Süßstoffe

Süßstoffe sind synthetisch (künstlich) hergestellt oder natürlicher Herkunft und werden alternativ zu Zucker in Lebensmitteln eingesetzt. Zusammen mit den Zuckeraustauschstoffen bilden sie die Funktionsklasse "Süßungsmittel" der in der Europäischen Union zugelassenen Lebensmittelzusatzstoffe.

Süßstoffe werden in der Zutatenliste als "Süßungsmittel" gekennzeichnet und zudem mit einer E-Nummer oder dem Namen des konkreten Stoffes abgebildet.

Im Vergleich zum herkömmlichen Haushaltszucker (Saccharose) bzw. zu Zuckeraustauschstoffen haben Süßstoffe eine vielfach höhere Süßkraft und einen zu vernachlässigenden Brennwert. Zudem wirken Süßstoffe nicht kariogen (kariesfördernd) und lassen den Blutglucosespiegel (Blutzuckerspiegel) nicht ansteigen, weswegen sie besonders im Rahmen einer Diabetes mellitus-Erkrankung empfohlen werden.

Zu den in der EU zugelassenen Süßstoffen zählen [8]:

Süßstoff E-Nummer x-fache Süßkraft von Saccharose ("Haushaltszucker")
Acesulfam-K 950 130- bis 200-fach
Advantam 969 20.000- bis 37.000-fach
Aspartam 951 200-fach
Cyclamat 952 30- bis 50-fach
Neotam 961 7.000- bis 13.000-fach
Saccharin 954 300- bis 500-fach
Stevioglycoside/Steviosid 960 300-fach
Sucralose 955 600-fach
Thaumatin 957 2.000- bis 3.000-fach
Neohesperidin DC 959 400- bis 600-fach
Aspartam-Acesulfam-Salz 962 350-fach

Auf Grund ihrer hohen Süßkraft werden die Süßstoffe Lebensmitteln nur in geringen Mengen zugefügt.

Der am meist verbreitete Süßstoff Aspartam enthält die beiden Aminosäuren Asparaginsäure und Phenylalanin. Menschen, die an der Krankheit Phenylketonurie (PKU) leiden, müssen daher die Süßstoffe Aspartam und Aspartam-Acesulfamsalz meiden. Entsprechende Produkte sind mit dem Warnhinweis "enthält eine Phenylalaninquelle" oder "mit Phenylalanin" versehen.
Die Phenylketonurie ist eine angeborene Stoffwechselstörung, durch die die Aminosäure Phenylalanin nicht abgebaut werden kann. Sie reichert sich im Körper an und führt unbehandelt zu einer schweren geistigen Entwicklungsstörung.

Auswirkungen des Süßstoffkonsums auf den Blutglucosespiegel und das Diabetesrisiko

Süßstoffe werden aufgrund ihres zu vernachlässigenden Brennwertes zur Gewichtsreduktion eingesetzt, vor allem in Getränken. Sie erhalten den süßen Geschmack zuckerfreier und energiereduzierter Lebensmittel [4, 5]. Des Weiteren lassen sie den Blutglucosespiegel (Blutzuckerspiegel) nicht ansteigen.
Neuere Erkenntnisse legen jedoch nahe, diese Zusammenhänge kritisch zu betrachten:

In einer Studie wurden Mäusen häufig genutzte Süßstoffe (Saccharin, Aspartam, Sucralose) ins Trinkwasser gegeben. Nach kurzer Zeit stiegen die Blutglucosewerte (Blutzuckerwerte) im oralen Glukosetoleranztest (Zuckerbelastungstest, kurz auch oGTT genannt) signifikant an. Diese Ergebnisse werden durch eine weitere Studie unterstützt, in der die Probanden, die Süßstoffe verwendeten, an Gewicht zunahmen, erhöhte Nüchternglucose-Spiegel und HbA1c-Werte (Langzeit-Blutzuckerwerte) hatten. Auch der orale Glukosetoleranztest war pathologisch (krankhaft).
Die Forscher vermuten, dass Süßstoffe das Wachstum der Darmbakterien begünstigen, die die Resorption (Aufnahme) von Glucose aus dem Darm steigern [9].

