Allgemeinanästhesie

Unter Allgemeinanästhesie wird die herkömmliche Narkose bzw. Vollnarkose (griech. nàrkosi: in Schlaf versetzen) verstanden. Diese Anästhesieform ermöglicht erst die Entwicklung heutiger Operationsstandards. Sie wird bei Operationen eingesetzt, die für den wachen Patienten nicht zumutbar sind. Die Allgemeinanästhesie bildet ein sehr großes Teilgebiet der Anästhesie. Die Durchführung der Narkose darf in Deutschland nur durch einen Facharzt, den sogenannten Anästhesiologen erfolgen. Eine Allgemeinanästhesie ist durch einige grundsätzliche Ziele bzw. Zustände des Patienten definiert:

  • Hypnose – Erlöschen des Bewusstseins
  • Amnesie – Erlöschen der Erinnerungsfähigkeit
  • Analgesie – Schmerzlosigkeit
  • Muskelrelaxierung – Medikamentös hervorgerufene Entspannung der Muskulatur
  • Dämpfung vegetativer Reflexe – Blockierung jeglicher Reaktionen des Organismus auf die potenziell schädlichen Reize (Stressabschirmung)

Indikationen (Anwendungsgebiete)

Die Indikationen für die Unterformen der Allgemeinanästhesie sind je nach Verfahren unterschiedlich und werden in den Unterkapiteln beleuchtet.

Vor der Operation

Vor jeder Operation muss der Anästhesist (Narkosearzt) ein Aufklärungsgespräch mit dem Patienten zur Klärung von Fragen, Erhebung der Anamnese, sowie zur Unterrichtung über Risiken und Komplikationen durchführen.

Der Patient erhält häufig eine Prämedikation. Diese wird ca. 45 Minuten vor dem Eingriff verabreicht und dient vor allem der Anxiolyse (Angstauflösung).

Unmittelbar vor der Narkoseeinleitung vergewissert sich der Anästhesist der Identität des Patienten, damit es nicht zu Verwechslungen kommt. Obligatorisch sind die Frage nach der letzten Nahrungsaufnahme sowie die Prüfung des Mund- und Zahnstatus (auch für die forensische Nachvollziehbarkeit im Falle von Schäden bei einer Intubation). Vor jeder geplanten Narkose muss der Patient nüchtern sein, da sonst das Risiko der Aspiration (Verschleppung von Nahrungsresten in die Atemwege) erhöht ist. Bei Notfalleingriffen von nicht-nüchternen Personen wird auf eine besondere Form der Narkoseeinleitung, der Rapid Sequence Induction, zurückgegriffen, um dem gesteigerten Aspirationsrisiko Rechnung zu tragen.

Nun wird das medizinische Monitoring begonnen, dieses enthält:
Elektrokardiogramm (EKG), Pulsoxymetrie (Messung von Puls und Sauerstoffgehalt des Blutes), venöser Zugang (für die Narkosemedikamente und andere Medikamente), Blutdruckmessung (ggf. invasive arterielle Blutdruckmessung bei Risikopatienten).

Das Verfahren

Neben der Vorbereitung und der gründlichen anamnestischen Exploration des Patienten zum Ausschluss von Risiken, sind die Medikamente von zentraler Bedeutung. Als Hypnotika werden Medikamente bezeichnet, die die Bewusstlosigkeit ("Schlaf") herbeiführen. Für die Allgemeinanästhesie werden Inhalationsnarkotika z. B. Lachgas (Distickstoffmonoxid), Injektionsanästhetika, Schmerzmittel z. B. Opioide, sowie Muskelrelaxantien verwendet. Die verschiedenen Varianten der Allgemeinanästhesie leiten sich unter anderem aus den unterschiedlichen Zusammensetzungen dieser Komponenten ab. Zur Erlangung der oben genannten Ziele einer Allgemeinanästhesie werden im Wesentlichen folgende Medikamentengruppen eingesetzt:

  • Analgetika (Schmerzmittel) bzw. Opioid-Analgetika (z. B. Morphium)
  • Anästhetika bzw. Hypnotika, z. B. Inhalationsnarkotika (Narkosemittel)
  • Muskelrelaxantien
  • Antiemetika (Medikamente gegen Erbrechen)

Eine sehr wichtige Säule der Allgemeinanästhesie ist die Sicherung der Atemwege. Da die Medikamente, die für eine Narkose verabreicht werden oft auch atemdepressiv (Verlangsamung der Atmung) wirken, muss die Atmung des Patienten gesichert und unterstützt werden. Folgende Möglichkeiten gibt es:

