Wie beeinflussen Schlaf und Stress das Trainingsergebnis? Die unterschätzten Faktoren der Trainingsleistung

Ein leistungsorientiertes Training entfaltet seine volle Wirkung nur dann, wenn Regeneration und mentale Balance stimmen. Neben Trainingsintensität und Ernährung bestimmen vor allem Schlafqualität und Stressniveau den Trainingserfolg. Sowohl unzureichender Schlaf als auch chronischer Stress können muskuläre Anpassungen, hormonelle Regulation und Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigen [1, 2].

Schlaf als Schlüssel zur Regeneration

Während des Schlafs finden entscheidende Regenerationsprozesse statt: In den Tiefschlafphasen steigt die Ausschüttung von Wachstumshormonen (u. a. Somatotropin), die die Proteinbiosynthese fördern und Muskelschäden reparieren. Zudem werden motorische Lernprozesse im Gehirn konsolidiert – ein entscheidender Faktor für Technik und Koordination im Training [3].

Bereits eine Woche mit weniger als 6 Stunden Schlaf pro Nacht kann den Testosteronspiegel um 10-15 % senken, was Muskelaufbau und Regeneration messbar beeinträchtigt [4]. Gleichzeitig steigen Cortisolspiegel und Entzündungsmarker an – ein Hinweis auf erhöhte körperliche Belastung und eingeschränkte Erholung.

Stress – der unsichtbare Leistungshemmer

Chronischer Stress aktiviert die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse, was zu einer anhaltend erhöhten Cortisolsekretion führt. Diese hemmt den Muskelaufbau, beeinträchtigt die Glykogenresynthese (Glykogen = Speicherform der Glucose in Leber und Muskeln) und verlängert die Regenerationszeit [5].
Psychische Belastungen beeinflussen auch die neuromuskuläre Koordination und können zu erhöhter Muskelspannung, Fehlbewegungen und damit zu einer höheren Verletzungsanfälligkeit führen [2].

Wechselwirkungen zwischen Schlaf und Stress

Schlafmangel verstärkt die Stressreaktion – und umgekehrt. Wer schlecht schläft, reagiert empfindlicher auf Belastungen, da der Cortisolspiegel morgens und abends erhöht bleibt. Dieser Teufelskreis aus Schlafstörung und Stressüberlastung kann langfristig zu Erschöpfung, Immunschwäche und Übertraining führen [1]. Besonders gefährdet sind Sportler mit unregelmäßigem Lebensrhythmus, etwa Schichtarbeitende oder Vielreisende, bei denen die zirkadiane Rhythmik (biologischer 24-Stunden-Takt des Körpers) gestört ist.

Praktische Empfehlungen

  • Schlafhygiene fördern: Feste Schlafzeiten, dunkle und kühle Räume sowie der Verzicht auf Bildschirmlicht vor dem Schlaf fördern eine stabile Tiefschlafphase.
  • Stressbewältigung integrieren: Atemtechniken, Meditation oder Yoga reduzieren die Aktivität der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse und fördern die Regeneration.
  • Training an Erholung anpassen: Belastung und Ruhe sollten periodisiert werden. Messungen der Herzfrequenzvariabilität (HRV) und subjektive Erholungsbewertungen (RPE/Rate of Perceived Exertion)* können als Steuerungsinstrumente dienen.
  • Mikronährstoffe berücksichtigen: Magnesium trägt zur normalen psychischen Funktion und Muskelentspannung bei, Zink und Vitamin B6 unterstützen die hormonelle Stressregulation.

* Bei der RPE-Skala bewerten Sportlerinnen und Sportler, wie anstrengend eine Belastung subjektiv empfunden wird. Es gibt zwei gebräuchliche Varianten:

  • Borg-Skala (6-20):
    • Die Borg-Skala ist eine Methode zur Einschätzung der subjektiven Belastung während körperlicher Aktivität, um die Trainingsintensität zu steuern. Sie wird mit Zahlen bewertet, wobei die Originalversion von 6 (keine Anstrengung) bis 20 (größte Anstrengung) reicht, während es auch eine überarbeitete Skala von 0 bis 10 gibt. Die Skala hilft, das persönliche Anstrengungsniveau zu quantifizieren und Trainingseinheiten entsprechend anzupassen, um Über- oder Unterforderung zu vermeiden.  
      • Werte zwischen 6 („sehr, sehr leicht“) und 20 („maximal anstrengend“)
      • Sie korreliert grob mit der Herzfrequenz – ein RPE-Wert von 13 entspricht etwa 130 Schlägen/Minute.
  • CR10-Skala (0-10):
    • Die CR10-Skala ist eine subjektive Skala zur Messung der wahrgenommenen Anstrengung, die von 0 (keine Anstrengung) bis 10 (maximale Anstrengung) reicht. Sie wird verwendet, um die individuelle Belastung bei körperlicher Aktivität oder anderen Empfindungen wie Atemnot oder Schmerz einzuschätzen. Die Skala wurde von Gunnar Borg entwickelt und ist eine Abwandlung der klassischen Borg-Skala, die einen Bereich von 6 bis 20 hat. 
      • 0 = „keine Anstrengung“, 10 = „maximale Anstrengung“
      • Diese vereinfachte Form wird häufig im Fitness- und Leistungssport genutzt.

Fazit

Ein erfolgreiches Training hängt nicht nur von Disziplin im Studio, sondern auch von Regeneration im Schlaf und Stressmanagement im Alltag ab. Schlafdefizit und Dauerstress führen zu hormonellen Dysbalancen, Leistungsabfall und höherem Verletzungsrisiko. Eine gezielte Optimierung beider Faktoren steigert dagegen nachhaltig die Trainingsleistung und das Wohlbefinden.

Literatur

  1. Fullagar HHK et al (2015): Sleep and athletic performance: The effects of sleep loss on exercise performance, and physiological and cognitive responses to exercise. Sports Medicine, 45(2), 161-186. doi: 10.1007/s40279-014-0260-0.
  2. Simpson NS et al (2023): Sleep and performance in professional athletes: A review. Current Sleep Medicine Reports, 9(1), 17-26. doi: 10.1007/s40675-022-00243-4.
  3. Diekelmann S, Born J (2010): The memory function of sleep. Nature Reviews Neuroscience, 11(2), 114-126. doi: 10.1038/nrn2762.
  4. Leproult R, Van Cauter E (2011): Effect of 1 week of sleep restriction on testosterone levels in young healthy men. JAMA, 305(21), 2173-2174. doi: 10.1001/jama.2011.710.
  5. Hackney AC (2006): Stress and the neuroendocrine system: The role of exercise as a stressor and modifier of stress. Expert Review of Endocrinology & Metabolism, 1(6), 783-792. doi: 10.1586/17446651.1.6.783.