Leber, Gallenblase und Pankreas (Bauchspeicheldrüse)

Nachfolgend werden unter "Leber, Gallenblase und Pankreas (Bauchspeicheldrüse)" Krankheiten beschrieben, die gemäß ICD-10 dieser Kategorie zuzuordnen sind (K70-K77, K80-K87, K90-K93). Der ICD-10 dient der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten sowie verwandter Gesundheitsprobleme (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) und ist weltweit anerkannt.

Leber, Gallenblase und Pankreas (Bauchspeicheldrüse)

Die Leber (Hepar) ist das wichtigste Stoffwechselorgan des Menschen und ist als größte Verdauungsdrüse mit Bestandteil des Verdauungssystems.

Die Gallenblase (Vesica fellea beziehungsweise biliaris, lat. vesica "Blase" und fellis beziehungsweise bilis "Galle") dient als Reservoir für den Gallensaft, der in der Leber produziert wird. Durch die Gallenwege wird die in der Gallenblase konzentrierte Gallenflüssigkeit in den Dünndarm geleitet, wo sie hauptsächlich der Fettverdauung und -resorption dient.

Das Pankreas ist von großer Bedeutung für die Verdauung und den Kohlenhydratstoffwechsel.

Anatomie

Leber
Die Leber eines Erwachsenen ist 1.500 bis 1.800 g schwer. Sie wird von ca. 30 % des Blutflusses durchströmt und verbraucht ca. 20 % des gesamten Körpersauerstoffes.
Die Leber liegt im rechten Oberbauch, unter dem Zwerchfell. Sie ist dunkelbraun, weich-elastisch und lässt sich in vier Lappen, die Lobi, unterteilen: zwei große Lappen – rechter und linker Leberlappen – und zwei kleine Lappen.
An der unteren Seite der Leber befindet sich die Leberpforte. Hier treten die Leberarterie (Arteria hepatica) und die Pfortader (Vena portae) ein. Die Leberarterie transportiert sauerstoffreiches Blut vom Herzen zur Leber und die Pfortader sauerstoffarmes Blut aus den Bauchorganen.
An der Leberunterfläche ist die Gallenblase bindegewebig angeheftet.

Gallenblase, Gallenwege
Die birnenförmige Gallenblase ist ca. 8 cm lang und fasst 30-70 ml. Ihre Wand ist dehnungsfähig.

Die Leber ist von vielen kleinen Gallengängen durchzogen, die sich letztlich verbinden und in zwei Gallengänge – rechter Ductus hepaticus und linker Ductus hepaticus – münden. Diese beiden Gallengänge vereinigen sich an der Leberpforte zum Ductus hepaticus communis, ein sehr kurzer Gallengang. In ihn mündet der von der Gallenblase kommende Gallenblasengang (Ductus cysticus), der die eingedickte Galle transportiert. Der weitere Abschnitt wird als Ductus choledochus (großer Gallengang oder Hauptgallengang) bezeichnet. Dieser verläuft zum Pankreas, durchquert dessen Kopf und vereinigt sich mit dem Ausführungsgang des Pankreas zum Ductus pancreaticus, der dann ins Duodenum (Zwölffingerdarm; erster Teil des Dünndarms) führt.

Im Gallenwegsystem sorgen mechanische und chemische Abwehrsysteme dafür, dass sich keine Bakterien ansiedeln und Infektionen auslösen können. So schließt der Sphincter Oddi (Schließmuskel im Bereich der Mündung des Gallenganges in das Duodenum/Zwölffingerdarm) den Ductus choledochus (Hauptgallengang) gegen das Darmlumen ab. Der permanente Gallenfluss verhindert das Aszendieren ("Aufsteigen") der Keime aus dem Duodenum. Die Galle an sich ist steril. Die Gallenflüssigkeit selbst bzw. ihre Bestandteile (Gallensäuren/Gallensalze) wirken antibiotisch.

Pankreas
Das Pankreas (Bauchspeicheldrüse) liegt quer im Oberbauch. Es handelt sich um ein Drüsenorgan. Bei einem Erwachsenen ist es ca. 14-18 cm lang und wiegt 60-100 g. Unterteilt wird das Pankreas in drei Abschnitte:

  • Pankreaskopf (Caput pancreatis) – dickster Teil der Bauchspeicheldrüse
  • Pankreaskörper (Corpus pancreatis)
  • Pankreasschwanz (Cauda pancreatis)

Das Pankreas hat einen Ausführungsgang, den Ductus pancreaticus, der ins Duodenum mündet.

