Schilddrüsenentfernung (Thyreoidektomie)

Bei der Thyreoidektomie handelt es sich um ein operatives Verfahren zur Behandlung maligner (bösartiger) und benigner (gutartiger) Veränderungen der Schilddrüse, bei dem die Entfernung der gesamten Schilddrüse erfolgt. In Abhängigkeit von der Indikation kann die Thyreoidektomie sowohl als totale Thyreoidektomie (TT; vollständige Entfernung der Schilddrüse) oder subtotale Thyreoidektomie (Teilentfernung der Schilddrüse) durchgeführt werden. Bei einer einseitigen Thyreoidektomie, d. h. der vollständigen Entfernung eines der beiden Lappen der Schilddrüse, wird diese als Hemithyreoidektomie (HT) oder Lobektomie der Schilddrüse bezeichnet.
Bei einer präoperativ bekannten Metastasierung (Bildung von Tochtergerschwülsten) mit Befall der Lymphknoten oder einer Neuentdeckung von Lymphknotenmetastasen während des Eingriffs wird in der Regel zusätzlich zur totalen Thyreoidektomie auch eine Neck-Dissection (Ausräumung aller Halslymphkonten) zur Entfernung regionaler Lymphknoten durchgeführt.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Struma multinodosa − die vollständige Entfernung der Schilddrüse im Rahmen einer totalen Thyreoidektomie ist bei der benignen Knotenstruma nur dann angezeigt, wenn das Schilddrüsengewebe vollständig knotig verändert ist. Aufgrund einer hohen Rezidivwahrscheinlichkeit muss das gesamte befallene Schilddrüsengewebe entfernt werden. Die totale Thyreoidektomie wird jedoch auch bei Patienten mit erhöhtem Rezidivrisiko als primäres chirurgisches Therapiekonzept der benignen Knotenstruma eingesetzt, auch wenn kein vollständiger Befall der Schilddrüse vorliegt. Aufgrund der erhöhten Komplikationsraten der totalen Thyreoidektomie wird jedoch die subtotale Schilddrüsenresektion als Standardeingriff genutzt.
  • Morbus Basedow (Form der Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion), die durch eine Autoimmunerkrankung bedingt ist) / größeren Basedow-Strumen − bei der Behandlung des Morbus Basedow besteht sowohl die Option einer Teilentfernung als auch Komplettentfernung des Organs. Bei der totalen Thyreoidektomie treten seltener Hyperthyreoserezidive (Wiederauftreten einer Schilddrüsenüberfunktion) auf als bei einer Teilentfernung der Schilddrüse. In keiner Studie konnte jedoch ein Vorteil der totalen Thyreoidektomie gegenüber der Teilentfernung des Organs in Bezug auf die Orbithopathie (krankhafte Veränderung des Auges) oder auf die postoperative Funktion gezeigt werden. 
  • Papilläres Schilddrüsenkarzinom − das papilläre Schilddrüsenkarzinom geht mit einer relativ guten Lebenserwartung von 93 % in 10 Jahren einher [2]. Bei der Behandlung des Karzinoms konnte in verschiedenen Studien keine Unterschiede der Überlebensrate bei einer totalen Thyreoidektomie und schonenderen Verfahren entdeckt werden. Dennoch stellt das papilläre Schilddrüsenkarzinom eine Indikation für die Thyreoidektomie dar.
  • Follikuläres Schilddrüsenkarzinom − das follikuläre Schilddrüsenkarzinom hat eine geringfügig niedrigere Überlebensrate als das papilläre Karzinom. In Studien konnte auch hier keine Überlegenheit der radikalen Thyreoidektomie gegenüber weiteren Verfahren in der Behandlung gezeigt werden. Beim Auftreten von Fernmetastasen stellt die vollständige Entfernung der Schilddrüse jedoch eine Notwendigkeit für eine erfolgreiche Therapie dar.  
  • Medulläres Schilddrüsenkarzinom − die totale Thyreoidektomie stellt das einzige kurative Verfahren zur Behandlung des medullären Schilddrüsenkarzinoms dar. Aufgrund dessen ist jedes manifeste medulläre Karzinom als absolute Indikation für eine Thyreoidektomie anzusehen. Des Weiteren liegt die Indikation zur prophylaktischen Thyreoidektomie bei Mutationsträgern des ret-Proto-Onkogens in Familien mit hereditärem isolierten medullären Karzinom oder MEN II vor.
  • Anaplastisches Schilddrüsenkarzinom − dieser Karzinomtyp ist mit einer schlechten Prognose für den Patienten verbunden. Trotz radikaler Operation lässt sich eine Heilung nur in 10 % erreichen [2]. Dennoch stellt die Thyreoidektomie eine Indikation für die Behandlung des Karzinoms im Rahmen eines multimodalen Therapiekonzepts (mehrere Therapieverfahren einschließend) dar.

