Reine Inhalationsanästhesie

Die reine Inhalationsanästhesie, ein spezifisches Verfahren der Allgemeinanästhesie, bezeichnet eine Narkoseform, bei der Patienten in einen schlafähnlichen Zustand versetzt werden (griech. nàrkosi: in Schlaf versetzen). Im Gegensatz zur balancierten Anästhesie, einer Kombination aus Inhalations- und intravenöser Anästhesie, verzichtet die reine Inhalationsanästhesie auf die Verwendung intravenös verabreichter Opioide.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

Der reinen Inhalationsanästhesie wird in der Regel die balancierte Anästhesie vorgezogen. Eine Indikation bildet der Einsatz in der Pädiatrie (Kinderheilkunde). Hier wird die Inhalationsanästhesie vor allem bei Kindern bzw. Säuglingen eingesetzt, wenn das Legen eines venösen Zugangs aufgrund der geringen Kooperation fehlschlägt. Allerdings muss nach der Narkoseeinleitung ein Zugang gelegt werden.

Ein Vorteil der Inhalationsanästhesie ist die gute Steuerbarkeit der Narkosetiefe durch genaue Rationierung der zugeführten Gase. Allerdings besteht postoperativ (nach der Operation) ein sehr schnelles Abklingen der analgetischen (schmerzmindernden) Wirkung.

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Intrakranielle (innerhalb des Schädels gelegene) Druckerhöhung
  • Kreislaufinstabilität
  • Neigung zur malignen Hypertonie (Die maligne Hyperthermie ist eine lebensgefährliche Stoffwechselentgleisung, die durch eine genetisch-bedingte Fehlregulation innerhalb der Skelettmuskulatur verursacht wird. Neben zahlreichen Symptomen tritt eine starke Erhöhung der Körpertemperatur auf. Volatile Inhalationsanästhetika und sogenannte depolarisierende periphere Muskelrelaxantien können diese Reaktion triggern.)
  • Schwerer Leberschaden

Vor der Operation

In dieser Phase vor der Operation umfassen die Maßnahmen:

  • Aufklärungsgespräch: Hier klärt der Anästhesist den Patienten über die Narkose, Risiken und Komplikationen auf.
  • Anamnese: Erfassung der medizinischen Vorgeschichte des Patienten.
  • Prämedikation: Verabreichung von Medikamenten zur Anxiolyse (Angstlinderung) etwa 45 Minuten vor dem Eingriff.
  • Identitäts- und Statusprüfung: Sicherstellung der Identität des Patienten und Überprüfung des Mund- und Zahnstatus.
  • Nüchternheitsgebot: Patienten müssen vor einer geplanten Narkose nüchtern sein, um das Risiko einer Aspiration zu reduzieren.
  • Medizinisches Monitoring: Einrichtung von Überwachungsmaßnahmen wie EKG, Pulsoxymetrie (Messung der Sauerstoffsättigung (SpO2) des arteriellen Blutes sowie der Pulsfrequenz) und Blutdruckmessung.

Das Verfahren

Dieses Narkoseverfahren, das seltener als die balancierte Anästhesie verwendet wird, ermöglicht verschiedene Formen der Atemwegssicherung wie Maskennarkose, Intubationsnarkose sowie die Verwendung einer Larynxmaske oder eines Larynxtubus. Der Larynxtubus, der blind eingeführt wird, liegt aufgrund seiner Bauweise meistens im Ösophagus.

Zur Anästhesie werden Luft oder Lachgas, Sauerstoff, ein volatiles Inhalationsanästhetikum und häufig auch Muskelrelaxantien verabreicht. Die Dosierung des Inhalationsanästhetikums ist dabei höher als bei der balancierten Anästhesie. Gebräuchliche Inhalationsanästhetika sind Isofluran, Desfluran und Sevofluran.

Postoperative Überwachung

Nach dem Eingriff erfolgt die postoperative Überwachung, die normalerweise im Aufwachraum stattfindet. Dies beinhaltet:

  • Überwachung des Herzkreislaufsystems: Konstante Beobachtung des Zustandes des Patienten.
  • Chirurgische Nachbetreuung: Überprüfung und Pflege der Operationswunde.
  • Erkennung und Behandlung von Komplikationen: Dies kann Anaphylaxie (lebensbedrohliche allergische Reaktion), Aspiration, Bradykardie (zu langsamer Herzschlag: < 60 Schläge pro Minute), Blutdruckabfall, Blutverlust, Intubationsschäden, Hypothermie (Unterkühlung), Luftembolie, Atemstörungen sowie Nausea (Übelkeit) und Erbrechen einschließen.

Mögliche Komplikationen

  • Anaphylaktische (systemisch-allergische) Reaktion – z. B. auf Medikamente
  • Aspiration von Mageninhalt
  • Awareness – intraoperative Wachzustände
  • Bradykardie – Verlangsamung der Herzaktivität bzw. des Herzschlags
  • Blutdruckabfall
  • Blutverlust
  • Intubationsschäden – z. B. Schäden vor allem an den Frontzähnen bei Einführen des Tubus oder weitere Verletzungen im Mund- und Rachenbereich
  • Hypothermie (Unterkühlung)
  • Luftembolie – Verlegung eines Gefäßes durch Luftbläschen, die während der Operation in das Gefäßsystem gelangen
  • Störungen der Atmung
  • Nausea (Übelkeit)/Erbrechen

Literatur

  1. Larsen R: Anästhesie. Elsevier, Urban & Fischer 2006
  2. Striebel HW: Die Anästhesie: Grundlagen und Praxis. Schattauer Verlag 2010
  3. Rossaint R: Die Anästhesiologie: Allgemeine und spezielle Anästhesiologie, Schmerztherapie und Intensivmedizin. Springer Verlag 2004