Tierisches vs. pflanzliches Eiweiß – was Sportler wissen sollten
Eiweiß (Protein) ist der zentrale Baustein von Muskeln, Enzymen und Hormonen und spielt im Sport eine entscheidende Rolle für Muskelaufbau, Regeneration und Leistungsfähigkeit. Doch längst nicht jedes Eiweiß ist gleich: Während tierische Proteinquellen meist als hochwertiger gelten, gewinnen pflanzliche Alternativen zunehmend an Bedeutung – nicht nur aus ethischen oder ökologischen Gründen, sondern auch im Hinblick auf Gesundheit und sportliche Leistungsfähigkeit.
Eiweißqualität und biologische Wertigkeit
Die Qualität eines Proteins wird anhand seiner Aminosäurezusammensetzung und der sogenannten biologischen Wertigkeit (BW) beurteilt. Diese beschreibt, wie effizient ein aufgenommenes Protein in körpereigenes Eiweiß umgewandelt werden kann. Tierische Eiweiße – etwa aus Eiern (BW 100), Milch (BW 84), Fleisch (BW 80) oder Fisch (BW 76) – enthalten alle essentiellen Aminosäuren in einem optimalen Verhältnis. Pflanzliche Proteine hingegen – z. B. Soja (BW 74), Erbsen (BW 65) oder Weizen (BW 54) – weisen häufig limitierende Aminosäuren auf, wodurch ihre Verwertbarkeit geringer ist.
Kombinationen pflanzlicher Proteine können jedoch die biologische Wertigkeit deutlich erhöhen. Ein klassisches Beispiel ist die Kombination aus Hülsenfrüchten und Getreide (z. B. Bohnen mit Reis), die gemeinsam ein vollständiges Aminosäureprofil liefern. Für Sportler, die sich pflanzenbasiert ernähren, ist die bewusste Kombination verschiedener Proteinquellen daher essenziell.
Verdauung und Resorption – Geschwindigkeit zählt
Tierische Proteine werden meist schneller verdaut und resorbiert. Molkenprotein (Whey) gilt als „schnelles“ Protein, das den Aminosäurespiegel im Blut rasch ansteigen lässt und die Muskelproteinsynthese unmittelbar nach dem Training stimuliert. Kasein, ein weiteres Milchprotein, wird dagegen langsamer aufgenommen und eignet sich besonders zur Regeneration über Nacht.
Pflanzliche Proteine wie Erbsen-, Reis- oder Hanfprotein werden im Vergleich etwas langsamer aufgenommen und können durch Fermentation oder Enzymhydrolyse besser verdaulich gemacht werden. Für viele Sportler – insbesondere mit empfindlicher Verdauung – stellen moderne pflanzliche Proteinpräparate eine gut verträgliche Alternative dar.
Einfluss auf Muskelaufbau und Regeneration
Mehrere Studien zeigen, dass sowohl tierische als auch pflanzliche Proteine den Muskelaufbau fördern können – entscheidend ist die Gesamtmenge und Qualität der aufgenommenen Aminosäuren. Für Freizeitsportler reicht meistens eine ausgewogene Mischung mit etwa 1,2-1,6 g Protein pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag, während Leistungssportler je nach Trainingsintensität bis zu 2,0 g/kg/Tag benötigen.
Ein besonderes Augenmerk gilt der Aminosäure Leucin, die als Schlüsselsignal für die Aktivierung der Muskelproteinsynthese gilt. Tierische Proteine enthalten meist höhere Leucinmengen; pflanzliche Proteinshakes werden daher oft mit zusätzlichem Leucin oder BCAA (verzweigtkettigen Aminosäuren) angereichert, um eine vergleichbare Wirkung zu erzielen.
Gesundheitliche und ökologische Aspekte
Neben sportphysiologischen Gesichtspunkten spielen auch gesundheitliche und ökologische Faktoren eine Rolle. Pflanzliche Eiweißquellen enthalten zusätzlich Ballaststoffe, sekundäre Pflanzenstoffe und ungesättigte Fettsäuren, die Herz-Kreislauf- und Stoffwechselgesundheit unterstützen. Tierische Quellen liefern hingegen wichtige Mikronährstoffe wie Vitamin B12, Eisen, Zink und Calcium, die bei rein pflanzlicher Ernährung gezielt ergänzt werden sollten.
Aus ökologischer Sicht ist die Proteinproduktion aus Pflanzen deutlich ressourcenschonender – sie benötigt weniger Wasser, Land und Energie als die Tierhaltung. Für viele Sportler ist dies ein zusätzlicher Grund, den Anteil pflanzlicher Eiweiße in ihrer Ernährung zu erhöhen.
Fazit
Sowohl tierisches als auch pflanzliches Eiweiß können Teil einer leistungsfördernden Ernährung sein. Tierische Proteine überzeugen durch ihre hohe biologische Wertigkeit und schnelle Verfügbarkeit, während pflanzliche Proteine durch gesundheitliche und ökologische Vorteile punkten. Entscheidend ist eine ausgewogene Kombination und die individuelle Anpassung an Trainingsziel, Ernährungsform und Verträglichkeit.
Literatur
- van Vliet S, Burd NA, van Loon LJ. The Skeletal Muscle Anabolic Response to Plant- versus Animal-Based Protein Consumption. J Nutr. 2015 Sep;145(9):1981-91. doi: 10.3945/jn.114.204305
- Phillips SM. Dietary protein for athletes: from requirements to metabolic advantage. Appl Physiol Nutr Metab. 2006 Dec;31(6):647-54. doi: 10.1139/h06-035
- Wolfe RR, Rutherfurd SM, Kim IY, Moughan PJ. Protein quality as determined by the Digestible Indispensable Amino Acid Score: evaluation of factors underlying the calculation. Nutr Rev. 2016 Sep;74(9):584-99. doi: 10.1093/nutrit/nuw022
- Morton RW, Murphy KT, McKellar SR, Schoenfeld BJ, Henselmans M, Helms E, Aragon AA, Devries MC, Banfield L, Krieger JW, Phillips SM. A systematic review, meta-analysis and meta-regression of the effect of protein supplementation on resistance training-induced gains in muscle mass and strength in healthy adults. Br J Sports Med. 2018 Mar;52(6):376-384. doi: 10.1136/bjsports-2017-097608
- Richter CK, Skulas-Ray AC, Champagne CM, Kris-Etherton PM. Plant protein and animal proteins: do they differentially affect cardiovascular disease risk? Adv Nutr. 2015 Nov 13;6(6):712-28. doi: 10.3945/an.115.009654