Stillen bei erkranktem Kind – worauf ist zu achten?

Stillen spielt auch bei Erkrankungen des Säuglings eine zentrale Rolle. Muttermilch liefert nicht nur optimale Nährstoffe, sondern unterstützt das Immunsystem durch Antikörper, Enzyme und bioaktive Substanzen. Zu wissen, in welchen Situationen das Stillen fortgeführt werden kann und wann temporäre Anpassungen erforderlich sind, ist besonders wichtig.

Bedeutung der Muttermilch bei kindlicher Erkrankung

Muttermilch enthält eine Vielzahl an immunologisch wirksamen Substanzen, die den Säugling gerade bei Infekten schützen und die Genesung unterstützen. Dazu gehören vor allem:

  • Sekretorisches IgA: Antikörper, die sich auf Schleimhäuten anlagern und Krankheitserreger dort blockieren.
  • Lactoferrin: Ein Protein, das Bakterien das Eisen entzieht und damit ihr Wachstum hemmt.
  • Lysozym: Ein Enzym, das Bakterienwände zerstört und antimikrobiell wirkt.
  • Lebende Immunzellen: Zellen wie Lymphozyten und Makrophagen, die Krankheitserreger aktiv bekämpfen und das kindliche Immunsystem stimulieren.

Durch dieses „biologische Schutzschild“ profitieren Kinder mit Fieber, Atemwegs- oder Magen-Darm-Infekten von Muttermilch in besonderem Maße [1]. Ein weiterer Vorteil ist ihre leichte Verdaulichkeit, was bei geschwächtem Magen-Darm-Trakt hilfreich ist.

Praktische Hinweise für die Betreuung

  • Flüssigkeits- und Energiebedarf: Erkrankte Kinder haben oft ein erhöhtes Risiko für Exsikkose (Austrocknung), besonders bei Erbrechen oder Durchfall. Häufigeres, kürzeres Anlegen kann helfen, Flüssigkeitsverluste auszugleichen.
  • Fieberhafte Erkrankungen: Stillen sollte fortgeführt werden, da es die Immunabwehr stärkt. Bei ausgeprägter Schwäche kann es hilfreich sein, Muttermilch portionsweise abgepumpt zu geben.
  • Gastrointestinale (Magen-Darm-)Infekte: Muttermilch wird in der Regel gut vertragen. Sie wirkt durch immunologische Inhaltsstoffe sogar schützend gegenüber anhaltenden Durchfällen [2].
  • Atemwegserkrankungen: Stillen kann erschwert sein, wenn die Nasenatmung behindert ist. Nasentropfen oder sanfte Sekretabsaugung vor dem Stillen verbessern die Trinkfähigkeit.
  • Schwere Erkrankungen: Bei Krankenhausaufenthalt, z. B. wegen Bronchiolitis (entzündliche Erkrankung der kleinen Atemwege, meist durch RS-Virus) oder Pneumonie (Lungenentzündung), sollte Stillen – wenn möglich – fortgeführt werden. Ist dies nicht praktikabel, ist Muttermilchgabe über Sonde eine geeignete Option.

Kontraindikationen und Vorsicht

Ein Stillstopp ist nur in Ausnahmefällen indiziert, etwa wenn eine spezielle Diät- oder Therapieform (z. B. bei bestimmten Stoffwechselerkrankungen wie Galaktosämie) erforderlich ist. In den meisten Fällen profitieren auch schwer kranke Kinder von Muttermilch.

Prävention und Betreuung

  • Eltern sollten ermutigt werden, das Stillen auch bei Krankheit des Kindes fortzuführen.
  • Aufklärung über die Bedeutung von Flüssigkeitsbilanz, regelmäßiger Gewichtskontrolle und rechtzeitiger Vorstellung beim Kinderarzt bei Verschlechterung ist essenziell.
  • Bei länger bestehenden Symptomen (anhaltendes Fieber, Apathie (Teilnahmslosigkeit), ausgeprägte Trinkschwäche) ist eine differenzierte pädiatrische Diagnostik erforderlich.

Literatur

  1. Ballard O, Morrow AL: Human milk composition: nutrients and bioactive factors. Pediatr Clin North Am. 2013;60(1):49-74. doi: 10.1016/j.pcl.2012.10.002.
  2. Lamberti LM et al.: Breastfeeding and the risk for diarrhea morbidity and mortality. BMC Public Health. 2011;11(Suppl 3):S15. doi: 10.1186/1471-2458-11-S3-S15.