Rückenschmerzen in der Schwangerschaft: bewährte Maßnahmen und ergänzende Therapien
Rückenschmerzen zählen zu den häufigsten Beschwerden in der Schwangerschaft. Schätzungsweise 40 % aller Schwangeren sind betroffen, wobei die Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) im letzten Trimester (Schwangerschaftsdrittel) am höchsten ist [1]. Die Schmerzen beeinträchtigen nicht nur das Wohlbefinden, sondern können auch den Schlaf und die körperliche Leistungsfähigkeit einschränken.
Ursachen von Rückenschmerzen in der Schwangerschaft
Mehrere Faktoren führen zur Entstehung von Rückenschmerzen während der Schwangerschaft:
- Veränderung des Körperschwerpunktes: Mit zunehmendem Bauchumfang verlagert sich die Körperachse nach vorn. Dies verstärkt die Krümmung der Lendenwirbelsäule und erhöht die Belastung der Rückenmuskulatur.
- Hormonelle Einflüsse: Progesteron und Relaxin lockern Bänder und Muskulatur, um den Körper auf die Geburt vorzubereiten. Gleichzeitig nimmt dadurch die Stabilität im Becken- und Wirbelsäulenbereich ab.
- Zunahme des Körpergewichts: Das Mehrgewicht belastet die Wirbelsäule und das Becken zusätzlich.
- Ischias-Beschwerden: Durch den Druck der Gebärmutter auf den Ischiasnerv können Schmerzen auftreten, die vom unteren Rücken über das Gesäß bis ins Bein ausstrahlen.
- Haltungsveränderungen: Eine verstärkte Hohlkreuzhaltung oder monotone Körperhaltungen im Alltag fördern das Auftreten von Beschwerden.
Abgrenzung zu vorzeitigen Wehen
Nicht alle Rückenschmerzen sind harmlos. Eine wichtige Differenzierung betrifft vorzeitige Wehen:
- Typische Rückenschmerzen: dumpf, anhaltend und oft lageabhängig
- Vorzeitige Wehen: krampfartig, wiederkehrend und wellenartig stärker werdend
Treten zusätzlich Blutungen, Druckgefühl nach unten oder Fruchtwasserabgang auf, ist eine sofortige ärztliche Abklärung erforderlich.
Risikofaktoren
Bestimmte Faktoren erhöhen die Wahrscheinlichkeit für Rückenschmerzen in der Schwangerschaft:
- Vorgeschichte mit chronischen Rückenschmerzen
- Übergewicht oder übermäßige Gewichtszunahme in der Schwangerschaft
- Bewegungsmangel und schwache Rumpfmuskulatur
- Mehrlingsschwangerschaft
- Körperlich belastende Tätigkeiten
Diagnostische Abklärung
In den meisten Fällen sind Rückenschmerzen in der Schwangerschaft harmlos. Eine ärztliche Untersuchung ist jedoch notwendig, wenn:
- Die Schmerzen plötzlich und sehr stark auftreten,
- neurologische Ausfälle wie Taubheitsgefühle oder Lähmungserscheinungen bestehen,
- Fieber, Harnwegsbeschwerden oder Blutungen hinzukommen.
In solchen Situationen sollten auch seltene, aber wichtige Ursachen wie Infektionen, Symphysenlockerung oder Wirbelkörperfrakturen in Betracht gezogen werden.
Maßnahmen zur Linderung und Prävention
Bewegung und Haltung
Regelmäßige körperliche Aktivität, angepasst an die individuelle Belastbarkeit, reduziert das Risiko für Rückenschmerzen. Besonders hilfreich sind gezielte Übungen zur Kräftigung der Bauch- und Rückenmuskulatur, kombiniert mit Entspannungstechniken [2].
Schwangerschaftsgymnastik und Physiotherapie
Ein strukturiertes Programm mit leichten Kräftigungs- und Dehnübungen, ergänzt durch physiotherapeutische Maßnahmen, zeigt präventive Effekte. Systematische Übersichtsarbeiten bestätigen, dass Bewegung in Kombination mit edukativen Maßnahmen wirksamer ist als Einzelmaßnahmen [3, 4].
Komplementäre Verfahren
- Akupunktur: Studien zeigen eine moderate Wirksamkeit bei schwangerschaftsassoziierten Rückenschmerzen.
- Manuelle Therapie: Unter fachkundiger Anleitung können manualtherapeutische Verfahren die Beweglichkeit verbessern und Schmerzen reduzieren.
Alltagsstrategien
- Regelmäßige Positionswechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen
- Achten auf eine aufrechte Körperhaltung mit entspannten Schultern
- Vermeiden von schweren Lasten oder falschem Heben
- Flache, gut gepolsterte Schuhe statt hochhackiger Modelle
- Verwendung von Lagerungshilfen wie Still- oder Seitenschläferkissen zur Entlastung im Liegen
- Schwangerschaftsgürtel oder Bandagen können die Lendenwirbelsäule zusätzlich stützen.
Wärmeanwendungen
Wärmflasche oder warme Bäder können Muskelverspannungen lösen und Schmerzen lindern.
Medikamentöse Therapie
Wenn nicht-medikamentöse Maßnahmen nicht ausreichen, kann in ärztlicher Absprache Paracetamol kurzfristig eingesetzt werden. NSAR (nicht-steroidale Antirheumatika wie Ibuprofen, Diclofenac) sollten im dritten Trimenon vermieden werden.
Psychosoziale Aspekte
Rückenschmerzen können die Lebensqualität deutlich einschränken und zu Erschöpfung, Schlafstörungen und psychischer Belastung beitragen. Aufklärung, Beratung und realistische Erwartungen helfen, Ängste abzubauen und die Eigenkompetenz der Schwangeren zu stärken.
Fazit
Rückenschmerzen in der Schwangerschaft sind häufig, aber in der Regel harmlos. Bewegung, physiotherapeutische Maßnahmen und alltagspraktische Anpassungen sind die effektivsten Strategien zur Vorbeugung und Behandlung. Wichtig bleibt die ärztliche Abklärung bei untypischen Schmerzen, neurologischen Ausfällen oder dem Verdacht auf vorzeitige Wehen.
Literatur
- Salari N, Darvishi N, Kazeminia M et al.: The global prevalence of low back pain in pregnancy: a systematic review and meta-analysis. BMC Pregnancy Childbirth. 2023;23:345. doi: 10.1186/s12884-023-06151-x.
- ACOG Committee Opinion No. 804: Physical Activity and Exercise During Pregnancy and the Postpartum Period. Obstet Gynecol. 2021;137(2):375-376. doi: 10.1097/AOG.0000000000004266.
- Santos FF, Oliveira CB, Franco MR et al.: Prevention of low back and pelvic girdle pain during pregnancy: a systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. Physiotherapy. 2023;118:1-11. doi: 10.1016/j.physio.2022.09.004.
- Diez-Buil H, Nuñez-Naveira L, Álvarez-Bueno C et al.: Effects of the combination of exercise and education in pregnancy-related low back and/or pelvic pain: a systematic review and meta-analysis. Int J Gynaecol Obstet. 2024. doi: 10.1002/ijgo.15000.