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

Die Kontraindikationen für die Thyreoidektomie sind individuell zu beurteilen. Bei einem deutlich reduzierten Allgemeinzustand oder bei einem inoperablen Tumor muss die Indikation für die Thyreoidektomie überprüft werden.

Vor der Operation

  • Voruntersuchung zur Indikationsstellung nach der Inspektion (Betrachtung) und Palpation (Abtasten) der Schilddrüse sowie der sonographischen Darstellung (Schilddrüsenultraschall) werden zur weiteren Abklärung Hormonbestimmungen und, je nach Fragestellung, Feinnadelbiopsien (Gewebeentnahmen) gemacht.
  • Operationsvorbereitende Untersuchungen − die operationsvorbereitende Untersuchung ist bei allen Indikationen für eine Thyreoidektomie durchzuführen. Sie beinhaltet unter anderem die klinische körperliche Untersuchung mit Messung von Herzfrequenz und Blutdruck. Außerdem ist eine Röntgen-Thorax-Untersuchung notwendig. Weiterhin wird ein EKG geschrieben und eine Blutentnahme zur Bestimmung verschiedener Laborparameter wie Nierenparameter (Harnstoff, Kreatinin, ggf. Kreatinin-Clearance) und die INR-Bestimmung (Blutgerinnung), ggf. weiterer Laborparameter durchgeführt. Weitere spezielle Untersuchungen werden in Abhängigkeit von der Indikation durchgeführt. 
  • Evtl. kurzfristige Hypocalcämie-Prophylaxe (Vorbeugung eines Calciummangels) mit Calcitriol (aktive Form des Prohormons Vitamin D3) vor der Thyreoidektomie (drei Tage vor der Operation 2 x 0,5 μg Calcitriol per os bis zum Tag unmittelbar vor der Operation). Die kurzzeitige Verabreichung von Calcitriol vor einer Thyreoidektomie beeinflusste die Hypocalcämierate nicht, verkürzt aber die Dauer der Hypocalcämie [12].

Das Operationsverfahren

Zunächst erfolgt die Freilegung der Vorderfläche der Schilddrüse, sodass der Isthmus (Gewebebrücke zwischen den beiden Schilddrüsenlappen) auf der Luftröhre durchtrennt und mit blutstillenden Umstechungen versorgt werden kann. Anschließend werden die zu entfernenden Schilddrüsenanteile aus der Umgebung herausgelöst und die zuführenden und abführenden Blutgefäße durchtrennt. Unter Beachtung der Lage des Nervus laryngeus recurrens (Stimmbandnerv) und der Parathyreoidea (Nebenschilddrüsen) wird auf die Trachea (Luftröhre) vorgegangen, die bindegewebige Schicht zwischen Schilddrüse und Luftröhre durchtrennt und das Gewebe entnommen:

  • subtotale Thyreoidektomie – es werden große Teile des Schilddrüsengewebes entfernt, jedoch wird dorsal ("zur Rückseite des Organs hin") Restgewebe belassen; Indikation: Struma multinodosa
  • totale Thyreoidektomie – das Schilddrüsengewebe wird vollständig entfernt; Indikation: Schilddrüsenkarzinom, Morbus Basedow
  • Hemithyreoidetomie – vollständige Entfernung eines Schilddrüsenlappens (Lobetomie); Indikation: unifokale Autonomie (Schilddrüsenautonmie in einem einzelnen Knoten), singulärer malignomverdächtiger kalter Knoten

