Folsäure (Folat) in der Stillzeit: Warum das Vitamin für Mutter und Kind so wichtig ist
Wie in der Schwangerschaft besteht auch in der Stillzeit besteht ein erhöhter Bedarf an Folsäure (Vitamin B9, Folat), weil durch die Muttermilch kontinuierlich Folat an das Kind abgegeben wird. Die Mutter muss diese Abgabe kompensieren, um ihre eigenen Speicher zu erhalten und Funktionseinbußen zu vermeiden. Ein unzureichender Folatstatus kann Zellteilung, DNA-Synthese und die Methylierung beeinflussen – Prozesse mit Bedeutung für Gesundheit und Entwicklung von Mutter und Säugling [1-3].
Zufuhrempfehlung und Versorgungssituation
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt für stillende Frauen eine tägliche Aufnahme von 450 µg Folat-Äquivalenten (FA; synthetisches Folat plus Nahrungsfolat) [4].
Die tatsächliche Folatzufuhr in Deutschland liegt deutlich unter diesen Empfehlungen. Laut Nationaler Verzehrsstudie II erreichen 86 % der Frauen die empfohlene Zufuhr nicht; die am schlechtesten versorgten Frauen weisen ein Defizit von rund 277 µg auf und liegen damit etwa 69 % unter der empfohlenen Menge [5]. In der Stillzeit steigt der Bedarf um 150 µg Folsäure täglich, wodurch sich bei schlecht versorgten Stillenden ein Fehlbetrag von 427 µg/Tag ergibt.
Internationale Untersuchungen bestätigen, dass Frauen in der Stillzeit ihre Folatreserven stärker beanspruchen und bei unzureichender Ernährung ein Mangelrisiko besteht [6, 7].
Versorgungsstatus in Zahlen:
- Empfohlene Zufuhr Stillende: 450 µg/Tag; nicht stillende Frauen: 300 µg/Tag
- 86 % der Frauen erreichen die Empfehlung nicht
- Fehlbetrag bei den am schlechtesten versorgten Frauen: 277 µg (69 % der Empfehlung)
- Mehrbedarf in der Stillzeit: 150 µg/Tag
- Fehlbetrag bei den am schlechtesten versorgten Stillenden: 427 µg/Tag
Die Top 10 Folsäurequellen in der Stillzeit
Um den erhöhten Folsäurebedarf in der Stillzeit zu decken, lohnt sich der Blick auf folatreiche Lebensmittel. Die folgende Übersicht zeigt die 10 folatreichsten Lebensmittel (pro 100 g, gerundet). Die angegebenen Werte können je nach Sorte, Anbaugebiet und Verarbeitung leicht variieren [8-10].
- Linsen (getrocknet): 480 µg
- Kichererbsen (getrocknet): 340 µg
- Schwarze Bohnen (getrocknet): 320 µg
- Weiße Bohnen (getrocknet): 260 µg
- Kalbsleber (gegart): 240 µg
- Spinat (roh): 190 µg
- Rosenkohl (gegart): 180 µg
- Grünkohl (roh): 180 µg
- Brokkoli (gegart): 110 µg
- Spargel (gegart): 100 µg
Hinweis: Leber wird während der Schwangerschaft aufgrund des hohen Vitamin-A-Gehalts (Retinol) nicht empfohlen, kann aber in der Stillzeit in moderaten Mengen (z. B. einmal pro Woche) eine wertvolle Folatquelle darstellen.
Hülsenfrüchte, grünes Gemüse und Vollkornprodukte lassen sich leicht in den Alltag integrieren – etwa als Bestandteil von Salaten, Eintöpfen oder Frühstücksgerichten – und tragen entscheidend dazu bei, die in der Stillzeit besonders wichtige Folatversorgung sicherzustellen.
Funktionen von Folsäure in der Stillzeit
Folsäure (Vitamin B9) ist zentral im Ein-Kohlenstoff-Stoffwechsel, notwendig für DNA- und RNA-Synthese, Zellteilung und den Abbau von Homocystein zu Methionin [11]. Diese Stoffwechselwege sind sowohl für die postpartale Regeneration (Erholungsphase nach der Geburt) der Mutter als auch für das Wachstum des Säuglings (Körper- und Organentwicklung) essenziell.
Studien zeigen, dass die Folatkonzentration in der Muttermilch selbst bei sinkendem Serumfolat der Mutter konstant bleibt – der Organismus priorisiert die Versorgung des Kindes [12, 13]. Höhere 5-Methyltetrahydrofolat-Konzentrationen (aktive Form der Folsäure im Blut) in der Muttermilch korrelieren mit einem besseren Folatstatus des Säuglings, können jedoch die mütterlichen Speicher weiter verringern [14].
