Abstillen in der Praxis – richtiger Zeitpunkt und empfohlene Methoden
Das Abstillen ist ein wichtiger Meilenstein in der Ernährung und Entwicklung des Kindes und typischerweise auch eine emotional herausfordernde Phase für Mutter und Familie. Der folgende Überblick soll sowohl eine wissenschaftlich aktuelle Basis als auch praxisnahe Tipps liefern.
Zeitpunkt des Abstillens: individuelle Entscheidung mit Rahmenbedingungen
Empfehlungen internationaler Fachgesellschaften
Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) empfiehlt exklusives Stillen in den ersten 6 Lebensmonaten, anschließend Einführung von Beikost und Fortführung des Stillens bis 2 Jahre oder darüber hinaus, sofern Mutter und Kind dies wünschen [1].
Praktische und individuelle Einflussfaktoren
- Manche Kinder zeigen von sich aus ab einem bestimmten Alter weniger Interesse an der Brust – dies kann ein vorsichtiges Signal für einen natürlichen Abstillbeginn sein.
- Familiäre Situationen, beruflicher Wiedereinstieg der Mutter, gesundheitliche Faktoren oder psychosoziale Belastungen können den Zeitpunkt beeinflussen.
- Wichtig ist: Abstillen sollte idealerweise schrittweise erfolgen, um Risiken wie Milchstau, Mastitis (Brustentzündung) oder emotionale Belastung zu minimieren.
Methoden des Abstillens
Es gibt kein “Einheitsmodell” – die Wahl der Methode sollte individuell abgestimmt sein. Nachfolgend gängige Strategien:
Schrittweises Abstillen
- Eine Stillmahlzeit pro Woche (oder alle paar Tage) wird durch Beikost oder Ersatznahrung ersetzt.
- Vorteil: Anpassung des Verdauungssystems des Kindes und reduzierte Belastung der Brust.
- Wichtig: Die verbleibenden Stillmahlzeiten weiterhin behutsam auslaufen lassen.
Natürliches Abstillen (kindgeleitet)
- Das Kind reduziert selbst die Stillhäufigkeit.
- Diese Methode eignet sich, wenn kein äußerer Druck (z. B. Zeitdruck) besteht und Mutter und Kind grundsätzlich flexibel sind.
- Nachteil: Sie kann sich über längere Zeit erstrecken und schwieriger planbar sein.
Schnelles oder abrupte Entwöhnung
- Eine medizinische Indikation oder Therapie (etwa bestimmte Arzneimittel, Erkrankungen) erfordert manchmal ein rasches Abstillen.
- In solchen Fällen kann eine pharmakologische Unterstützung (z. B. mit Cabergolin) erwogen werden, allerdings nur unter ärztlicher Kontrolle.
- Parallel empfiehlt sich kontrolliertes Ausstreichen oder Abpumpen der Milch, um Stau oder Schmerzen zu vermeiden.
Praktische Tipps zur Unterstützung des Abstillprozesses
- Milchproduktion regulieren: Kleine Mengen ausstreichen oder abpumpen (nicht vollständig entleeren), um Spannungsgefühle zu lindern, aber die Milchbildung nicht weiter zu stimulieren.
- Physische Entlastung: Gut sitzender, nicht einschnürender BH, kühlende Umschläge (z. B. Quarkumschläge) und Vermeidung von milchfördernden Reizen (z. B. häufiges warmes Duschen) können hilfreich sein.
- Stillmanagement bei Beschwerden: Bei beginnendem Milchstau kann vorsichtiges Abpumpen, kombiniert mit Ruhe, helfen.
- Psychische Begleitung: Stillen ist häufig Teil der Mutter-Kind-Bindung. Gefühle von Verlust, Schuld oder Trauer sollten offen thematisiert und begleitet werden – z. B. durch Gesprächsangebote oder psychosoziale Unterstützung.
- Frühzeitige Aufklärung: Schon in der Schwangerschaft über mögliche Abstillmethoden und -zeitpunkte informieren, um Erwartungen und Unsicherheiten zu reduzieren.
Literatur
- Koletzko B, Cremer M, Flothkötter M, Graf C, Hauner H, Hellmers C et al.: National Recommendations for Infant and Young Child Feeding in the WHO European Region. J Pediatr Gastroenterol Nutr. 2020;71(5):672–678. doi: 10.1097/MPG.0000000000002912.
- Karall D et al.: Stillen und Stillberatung – Was Pädiater-innen über Stillen und Laktation wissen und kommunizieren sollten. Monatsschrift Kinderheilkunde. 2020;168(Suppl 5). doi: 10.1007/s00112-020-00911-1.
- Berti C et al.: Infant and Young Child Feeding Practices and Health. Nutrients. 2023;15(5):1184. doi: 10.3390/nu15051184.