Ein erhöhtes Körpergewicht sowie ein langfristig erhöhter Blutglucosespiegel gelten als zentrale Risikofaktoren für eine Diabetes-Erkrankung (Diabetes mellitus, Typ 2).

Über den genauen Mechanismus, wie künstlich gesüßte Getränke das Entstehen einer Diabetes-Erkrankung begünstigen, wurde bisher nur spekuliert.
Nun präsentierten Forscher auf dem Europäischen Diabeteskongress (EASD-Kongress) in Lissabon (2017) erstmals beim Menschen einen Mechanismus, der zeigt, wie synthetische Süßstoffe die postprandiale (nach der Mahlzeit stattfindende) glykämische Reaktion nachteilig beeinflussen können. Im Rahmen der Studie bekamen die Teilnehmer zwei Wochen lang die Süßstoffe Sucralose (E 955; 600 Mal süßer als Saccharose/Haushaltszucker) und Acesulfam K (E 950; 200 Mal süßer als Saccharose) verabreicht. Die Dosierung entsprach einem Konsum von ca. 1,2-1,5 Liter eines Diät-Getränkes pro Tag. Die Süßstoff-konsumierenden Probanden nahmen im Darm rund 20 % mehr Glucose auf als die Placebogruppe und hatten höhere Plasmaglucosewerte (um 24 %). Zudem fiel die GLP1-Antwort auf die Zuckerzufuhr geringer aus (um 34 %) [13]. GLP1 (Glucagon-like-Peptid-1) zählt zu den Inkretinen (körpereigene Darmhormone) und wird als Reaktion auf Glucose im Chymus (Speisebrei) produziert und freigesetzt. Das Peptidhormon ist vor allem an der Steuerung des Glucosestoffwechsels beteiligt. Indem es die Freisetzung von Insulin verstärkt (Stimulation der Beta-Zellen des Pankreas/Bauchspeicheldrüse) trägt es zur Senkung des Blutglucosespiegels bei. Durch die Süßstoff-induzierte gesteigerte Glucose-Absorption gelangt weniger Glucose in die mittleren und distalen (entfernteren) Darmabschnitte. In der Folge wird weniger GLP1 sekretiert.

Anmerkung: Im Rahmen der Studien tranken die Teilnehmer sehr große Mengen des mit Süßstoff versetzten Getränkes. Unklar bliebt, ob diese Effekte ebenso bei moderatem (mäßigen) Konsum von Süßstoffen auftreten. Auch hinsichtlich der Langzeitfolgen fehlen noch Daten.

Auswirkung des Süßstoffkonsums auf die kardiovaskuläre Gesundheit

Süßstoffe wie Aspartam, Acesulfam-K und Sucralose waren in einem durchschnittlichen 9-jährigen Follow-up auf Grundlage eines multivariaten Modells mit erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen assoziiert: Die Inzidenz bei Menschen mit einem hohen Süßstoffkonsum (im Mittel 77,62 mg/Tag) lag bei 346 Ereignissen pro 100.000 Personenjahren, bei Nicht-Konsumenten betrug sie 314 Ereignisse/100.000 Personenjahre. Dieses galt insbesondere für zerebrovaskuläre Erkrankungen (HR: 1,18; p=0,002) [15]. Einschränkung: Das Studiendesign ermöglicht nicht anhand dieser Daten auf eine Kausalität zu schließen. Beispielsweise könnte eine sogenannte reverse Kausalität vorliegen, d. h. übergewichtige Personen greifen eher zu Light-Produkten mit Süßstoffen.

Einfluss von Süßstoffen auf den Appetit

Der Verdacht, dass Süßstoffe den Appetit anregen und die Kalorienaufnahme steigern, konnte in den vergangenen Jahren nicht bestätigt werden. Zwar zeigte eine Studie, dass der Appetit der Teilnehmer kurz nach dem Konsum eines mit Süßstoff versetzten Getränkes anstieg, doch ebbte dieser Drang schnell wieder ab und führte nicht zu einer vermehrten Kalorienaufnahme. Bei größeren Trinkmengen des Diätgetränks trat sogar der gegenteilige Effekt auf [11, 12]. Man kann folglich sagen, dass Süßstoffe keinen Hunger verursachen.

