Übertraining erkennen und vermeiden – Warnsignale und Gegenmaßnahmen

Das Übertrainingssyndrom ist eine der komplexesten Belastungsstörungen im sportmedizinischen Bereich. Es entsteht durch ein Missverhältnis zwischen Trainingsbelastung und Regenerationszeit und kann zu chronischem Leistungsabfall, hormonellen Dysbalancen und psychischen Symptomen führen. Während kurze Phasen intensiven Trainings die Leistungsfähigkeit verbessern, führt eine anhaltende Überbelastung ohne ausreichende Erholung zu katabolen Stoffwechselzuständen und Funktionsstörungen des autonomen Nervensystems [1, 2].

Definition und Pathophysiologie

Übertraining entsteht, wenn Trainingsintensität, -häufigkeit oder -umfang über längere Zeit die individuelle Regenerationsfähigkeit übersteigen. Unterschieden wird [2, 3]:

  • Functional Overreaching (FOR): Kurzfristige Überlastung, die nach Erholungsphase zu Leistungssteigerung führt
  • Non-functional Overreaching (NFOR): Längerer Leistungsabfall ohne Superkompensation.
  • Übertrainingssyndrom (OTS): Chronische Dysregulation von Hormon-, Immun- und Nervensystem mit systemischen Symptomen

Pathophysiologisch kommt es zu chronischen Entzündungsreaktionen, einer veränderten Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse, oxidativem Stress und verminderter Herzfrequenzvariabilität (HRV). Eine gestörte autonome Regulation (Sympathikus/Parasympathikus) ist charakteristisch und kann durch HRV-Messungen objektiviert werden [4].

Warnsignale und Symptome

Körperliche Anzeichen:

  • Deutlicher Leistungsabfall trotz intensivem Training
  • Erhöhter Ruhepuls und verzögerte Erholung nach Belastung
  • Anhaltender Muskelkater, Muskelschwäche oder schwere Beine
  • Häufige Infekte durch immunsuppressive Effekte
  • Appetitveränderungen, Gewichtsverlust oder Zyklusstörungen
  • Schlafstörungen und fehlendes Erholungsgefühl [1, 3]

Psychische Anzeichen:

  • Antriebslosigkeit, Motivationsverlust, Gereiztheit
  • Konzentrationsprobleme und Stimmungsschwankungen
  • Verlust der Freude am Training, Rückzug aus sozialen Kontakten [2, 5]

Die Symptome treten oft kombiniert auf und sind unspezifisch. In der Differentialdiagnostik müssen Infektionen, Eisenmangel, Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion), Burn-out und Depression ausgeschlossen werden [3].

Prävention und Gegenmaßnahmen

1. Belastungssteuerung und Monitoring

  • Trainingsvolumen nur schrittweise (max. + 5-10 % pro Woche) erhöhen
  • Periodisierung: Nach 3-4 Wochen intensiver Belastung eine Entlastungswoche mit etwa 60 % des üblichen Umfangs einplanen.
  • Subjektive Erholungsbewertungen (Rate of Perceived Exertion/RPE) und Messungen der Herzfrequenzvariabilität als objektive Marker nutzen [4].
  • Frühwarnsysteme implementieren: Ruhepuls-Tracking, Schlafanalyse, Stimmungsskalen

2. Regeneration und Lebensstil

  • Schlafqualität sichern (7-9 Stunden pro Nacht, möglichst konstante Zubettgehzeiten)
  • Ausgewogene Ernährung: ausreichende Kalorienzufuhr, Kohlenhydrate für Glykogenaufbau, Proteine für Muskelreparatur, Mikronährstoffe (v. a. Magnesium, Zink, Vitamin D)
  • Stressreduktion durch Atemübungen, Meditation oder moderates Yoga
  • Aktive Regeneration: leichtes Ausdauertraining, Mobilität, Massage oder Sauna fördern die Durchblutung und Laktatelimination [2]

3. Frühzeitige Intervention

  • Bei ersten Warnsignalen (Leistungseinbruch, Stimmungstief, erhöhter Ruhepuls) sofort Trainingsreduktion oder Pause.
  • Medizinische Kontrolle: Blutbild, Entzündungsmarker, Ferritin, Testosteron/Cortisol-Quotient (T/C)

4. Rückkehr zum Training

  • Nach Überlastung: mehrwöchige Regenerationsphase, erst dann schrittweiser Wiedereinstieg
  • In der Aufbauphase auf Technik, Mobilität und Koordination fokussieren
  • Mentale Rekonditionierung: Freude am Training als zentraler Indikator für vollständige Erholung [5]

Fazit

Übertraining ist kein Zeichen von Disziplin, sondern Ausdruck eines gestörten Gleichgewichts zwischen Belastung und Erholung. Eine frühzeitige Diagnose, strukturierte Trainingsplanung und gezielte Regeneration sind entscheidend für langfristige Leistungsfähigkeit.

Literatur

  1. Kreher JB, Schwartz JB: Overtraining Syndrome: A Practical Guide. Sports Health. 2012;4(2):128-138. doi: 10.1177/1941738111434406.
  2. Meeusen R et al.: Prevention, diagnosis and treatment of the Overtraining Syndrome: Joint consensus statement of the ECSS and ACSM. Eur J Sport Sci. 2013;13(1):1-24. doi: 10.1080/17461391.2012.730061.
  3. Urhausen A, Kindermann W: Diagnosis of Overtraining: What Tools Do We Have? Sports Med. 2002;32(2):95-102. doi: 10.2165/00007256-200232020-00002.
  4. Plews DJ, Laursen PB, Stanley J, Kilding AE, Buchheit M: Training adaptation and heart rate variability in elite endurance athletes: Opening the door to effective monitoring. Sports Med. 2013;43(9):773-781. doi: 10.1007/s40279-013-0071-8.
  5. Carfagno DG, Hendrix JC: Overtraining Syndrome in the Athlete: Current Clinical Practice. Curr Sports Med Rep. 2014;13(1):45-51. doi: 10.1249/JSR.0000000000000027.