Physiologie

Leber
Wenn die Nährstoffe im Dünndarm aufgenommen und ins Blut abgegeben wurden, gelangen die meisten davon über die Pfortader zunächst zur Leber. Je nach Bedarf werden sie dort verwertet, umgewandelt, abgebaut oder gespeichert.
Des Weiteren kann die Leber den Blutglucosespiegel (Blutzuckerspiegel) unabhängig von der Nahrungsmittelzufuhr konstant halten (Gluconeogenese).

Funktionen der Leber:

  • Verdauungsdrüse (Produktion von Gallensaft) – täglich produziert die Leber mehr als einen halben Liter Gallensaft
  • Abbau und Ausscheidung von Stoffwechselprodukten
  • Entgiftung von Fremdstoffen – die Leber ist das Hauptentgiftungsorgan: z. B. wandelt sie toxischen Ammoniak in harmlosen Harnstoff um und baut Alkohol ab
  • Produktion lebensnotwendiger Proteine (Eiweiße) – Albumin, Antithrombin, Blutgerinnungsfaktoren, Hormone, Plasminogen, Transferrin etc.
  • Beteiligt an allen wichtigen Stoffwechselprozessen (Kohlenhydrat-, Fett- und Eiweißstoffwechsel)
  • Synthese von:
    • Cholesterin und Gallensäuren
    • Fetten und Lipoproteinen – VLDL, Triglyceride u. a.
  • Nährstoffspeicher – sie speichert Glucose in Form von Glykogen und Fett in Form von Lipoproteinen
  • Vitalstoffspeicher (Vitamin B12 und die Spurenelemente Eisen, Kupfer, Mangan und Zink – gebunden an Transportproteine)

Gallenblase, Gallenwege
Die Gallenblase dient der Speicherung und Eindickung des Gallensaftes (Eindickung auf ca. 10 % des Ausgangsvolumens; 30-80 ml Galle), der in der Leber produziert wird. Von der Gallenblase gelangt die Galle portionsweise unter Kontraktionen ins Duodenum (Zwölffingerdarm; erster Abschnitt des Dünndarms) und ist dort an der Fettverdauung und -aufnahme beteiligt.

Die Galle ist eine gelb- bis bräunliche Flüssigkeit. Die Farbe entsteht durch den Gallenfarbstoff Bilirubin. Gallenflüssigkeit besteht aus Gallensäuren, Lecithin, Bilirubin, Cholesterin, Wasser sowie Natrium und Chlorid. Cholesterin liegt in der Gallenflüssigkeit gelöst vor. Ändert sich die Zusammensetzung der Galle, kann Cholesterin ausfallen. Es entstehen Cholesterolsteine. Sie sind die häufigste Form von Gallensteinen.

Pankreas
Das Pankreas (Bauchspeicheldrüse) hat zwei wichtige Aufgaben: eine exokrine und eine endokrine Funktion.

  • exokrine Funktion – Menge und Zusammensetzung des Pankreassekrets hängen von der Art der aufgenommenen Nahrung ab; es können täglich bis zu 1,5 Liter Sekret produziert werden
    • Synthese (Bildung) verschiedener Verdauungsenzyme zur Kohlenhydrat-, Protein- und Fettspaltung wie Trypsinogen, Amylase und Lipase; diese werden dann in das Duodenum abgegeben
  • endokrine Funktion – ca. 5 % der Zellen sind inselförmig und heißen Langerhans-Inseln
    • Synthese lebenswichtiger Hormone – Insulin und Glukagon, die den Kohlenhydrathaushalt regulieren; diese Hormone werden direkt ins Blut abgegeben
      • Insulin reguliert die Aufnahme von Glucose in Körperzellen
      • Glucagon erhöht den Blutzuckerspiegel durch Stimulation der Gluconeogenese (Glucose-Neubildung) und Glucose-Abgabe ins Blut durch die Leber