Beeinflussung der Gewichtsentwicklung durch den Konsum von Süßstoffen

Der Frage, ob Süßstoffe auf Dauer zu einer Gewichtszunahme führen, ging eine Metaanalyse von 15 randomisiert kontrollierten Studien (RCTs) und 9 prospektiven Kohortenstudien mit über 100.000 Teilnehmern nach: Die Fettmasse und der BMI der Teilnehmer, die regelmäßig Süßstoffe konsumierten, fiel signifikant geringer aus. Zudem konnten die Probanden das erreichte Gewicht besser halten [10]. Derzeit gibt es keinen Nachweis dafür, dass Süßstoffe adipogen wirken (die Gewichtszunahme fördern).

Kanzerogenes Potenzial von Süßstoffen

Süßstoffe gelangen immer wieder wegen ihrer möglichen kanzerogenen (krebserregend) Wirkung in die Diskussion. Ein erhöhter Süßstoffkonsum im Vergleich zum Verzicht auf künstliche Süßstoffe war in einer prospektiven Kohortenstudie mit einem erhöhten Krebsrisiko verbunden. Das galt insbesondere für das am häufigsten verwendete Aspartam. Tierversuche zeigten, dass der Süßstoff Aspartam Gehirn-, Lymphdrüsen- und Harnleiter-Krebs auslösen kann.
Eine aktuelle Untersuchung stuft Aspartam als "möglicherweise krebserregend" im Hinblick auf hepatozelluläre Karzinome (Leberkrebs) ein, betont allerdings, dass die als unbedenklich angesehene Tagesdosis für Aspartam (siehe unten) weiterhin gilt. Den Studien, die in die Analyse einflossen, wurde allerdings eine geringe Evidenz (Beweiskraft) zugesprochen [16].

Des Weiteren führte Saccharin, in hohen Dosen aufgenommen, in Tierversuchen zu Blasenkrebs. Inwieweit diese Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind, steht nicht fest.

Der Süßstoff Cyclamat führt in Tierversuchen zu Schäden an Hoden und Spermien. Die Ergebnisse werden nur als bedingt auf den Menschen übertragbar angesehen, da die Effekte nur bei sehr hohen Dosierungen auftraten. Vor diesem Hintergrund wurde vorsichtshalber ein sehr niedriger ADI-Wert (Acceptable Daily Intake = akzeptierbare tägliche Aufnahme)* für Cyclamat angesetzt. Cyclamat kann bei einigen Menschen in das blutdrucksteigernde Cyclohexylamin umgewandelt werden und sich damit bei Herz- und Kreislauferkrankten nachteilig auswirken. In den USA ist Cyclamat nicht zugelassen [3].

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hält die in der EU zugelassenen Süßstoffe derzeit für unschädlich, so lange die festgelegten Höchstmengen eingehalten werden. Der ADI-Wert (akzeptierbare tägliche Aufnahme) liegt:

  • für Aspartam bei 40 mg/kg Körpergewicht,
  • für Saccharin bei 2,5 mg/kg Körpergewicht,
  • für Cyclamat bei 7 mg/kg Körpergewicht.

Interessant: In einer Studie konnte nachgewiesen werden, dass Teilnehmer, die keine Süßstoffe verwendeten, aber mit dem Zuckerkonsum oberhalb der von der WHO empfohlenen Grenze von 10 % der Kalorienzufuhr lagen, ein vergleichbares Krebsrisiko hatten wie Teilnehmer mit hohem Süßstoff- und niedrigem Zuckerverbrauch [14]. Einschränkung: Eine Kausalität für ein erhöhtes Krebsrisiko wird damit nicht belegt! Übermäßiger Zuckerkonsum bzw. ein erhöhter Süßstoffkonsum sind anscheinend mit einem ähnlichen Krebsrisiko assoziiert.

Fazit

Ein bewusster Umgang mit Süßstoffen sowie ein moderater Konsum bei entsprechender Indikation (z. B. Diabetes mellitus) kann angebracht sein. Nationale und europäische Behörden sowie Fachgesellschaften stufen Süßstoffe als sicher ein.