  • Intubation – Sicherung der Atemwege durch einen Endotrachealtubus (kurz Tubus genannt; es handelt sich dabei um den Beatmungsschlauch, einer Hohlsonde aus Kunststoff, die in die Trachea (Luftröhre) eingebracht wird). Diese Form der Beatmung sollte z. B. bei Sängern nicht durchgeführt werden, da die Stimmbänder dadurch beeinträchtigt werden können.
  • Gesichtsmaske – Beatmung über eine Maske, die über Mund und Nase gelegt wird.
  • Larynxmaske – Die sogenannte Kehlkopfmaske wird im Rachenraum über den Kehlkopf gestülpt.
  • Larynxtubus – Der Larynxtubus sichert die Atemwege, indem die Speiseröhre mit einem Ballon verschlossen wird und die zugeführte Luft in die Luftröhre fließt. Dafür kommt ein Tubus mit zwei Öffnungen in der Speiseröhre, die er verschließt, zum Liegen.
  • Combitubus – Doppelter Tubus, der in Luftröhre und Speiseröhre liegt und je nach Lage in der Speiseröhre geblockt (verschlossen) wird. Dieser Tubus wird bei schwer intubierbaren Patienten eingesetzt, da hier das Auffinden der Luftröhre oft Probleme bereitet.

Die Allgemeinanästhesie läuft in verschiedenen Stadien wie folgt ab:

  • Einleitung – Anflutung der Medikamente zum Erreichen der Hypnose, Amnesie, Analgesie und Muskelrelaxation. In dieser Phase erreichen die Medikamente die Wirkkonzentrationen, die erforderlich sind.
  • Erhaltung – Erst, wenn die Narkose stabil ist, kann die Operation durchgeführt werden. Die Medikamente müssen so gegeben werden, dass der Wirkspiegel konstant ist. Außerdem wird die Medikamentenzufuhr an den Bedarf angepasst reguliert, sodass auf jede veränderte Situation flexibel reagiert werden kann.
  • Ausleitung – Im Anschluss an die Operation werden die Medikamente eliminiert und die Narkose ausgeleitet, wobei die Schmerzmedikation fortbesteht.

Formen der Allgemeinanästhesie:

  • Balancierte Anästhesie – Diese Narkoseform gehört zu den häufigsten und wird vor allem bei langen und mittellangen Eingriffen am Erwachsenen durchgeführt. Sie sollte nicht bei erhöhtem intrakraniellen Druck ("Hirndruckerhöhung) und bei Neigung zur malignen Hyperthermie (unkontrollierte Erhöhung der Körpertemperatur) angewendet werden (Kontraindikationen).
    Folgende Medikamente werden eingesetzt: Sauerstoff, volatiles Inhalationsanästhetikum, Opioid, ggf. Lachgas und Relaxanz.
  • Intravenöse Anästhesie (IVA) – Diese Anästhesieform wird bei kurzen und mittellangen Eingriffen eingesetzt.
    Folgende Medikamente werden eingesetzt: Sauerstoff, intravenöse Hypnotikum, Lachgas, Opioid, ggf. Relaxanz.
  • Total intravenöse Anästhesie (TIVA) – Die TIVA wird durchgeführt, falls die Verwendung von Lachgas vermieden werden soll.
    Folgende Medikamente werden eingesetzt: Sauerstoff, intravenöses Hypnotikum, Opioid, ggf. Relaxanz, aber kein Lachgas.
  • Reine Inhalationsanästhesie – Die reine Inhalationsanästhesie wird vor allem bei Kindern verwendet. Die Kontraindikationen entsprechen denen der balancierten Anästhesie, es kommt jedoch die instabile Kreislaufsituation hinzu.
    Folgende Medikamente werden eingesetzt: Sauerstoff, volatiles Inhalationsanästhetikum, ggf. Lachgas oder Relaxanz, aber kein Opioid.

Nach einer Vollnarkose

Nach einer Vollnarkose stellten sich in einer schwedischen Studie bei jedem zehnten operierten Patienten bereits im Aufwachraum Übelkeit und Erbrechen (post-operative nausea and vomiting, PONV) ein. 
Hinweis: In der Gesamtheit leiden ca. 20 bis 40 % der Patienten nach einer Vollnarkose unter diesen Symptomen.
Risikofaktoren für PONV sind suboptimale PONV-Prophylaxe (adjustierte Odds Ratio, aOR 4,11), des Weiteren der Einsatz von Opioiden (aOR 2,41), weibliches Geschlecht (aOR 2,26), Body-Mass-Index über 35 kg/m2 (aOR 2,10) sowie große Operationen, bei denen die Allgemeinanästhesie mindestens 60 Minuten andauerte (aOR 2,10) [3].

Literatur

  1. Larsen R: Anästhesie. Elsevier, Urban & Fischer 2006
  2. Striebel HW: Die Anästhesie: Grundlagen und Praxis. Schattauer Verlag 2010
  3. Johansson E et al.: Early post-operative nausea and vomiting: A retrospective observational study of 2030 patients. Acta Anaesthesiol Scand 2021  
     
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