Welche Muskeln sollte man vor dem Sport dehnen – und wie lange ist ideal?
Das Dehnen vor sportlicher Aktivität gehört für viele Sportlerinnen und Sportler zum festen Bestandteil des Aufwärmens. Welche Muskelgruppen gedehnt werden sollten und wie lange, hängt in erster Linie von der geplanten Sportart, dem Trainingsziel und individuellen Beweglichkeitsdefiziten ab. Auch der berufliche Alltag spielt eine Rolle: Einseitige Belastungen, wie langes Sitzen oder Stehen, führen häufig zu Verspannungen und muskulären Ungleichgewichten. Ein gezieltes Dehnprogramm kann hier Abhilfe schaffen und gleichzeitig die Leistungsfähigkeit verbessern.
Welche Muskelgruppen sollten vor dem Sport gedehnt werden?
Vor dem Sport sollten vor allem jene Muskelgruppen gedehnt werden, die in der bevorstehenden Belastung aktiv beansprucht werden. Zusätzlich ist eine Ganzkörpermobilisation sinnvoll, um den Kreislauf anzuregen und die Beweglichkeit zu verbessern.
Typische Muskelgruppen bei Alltagsbelastungen
Bei vielen Menschen zeigen sich durch den Alltag folgende Spannungs- oder Verkürzungszonen:
- Hüftbeuger
- Kniebeuger und Kniestrecker
- Wadenmuskulatur
- Nackenmuskulatur und obere Trapezmuskulatur
- Rücken- und Rumpfmuskulatur
- Schulterblattmuskulatur
Diese Bereiche sollten bei Personen mit einseitiger beruflicher Belastung regelmäßig gedehnt werden, um muskuläre Dysbalancen vorzubeugen.
Anpassung an die Sportart
Die Auswahl der Muskelgruppen richtet sich nach der geplanten Sportart:
- Laufen: Hüftbeuger, Waden, Oberschenkelvorderseite, Gesäßmuskulatur
- Krafttraining: Schultergürtel, Brustmuskulatur, Rücken
- Ballsportarten: Hüft- und Beinmuskulatur, Core-Muskulatur (Rumpfmuskulatur)
- Schwimmen: Schulter-, Rücken- und Brustmuskulatur
Wie lange sollte man vor dem Sport dehnen?
Die optimale Dehndauer war lange umstritten. Neuere Studien zeigen, dass die Dauer entscheidend von der Zielsetzung abhängt:
- Kurzes statisches Dehnen von bis zu 30-60 Sekunden pro Muskelgruppe zeigt keine negativen Auswirkungen auf Kraft- oder Schnellkraftleistungen.
- Längeres statisches Dehnen über 60 Sekunden kann kurzfristig die Muskelkraft und Sprungleistung reduzieren.
- Dynamisches Dehnen (aktive, kontrollierte Bewegungen) eignet sich besonders gut für das Aufwärmen, da es gleichzeitig die Muskulatur aktiviert und die Beweglichkeit fördert [1-5].
Praktische Empfehlung
- Vor sportlicher Aktivität sind dynamische Mobilisationsübungen ideal, gefolgt von kurzen statischen Dehnungen (≤ 30 Sekunden).
- Wird nur kurz gedehnt (z. B. 5-8 Sekunden), reicht das als Mobilisationsimpuls aus, um die Muskeln vorzubereiten, ohne die Leistungsfähigkeit zu mindern.
- Für reine Beweglichkeitsschulung oder nach dem Sport darf die Haltezeit länger sein (20-60 Sekunden).
- Längeres statisches Dehnen sollte nicht unmittelbar vor Schnellkraft- oder Sprungbelastungen erfolgen.
Besonderheiten bei einseitiger Belastung
Berufliche Tätigkeiten mit repetitiven Bewegungen oder Zwangshaltungen verursachen häufig muskuläre Dysbalancen.
Ein individuell angepasstes Dehnprogramm kann helfen, typische Spannungszonen zu lösen:
| Berufsgruppe/Alltagstyp | Häufig beanspruchte Muskulatur | Empfohlene Dehndauer |
|---|---|---|
| Büroangestellte (Sitzarbeit) | Hüftbeuger, Waden, Brust- und Nackenmuskulatur | 5-8 s oder 15-30 s |
| Pflege- und Friseurberufe | Rückenstrecker, Schulter- und Nackenmuskulatur | 5-8 s oder 15-30 s |
| Verkauf/Kassentätigkeit | Waden- und Oberschenkelmuskulatur | 5-8 s oder 15-30 s |
Ziel ist es, die im Alltag stark beanspruchten Muskelgruppen vor der sportlichen Aktivität gezielt vorzubereiten und mögliche Verkürzungen auszugleichen.
Praktische Umsetzung im Aufwärmprogramm
- Allgemeines Aufwärmen (2-3 Minuten leichtes Gehen, Laufen, Armkreisen)
- Dynamisches Dehnen (Bein- oder Armschwünge, Ausfallschritte mit Rotation, Schulterkreisen)
- Kurzes statisches Dehnen der Hauptmuskelgruppen (je 5-8 Sekunden, 1-2 Wiederholungen)
- Aktivierungsübungen (z. B. Kniebeugen, Planks, Gesäßbrücke), um den Muskeltonus zu erhöhen
Diese Kombination fördert die Beweglichkeit, aktiviert die Muskulatur und bereitet den Körper optimal auf die Belastung vor.
Fazit
- Vor dem Sport sollten die am stärksten beanspruchten Muskelgruppen gedehnt werden.
- Kurze statische Dehnungen (≤ 30 Sekunden) oder dynamische Dehnungen eignen sich am besten zur Vorbereitung auf körperliche Belastung.
- Längeres statisches Dehnen sollte nach dem Sport oder im Beweglichkeitstraining erfolgen.
- Ein sinnvolles Dehnprogramm berücksichtigt auch beruflich bedingte Dysbalancen (z. B. durch Sitzen oder Stehen).
- Optimal ist ein kombiniertes Warm-up mit Mobilisation, Dehnung und Aktivierung.
Literatur
- Arntz F, Markov A, Behm DG, Behrens M, Negra Y, Nakamura M et al.: Chronic Effects of Static Stretching Exercises on Muscle Strength and Power in Healthy Individuals Across the Lifespan: A Systematic Review with Multi-level Meta-analysis. Sports Med. 2023;53(3):723-745. doi: 10.1007/s40279-022-01806-9.
- Alizadeh S, Daneshjoo A, Zahiri A, Hadjizadeh Anvar S, Goudini R, Hicks JP et al.: Resistance Training Induces Improvements in Range of Motion: A Systematic Review and Meta-analysis. Sports Med. 2023;53(3):707-722. doi: 10.1007/s40279-022-01804-x.
- Behm DG, Alizadeh S, Daneshjoo A, Anvar SH, Graham A, Zahiri A et al.: Acute Effects of Various Stretching Techniques on Range of Motion: A Systematic Review with Meta-analysis. Sports Med Open. 2023;9(1):107. doi: 10.1186/s40798-023-00652-x.
- Rosenfeldt M et al.: Comparison of Resistance Training vs Static Stretching on Flexibility and Maximal Strength in Healthy Physically Active Adults: Randomized Controlled Trial. BMC Sports Sci Med Rehabil. 2024;16:142. doi: 10.1186/s13102-024-00934-1.
- Warneke K, Wilke J, Behm DG, Aeles J, Blazevich AJ, Konrad A et al.: Practical Recommendations on Stretching Exercise: A Delphi Consensus Statement of International Research Experts. J Sport Health Sci. 2025;14:101067. doi: 10.1016/j.jshs.2025.101067.