*Unter dem ADI-Wert versteht man die Menge eines bestimmten Stoffes, die ein Mensch sein Leben lang jeden Tag aufnehmen kann, ohne dass gesundheitliche Schäden auftreten. Er dient anders ausgedrückt dem toxikologischen Bewerten eines Stoffes.
Angegeben wird der ADI-Wert in Milligramm je Kilogramm Körpergewicht. Beispiel: Wenn der ADI für einen Zusatzstoff 0,1 mg/kg beträgt, bedeutet das, dass ein 70 kg schwerer Erwachsener täglich 7 mg (70 kg x 0,1 mg) dieses Zusatzstoffes zu sich nehmen kann, ein 40 kg schweres Kind 4 mg, ohne Angst vor gesundheitlichen Schäden haben zu müssen.

Literatur

  1. Rimbach G, Nagursky J, Erbersdobler HF: Lebensmittel-Warenkunde für Einsteiger. 2. Auflage, Springer Lehrbuch, 2015
  2. Schlieper CA: Grundfragen der Ernährung. 23. Auflage, Verlag Dr. Felix Büchner, 2019
  3. Biesalski HK, Bischoff SC, Pirlich M, Weimann A: Ernährungsmedizin. Thieme, 2017
  4. Kroger M, Meister K, Kava R: Low-calorie sweeteners and other sugar: a review of the safety issues. CRFSFS 5: 35-47; 2006
  5. Vermunt SH, Pasman WJ, Schaafsma G, Kardinaal AF: Effects of sugar intake on body weight: a review. Obesity Reviews 4: 91-9; 2003
  6. Suez J, Korem T, Zeevi D, Zilberman-Schapira G, Thaiss CA, Maza O, Israeli D, Zmora N, Gilad S, Weinberger A, Kuperman Y, Harmelin A, Kolodkin-Gal I, Shapiro H, Halpern Z, Segal E, Elinav E: Artificial sweeteners induce glucose intolerance by altering the gut nicrobiota. Nature. 2014 Sep 17. doi: 10.1038/nature13793.
  7. Shen J, Obin MS, Zhao L: The gut microbiota, obesity and insulin resistance. Mol. Aspects Med. 2013, 34 (1), 39-58
  8. SCF: Scientific Committee on Food; Joint FAO/WHO Expert Committee on Food Additives (JECFA). SCF 2016
  9. Suez J, Korem T, Zeevi D et al.: Artificial sweeteners induce glucose intolerance by altering the gut microbiota. Nature 2014; 514 (7521): 181-6
  10. Miller PE, Perez V: Low-calorie sweeteners and body weight and composition: a meta-analysis of randomized controlled trials and prospective cohort studies. Am J Clin Nutr. 2014 Sep;100(3):765-77. doi: 10.3945/ajcn.113.082826.
  11. Härtel B, Graubaum HJ, Schneider B: Einfluss von Süßstoff-Lösungen auf die Insulinsekretion und den Blutglucosespiegel. (1993). Ernährungs-Umschau 40, S. 152-156
  12. Förster H: Einfluss des Süßstoffs Aspartam auf den Appetit. (1993) Akt. Ernähr.-Med. 18, 331-337
  13. Pressekonferenz: Young RL et al.: Impact of artificial sweeteners on glycemic control in healthy humans; 53rd Annual Meeting der European Society for the study of diabetes (EASD), 13.9.2017, Lissabon
  14. Debras C et al.: Artificial sweeteners and cancer risk: Results from the NutriNet-Santé population-based cohort study. Plos Med. 2022 https://doi.org/10.1371/journal.pmed.1003950
  15. Debras C et al.: Artificial sweeteners and risk of cardiovascular diseases: results from the prospective NutriNet-Santé cohort. BMJ 2022;378:e071204 | doi: 10.1136/bmj-2022-071204
  16. Summary of findings of the evaluation of aspartame at the International Agency for Research on Cancer (IARC) Monographs Programme’s 134th Meeting, and the Joint FAO/WHO Expert Committee on Food Additives (JECFA) 96th meeting. 14 July 2023 | Meeting report
     
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