Am Ende der Operation werden Redon-Drainagen (Saugdrainagen) eingesetzt. Durch den Sog werden Wundflächen zusammengezogen, wodurch ein schnelleres Verkleben und Zusammenwachsen möglich ist. Das Wundsekret (Blut und seröse Flüssigkeit) wird dabei nach außen abgeleitet.

Die Thyreoidektomie wird in Allgemeinanästhesie (Vollnarkose) durchgeführt.

Nach der Operation

Im Anschluss an den Eingriff müssen Nachuntersuchungen erfolgen, die zur Beurteilung des Erfolges der Behandlung und zur Überprüfung möglicher Komplikationen dienen. Besonders entscheidend ist die Überprüfung der Stimmbandbeweglichkeit, da der innervierende (versorgende) Nerv bei der Operation besonders gefährdet ist. Die Überprüfung lässt sich mittels Laryngoskopie (Kehlkopfspiegelung) direkt bei Narkoseausleitung oder durch Überprüfung der Sprechfunktion durchführen. Bei Verdacht auf eine vorliegende Rekurrensparese ist es notwendig, die Atmung intensivmedizinisch zu überwachen. Des Weiteren muss der Serum-Calciumspiegel postoperativ bestimmt werden. Sollte eine Hypocalcämie (Calciummangel) vorliegen, so deutet dies auf eine Verletzung oder komplette Entfernung der Parathyreoidea (Nebenschilddrüse) hin.

Zur optimalen Ausheilung der Narbe sollten körperliche Anstrengungen während den ersten Wochen nach der Operation vermieden werden. Bei einer totalen Thyreoidektomie ist eine Ersatztherapie mit Schilddrüsenhormonen vorzunehmen. Die notwendige Dosierung des Hormonersatzes wird nach ca. fünf Wochen durch einen Bluttest überprüft und wenn nötig angepasst. Im Anschluss an die Operation wird eine histopathologische (feingewebliche) Untersuchung des entnommenen Gewebes vorgenommen, bevor die Einnahme des Medikaments erfolgen kann.

Mögliche Komplikationen

  • Nackenschmerzen aufgrund der Lagerung
  • Allergische Reaktionen bis zum anaphylaktischen Schock
  • Blutungen
  • Infektionen
  • Dysphagie (Schluckbeschwerden): 
    • unmittelbar postoperativ
    • nach zwei Wochen 80 % Dysphagien; nach sechs Wochen 42 % und nach sechs Monaten 17 % [8]
  • Temporäre oder bleibende Weichteilschäden oder Narbenbildung
  • Läsionen (Verletzungen) von Nachbarorganen wie der Trachea (Luftröhre) oder dem Ösophagus (Speiseröhre)
  • Temporäre oder ggf. auch bleibende Heiserkeit durch eine Nervenläsion des Nervus laryngeus recurrens (Rekurrensparese) (je nach Erfahrung des Operateurs0,3-2 %)
    • Nach chirurgischer Entfernung eines medullären Schilddrüsenkarzinoms (MTC): 14 % mit Rekurrenslähmung [11]
  • Ungeplante Entfernung der Nebenschilddrüse (Hypoparathyreoidismus/Nebenschilddrüsenunterfunktion); postoperative Hypocalcämie häufigste Komplikation nach totaler Thyreoidektomie (20-30 % der Operierten; auf Dauer 1-4 % der Fälle)*
    • Nach chirurgischer Entfernung eines medullären Schilddrüsenkarzinoms (MTC): 26 % mit einem postoperativen Hypoparathyreoidismus [11]
  • Herzstillstand nach Vagusstimulation (wg. intraoperativen Neuromonitoring zum Schutz des Nervus laryngeus recurrens); erst Bradykardie (zu langsamer Herzschlag: < 60 Schläge pro Minute), dann Asystolie (Herzstillstand; extrem selten) [7]
  • Gewichtszunahme – trotz Hormonsubstitution wurde in den meisten Studien in der Nachbeobachtungszeit von im Mittel zwei (und maximal acht) Jahren ein Gewichtsanstieg verzeichnet, im Mittel lag er bei 2,1 kg. Am meisten nahmen Patienten zu, die wegen einer Hyperthyreose operiert worden. Ihre Gewichtszunahme betrug im Mittel 5,2 kg [10].