Häufige Erkrankungen von Leber, Gallenblase und Pankreas

  • Cholelithiasis (Gallensteinleiden) – etwa 10-15 % der erwachsenen Bevölkerung sind Gallensteinträger, wobei Frauen häufiger betroffen sind; viele Gallensteine verursachen keine Beschwerden, bei einer Einklemmung kann es jedoch zu Koliken (wehenartige Schmerzen) und Entzündungen kommen
  • Hepatitis (Leberentzündung)
  • Leberinsuffizienz (Funktionsstörung der Leber mit teilweise oder vollständigem Ausfall ihrer Stoffwechselaufgaben)
  • Lebermetastasen – Absiedlungen (Tochtergeschwüre) in der Leber
  • Leberzellkarzinom (Leberkrebs)
  • Leberzirrhose (Leberschrumpfung) – irreversible (nicht umkehrbare) Schädigung der Leber und einen ausgeprägten Umbau des Lebergewebes
  • Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung)
  • Pankreaskarzinom (Bauchspeicheldrüsenkrebs)
  • Primär sklerosierende Cholangitis – chronische Entzündung der extra- und intrahepatischen (außerhalb und innerhalb der Leber gelegenen) Gallengänge
  • Steatosis hepatis (NAFL/Nicht-alkoholische Fettleber) und alkoholische Steatohepatitis (ASH)

Die wichtigsten Risikofaktoren für Erkrankungen von Leber, Gallenblase und Pankreas

Verhaltensbedingte Ursachen

  • Ernährung
    • kohlenhydratreich (Mono- und Disaccharide/Einfach- und Zweifachzucker), fettreich, cholesterinreich, zu viel tierisches Protein, ballaststoffarm
  • Genussmittelkonsum
    • regelmäßiger Alkoholkonsum
    • Tabakkonsum
  • Drogenkonsum
  • Bewegungsmangel
  • Übergewicht
  • Erhöhter Taillenumfang (Bauchumfang; Apfel-Typ)

Krankheitsbedingte Ursachen

  • Diabetes mellitus Typ 2
  • Hepatitis, Virushepatitis
  • Hyperlipidämien (Fettstoffwechselstörungen)
  • Hypertonie (Bluthochdruck)
  • Insulinresistenz

Medikamente

  • Arzneimittel-induzierter Leberschaden – z. B. durch Analgetika (Schmerzmittel), Antibiotika, Antidepressiva, Antikoagulantien (Blutverdünner), Hormone u. a.

Umweltbelastung – Intoxikationen (Vergiftungen)

  • Karzinogene wie Arsen (Latenzzeit 15-20 Jahre); Chrom (VI)-Verbindungen
  • Schimmelpilze – Aflatoxin B (Schimmelpilzprodukt) sowie weitere Mykotoxine (giftige Stoffe, die von Pilzen gebildet werden)

Bitte beachten Sie, dass die Aufzählung nur einen Auszug der möglichen Risikofaktoren darstellt. Weitere Ursachen finden Sie unter der jeweiligen Krankheit.

Die wichtigsten diagnostischen Maßnahmen für Erkrankungen von Leber, Gallenblase und Pankreas

Labordiagnostik

  • Alanin-Aminotransferase (ALT, ALAT; auch GPT), Aspartat-Aminotransferase (AST, ASAT; auch GOT), Gamma-GT (γ-GT), alkalische Phosphatase (AP), Glutamatdehydrogenase (GLDH), Bilirubin, Cholinesterase, Quick-Wert u. a.
  • Leberbiopsie (Gewebeprobe der Leber)

Medizingerätediagnostik

  • Sonographie (Ultraschalluntersuchung) der Bauchorgane
  • Cholezystographie – kontrastmittelgestützte röntgenologische Methode zur Darstellung der Gallenblase und des Gallengangsystems   
  • Leberszintigraphie – zur Beurteilung der Leberfunktion
  • Computertomographie (CT) – bildgebendes Verfahren der radiologischen Diagnostik
  • Magnetresonanztomographie (MRT)
  • Endoskopisch retrograde Cholangiopankreatikographie (ERCP) – Röntgendarstellung von Gallengangsystem und Ductus pancreaticus, zum Nachweis einer Cholelithiasis (Gallensteine)

Welcher Arzt hilft Ihnen?

Bei Erkrankungen der Leber, Gallenblase und Pankreas ist zunächst der Hausarzt, der in der Regel Allgemeinmediziner oder Internist ist, Ansprechpartner. In Abhängigkeit von der Erkrankung bzw. der Schwere wird eine Vorstellung bei einem Facharzt, in diesem Fall dem Gastroenterologen, erforderlich.

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*Evidence-based Medicine ist die gewissenhafte, wohlüberlegte Anwendung der zurzeit besten wissenschaftlichen Fakten, um Entscheidungen bezüglich der individuellen Behandlung von Patienten zu treffen“ [1].

Literatur

  1. David L Sackett, William M C Rosenberg, J A Muir Gray, R Brian Haynes, W Scott Richardson: Evidence based medicine: what it is and what it isn't. BMJ 1996;312:71 doi: http://dx.doi.org/10.1136/bmj.312.7023.71
     
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