leistet die Radiotherapie in der Größenreduktion von Tumoren zur Symptomlinderung oder vor einer chirurgischen Entfernung des Tumors einen entscheidenden Beitrag.

Strategien der Strahlentherapie

In Abhängigkeit von Tumorart, Tumorausdehnung sowie vom allgemeinen Gesundheitszustand des Patienten wird vor Beginn jeder Strahlentherapie ein Therapieziel gesetzt, wobei generell zwischen kurativem und palliativem Ansatz unterschieden werden kann.

  1. Kurativtherapie: Auf Basis der prätherapeutischen Diagnostik besteht eine realistische Heilungschance, sodass die Therapie auf eine Heilung ausgerichtet ist. 
    • Alleinige Radiotherapie: Bei genügend strahlensensiblen Tumoren kann bei gleicher Heilungsaussicht sowie dem Wunsch nach einem besseren funktionellen bzw. kosmetischen Ergebnis auf eine operative Entfernung des Tumors verzichtet und eine alleinige Bestrahlung durchgeführt werden (Beispiele: maligne Lymphome, einige Hirntumoren, Prostatakarzinome, Analkarzinome).
    • Neoadjuvante (präoperative) Radiotherapie: Die Strahlentherapie wird vor einer Operation durchgeführt mit dem Ziel der Tumorverkleinerung, Zerstörung bereits in die Umgebung vorgedrungener Tumorausläufer oder Devitalisierung der Tumorzellen zur Verminderung des Risikos einer intraoperativen Zellverschleppung.
    • Adjuvante (postoperative) Radiotherapie: Die Strahlentherapie wird nach einer Operation durchgeführt, um die möglicherweise nicht entfernten Tumorreste abzutöten und somit einem Rezidiv vorzubeugen.
    • Konsolidierende Radiotherapie: Die Strahlentherapie wird nach primärer systemischer Chemotherapie durchgeführt, um eine durch die Chemotherapie erreichte Vollremission zu stabilisieren.
  2. Palliativtherapie: Im Falle von fortgeschrittenen Tumoren ist keine Heilung zu erwarten. Die Strahlentherapie ist jedoch ein bedeutungsvolles Instrument zur Verbesserung der Lebensqualität und zum Aufrechterhalten eines weitgehend beschwerdefreien Zustandes des Patienten.
    • Stabilisierungsbestrahlung: Die Bestrahlung wird mit etwa zwei Drittel der Tumorvernichtungsdosis durchgeführt und ist zum Beispiel bei Instabilität aufgrund von Skelettmetastasen oder neurologischen Ausfällen bei Hirnmetastasen indiziert.
    • Schmerzbestrahlung: Tumorbedingte Schmerzen lassen sich oft durch Bestrahlung lindern, sodass Schmerzmittel zu einem hohen Maße eingespart werden können. Die Strahlendosis beträgt oft nur ein Viertel bis ein Drittel der Tumorvernichtungsdosis.

Organisation der Radioonkologie

Strahlentherapie kann in Strahlenkliniken, strahlentherapeutischen Abteilungen oder niedergelassenen Strahlenpraxen durchgeführt werden. In einem Großkrankenhaus besteht die Strahlenklinik in der Regel aus drei Bereichen:

  1. Poliklinik: Patientenaufnahme, Tumornachsorge, Untersuchungs- und Therapieräume, Seelsorge etc.
  2. Bettenabteilung: Standardbelegung, Tagesbetten etc.
  3. Therapieabteilung: Die Therapieabteilung ist die Grundlage der Strahlenklinik und besteht aus zwei Bereichen:
    • Bestrahlungsplanung: Schnittbildgeräte zur Tumorlokalisation (CT, MRT, Sonographie), Bestrahlungsplanungssysteme
    • Therapie: Linearbeschleuniger, Röntgentherapie, Brachytherapie, Hyperthermie etc.

Neben einem medizinisch-ärztlichen Kompetenzbereich gibt es in einer Strahlenklinik auch einen physikalisch-technischen Bereich, der durch Physiker verantwortet wird und einen entscheidenden Beitrag zur korrekten technischen Durchführung der Therapie leistet.