Weitere Hinweise

  • Bei Hemithyreoidektomie (HT): Der postoperative FT3-Spiegel wird nicht unerheblich durch die T3-Produktion der Restschilddrüse mitbestimmt.
  • *Nahinfrarotlicht (NIRAF) als intraoperatives Visualisierungsverfahren soll zukünftig dabei helfen, dass die Epithelkörperchen aufleuchten und so das Risiko der Entfernung bzw. das Hypocalcämie-Risiko sinkt. In einer Studie konnte gezeigt werden, dass die Detektionsraten besser waren und weniger Hypocalcämien (Calciummangel) auftraten (vier Epithelkörperchen aufzuspüren und zu erhalten, als in der Kontrollgruppe (47 % vs. 19 %); Serumcalciumspiegel sank postoperativ deutlich seltener unter einen Wert von 8,0 mg/dl als bei den Kontrollpatienten (9 % vs. 22 %)) [9].

Literatur

  1. Thomusch O, Sekulla C, Dralle H: Rolle der totalen Thyreoidektomie im primären Therapiekonzept der benignen Knotenstruma. Chirurg. 2003. 74:437-443
  2. Buhr HJ, Mann B: Thyreoidektomie und Lymphadenektomie. Chirurg. 1999. 70:987-998
  3. Gwalik L: Sicherheit und Effektivität der totalen Thyreoidektomie in der Behandlung benigner Schilddrüsenerkrankungen. Dissertation. 2008 an der medizinischen Fakultät der Ludwig – Maximilians – Universität zu München
  4. Fink H, Hintze G: Die Autoimmunthyreoiditis (Hashimoto-Thyreoiditis): aktuelle Diagnostik und Therapie. Springer Verlag 2010
  5. Rahmani M: Indikationen zur Strumaresektion unter besonderer Berücksichtigung der Feinnadelbiopsie. Dissertation. 1998. Fachbereich Medizin der Universität Hamburg
  6. Böcker W: Pathologie. Urban & Fischer Verlag 2008
  7. Almquist M et al.: Cardiac arrest with vagal stimulation during intraoperative nerve monitoring. Head Neck 2016, online 1. Februar. doi: 10.1002/hed.24358
  8. Krekeler BN et al.: Patient-Reported Dysphagia After Thyroidectomy: A Qualitative Study. JAMA Otolaryngol Head Neck Surg. Published online March 8, 2018. doi:10.1001/jamaoto.2017.3378
  9. Benmiloud F et al.: Association of Autofluorescence-Based Detection of the Parathyroid Glands During Total Thyroidectomy With Postoperative Hypocalcemia Risk Results of the PARAFLUO Multicenter Randomized Clinical Trial. JAMA Surg 2019; https://doi.org/10.1001/jamasurg.2019.4613
  10. Huynh CN et al.: Weight gain after thyroidectomy: a systematic review and meta-analysis. J Clin Endocrinol Metab2020; https://doi.org/10.1210/clinem/dgaa754
  11. Van Beek DJ et al.: Complications after medullary thyroid carcinoma surgery: multicentre study of the SQRTPA and EUROCRINE® databases. Br J Surg 2021;108:691-701; https://doi.org/10.1093/bjs/znaa195
  12. Sonnenberg S et al.: Short-term hypocalcemia prophylaxis with calcitriol before thyroidectomy – a multicenter randomized trial. Dtsch Arztebl Int 2021; 118: 799-805; doi: 10.3238/arztebl.m2021.0351
     
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