Ein unzureichender Folatstatus kann mit erhöhten Homocysteinspiegeln, Anämie (Blutarmut) und verminderter Zellregeneration einhergehen [15]. Bei der Mutter kann sich dies durch Müdigkeit und verminderte Leistungsfähigkeit äußern, während beim Kind – bei starkem Mangel – langfristige Entwicklungsstörungen nicht auszuschließen sind [16].
Fazit
Stillende Frauen benötigen deutlich mehr Folsäure als nicht-stillende. Da der Folatstatus vieler Frauen bereits vor der Geburt unzureichend ist, besteht auch nach der Entbindung ein erhöhtes Risiko für eine Unterversorgung. Eine ausreichende Folatzufuhr ist entscheidend für die Zellteilung, die DNA-Synthese und den Homocystein-Abbau – damit für Regeneration, Energie und die Entwicklung des Kindes. Durch eine ausgewogene Ernährung und ggf. eine ergänzende Supplementierung kann der Bedarf gedeckt und die Gesundheit von Mutter und Kind optimal unterstützt werden.
Empfehlung zur Supplementation
- Nahrungsergänzung von 150-400 µg Folsäure pro Tag bei Stillenden ist sinnvoll.
- Bei MTHFR-Polymorphismen (genetische Enzymvariante, die den Folatstoffwechsel beeinträchtigt) ist eine regelmäßige Kontrolle des Folatstatus empfehlenswert.
- Gleichzeitige ausreichende Versorgung mit Vitamin B12 (Cobalamin) sicherstellen, da Folat und Vitamin B12 gemeinsam am Homocystein-Stoffwechsel beteiligt sind.
Optimale Nährstoffversorgung in der Stillzeit
Unterstützen Sie die Entwicklung Ihres Babys und Ihre eigene Gesundheit – mit gezielter Supplementierung. Besonders wichtig: Vitamin D, Vitamin B12, Folsäure, Eisen und Jod sowie Omega-3-Fettsäuren (Docosahexaensäure, Eicosapentaensäure; DHA/EPA) für Gehirn und Augen.
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Literatur
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- Hay G, Johnston C, Whitelaw A, Trygg K, Refsum H. Folate and cobalamin status in relation to breastfeeding and weaning in healthy infants. Am J Clin Nutr. 2008 Jul;88(1):105-14. doi: 10.1093/ajcn/88.1.105
- Mackey AD, Picciano MF. Maternal folate status during extended lactation and the effect of supplemental folic acid. Am J Clin Nutr. 1999 Feb;69(2):285-92. doi: 10.1093/ajcn/69.2.285
- Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr: Folat. Bonn: DGE; 2023.
- Max Rubner-Institut. Nationale Verzehrsstudie II: Ergebnisbericht Teil 2. Karlsruhe: MRI; 2008.
- Obeid R, Warnke I, Bendik I, Troesch B, Schoop R, Chenal E, Koletzko B; MEFOLIN Study Group. Infants' Folate Markers and Postnatal Growth in the First 4 Months of Life in Relation to Breastmilk and Maternal Plasma Folate. Nutrients. 2023 Mar 20;15(6):1495. doi: 10.3390/nu15061495
- West AA, Yan J, Perry CA, Jiang X, Malysheva OV, Caudill MA. Folate-status response to a controlled folate intake in nonpregnant, pregnant, and lactating women. Am J Clin Nutr. 2012 Oct;96(4):789-800. doi: 10.3945/ajcn.112.037523
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- Souci SW, Fachmann W, Kraut H. Food Composition and Nutrition Tables. 9th ed. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft; 2024.
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- Institute of Medicine (US) Standing Committee on the Scientific Evaluation of Dietary Reference Intakes and its Panel on Folate, Other B Vitamins, and Choline. Dietary Reference Intakes for Thiamin, Riboflavin, Niacin, Vitamin B6, Folate, Vitamin B12, Pantothenic Acid, Biotin, and Choline. Washington (DC): National Academies Press (US); 1998
- Molloy AM, Kirke PN, Troendle JF, Burke H, Sutton M, Brody LC, Scott JM, Mills JL. Maternal vitamin B12 status and risk of neural tube defects in a population with high neural tube defect prevalence and no folic Acid fortification. Pediatrics. 2009 Mar;123(3):917-23. doi: 10.1542/peds.2008-1173