Strahlenbiologie

Die Zellen des menschlichen Organismus sind die kleinsten, selbstständig funktionsfähigen Einheiten. Sie bestehen aus einem Zellkern mit der Erbsubstanz (DNA), dem Zytoplasma und den Membranen. Komplexe Regulationsvorgänge steuern den Zellzyklus, die Zellteilung sowie alle nötigen Zellfunktionen.

Tumorzellen unterscheiden sich prinzipiell nicht von normalen Zellen. Ihr Zellzyklus ist jedoch durch verschiedene DNA-Mutationen (Aktivierung von Onkogenen oder Inaktivierung von Tumorsuppressorproteinen) gestört, sodass es meist zu einer unaufhaltsamen Zellteilung und einem unkontrollierten Tumorwachstum kommt.

Der Hauptangriffspunkt von ionisierenden Strahlen ist die Erbsubstanz (DNA). Durch die Bestrahlung entstehen an der DNA-Brüche von Wasserstoffbrücken, Basenschäden, Strangbrüche, DNA-Vernetzungen oder Bulky lesions (Mehrfachschäden, oft irreparabel). Die Folge der DNA-Schädigung ist eine Proliferationshemmung der Zellen, die schließlich zum Zelltod führt.

Durch die lokale Bestrahlung eines Tumors erhofft man sich eine DNA-Schädigung und somit Inaktivierung der Tumorzellen, sodass der Tumor in seinem Wachstum gehemmt bzw. durch Zelltod vernichtet wird. Da auch gesunde Körperzellen von der Radiotherapie geschädigt werden, ist auf eine besondere Schonung des umliegenden Gewebes zu achten.

Strahlentherapeutische Methoden

In Abhängigkeit von der Lokalisation der Strahlenquelle wird zwischen folgenden Therapieprinzipien unterschieden:

  1. Teletherapie (perkutane Strahlentherapie): Die Strahlenquelle befindet sich außerhalb des Körpers, der Fokus-Haut-Abstand beträgt über 10 cm. Zur Teletherapie gehören:
    •  Röntgentherapie
    • Telegammatherapie
    • Hochenergietherapie
  2. Brachytherapie (Kurzdistanztherapie): Die Bestrahlung erfolgt aus unmittelbarer Nähe, der Abstand zwischen Zielvolumen und Strahlenquelle beträgt weniger als 10 cm. Zur Brachytherapie gehören:
    • Kontaktherapie: Die Strahlenquelle hat direkten Kontakt zum Patienten (z. B. Haut, Augapfel, intraoperative Radiotherapie).
    • Intrakavitäre Therapie: Die Strahlenquelle wird in eine Körperhöhle eingebracht (z. B. Gebärmutterhöhle, Scheide, Blase, Ösophagus/Speiseröhre).
    • Interstitielle Therapie: Die Strahlenquelle wird unmittelbar in das Tumorgewebe implantiert.

Des Weiteren existieren zahlreiche Parameter, die vor der Durchführung einer Strahlentherapie individuell in Abhängigkeit von Tumorlokalisation und Tumorhistologie ausgewählt werden müssen. Hierzu gehören zum Beispiel:

  • Strahlenart
  • Feldgröße
  • Feldbegrenzung
  • Fokus-Hautabstand
  • Filterung
  • Körperinhomogenitäten

Insgesamt sind die strahlentherapeutischen Methoden sehr vielfältig und stets an die individuellen Bedingungen des Patienten anzupassen. Unverzichtbar ist eine kompetente Zusammenarbeit zwischen Physikern, Medizinern und MTRA (medizinisch-technische Radiologieassistenten). Das Hauptziel ist die maximale Tumor-Zellschädigung bei gleichzeitig maximaler Gewebeschonung. Für jedes Organ bzw. jede Tumorart haben sich bereits individuelle Bestrahlungskonzepte etabliert. 

Literatur

  1. Sauer R: Strahlentherapie und Onkologie. Elsevier Verlag 2010
  2. Lohr F, Wenz F: Strahlentherapie kompakt. Elsevier Verlag 2007

Leitlinien

  1. S2e-Leitlinie: Supportive Maßnahmen in der Radioonkologie. (AWMF-Registernummer: 052 - 014), Februar 2015 Langfassung
     
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