Analverkehr
Analverkehr wird auch als Analsex, Analkoitus, Coitus analis, Coitus per anum, umgangssprachlich auch als Schokostich oder Nougatstampfer bezeichnet. Zahlreiche historische Quellen zeigen, dass Analverkehr in der Antike, z. B. bei den Griechen, als auch in japanischen und chinesischen Kulturkreis weitverbreitet war [1].
Ist Analverkehr (noch immer) ein Tabuthema? Gehört es zum normalen Repertoire der Sexualität? Wie häufig wird er durchgeführt? Ist es wahr, dass die Häufigkeit in den vergangenen Jahren stetig angestiegen ist? Das alles sind Fragen, die derzeit im Internet kontrovers diskutiert und dargestellt werden. Verschiedene Untersuchungen deuten allerdings darauf hin, dass in den letzten 40-50 Jahren die Häufigkeit des Analverkehrs zugenommen hat. Die wohl größte Studie zu diesem Aspekt, die britische Natsal-Studie, hat das sexuelle Verhalten unter vielen unterschiedlichen Aspekten in drei Perioden untersucht (1990-1991, 1999-2001, 2010-2012). Prozentual hat die Häufigkeit von Analsex von < 20 % Anfang der Neunzigerjahre auf etwa 30 % Anfang 2000 bis auf knapp 40 % 2012 zugenommen. Das betrifft sowohl Männer als auch Frauen und ist ein Hinweis für sich verändernde liberalisierende sexuelle Einstellungen und Verschiebungen von Normwerten, aber auch ein Hinweis für die sich positiv verändernde Stellung der Frau in der Gesellschaft [2].
Jüngere Untersuchungen weisen zudem darauf hin, dass Berührungen des perianalen Bereiches sowie 1-2 cm Eindringen in den Anus – mit der Zunge, dem Finger oder dem Penis –, die bisher in der Literatur keine Berücksichtigung fanden, eine große Bedeutung für die sexuelle Befriedigung, besonders der Frau, haben. Sie können einen wichtigen Beitrag als Einstieg für den Analverkehr bedeuten. Darauf wird unter „Was sagt die Wissenschaft zu Analverkehr?“ eingegangen. Dort werden des Weiteren neue Erkenntnisse zum Anilingus (Rimming, Rim Job, Tossed Salad, tossing the salad) und zu neuen Begriffen wie "Anal Surfacing", "Anal Shallowing" und "Anal Pairing“ beleuchtet.
Allgemeines
Der Afterbereich (Damm, Rosette) ist bei beiden Geschlechtern intensiv mit Nerven versorgt, besonders sensibel und deshalb eine ausgeprägte erogene Zone. Die Penetration des Anus mit dem Penis oder einem Sexspielzeug wird von heterosexuellen, besonders häufig jedoch von homosexuellen Partnern durchgeführt. Die anale Penetration kann bei beiden Konstellationen auch in Form des Peggings mittels eines Strap-ons erfolgen. Es kann für den aktiven (penetrierenden, insertiven) sowie für den passiven (empfangenden, rezeptiven, anorezeptiven) Partner lustvoll sein und zum Orgasmus (bei Männern häufiger als bei Frauen) führen. Frauen stimulieren bei dieser Art des Geschlechtsverkehrs häufig manuell ihre Klitoris ("Kitzler"). Beim Mann ist die Enge durch den Schließmuskel für den empfangenden und den penetrierenden Partner sehr erogen. Außerdem liegt an der vorderen Wand des Rektums (Mastdarm) die Prostata, die für den empfangenden Partner (Mann, Transfrau) sehr empfänglich für eine Stimulation ist. Aber auch bei Frauen kann die Berührung der Vorderwand des Rektums sehr lustvoll sein. Es wird angenommen, dass dies durch die Nähe des Gebärmutterhalses hervorgerufen wird, weil in diesem Bereich vaginal im vorderen und hinteren Scheidengewölbe eine sehr erogene Zone liegt [3-5].
Voraussetzungen und Vorbereitungen für einen lustvollen Analsex
Lust beider Partner
Während in der homosexuellen Szene die nachfolgend aufgeführten Voraussetzungen sicher keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen, können sie bei heterosexuellen Situationen durchaus unterschiedliche Aspekte beinhalten, weil die Frau meist der empfangende Partner ist und die Lust auf Analsex sehr häufig nicht kongruent ist, sodass er nicht selten auf Drängen des Partners, unter Alkohol-/Drogenkonsum, nicht Nein sagen zu wollen oder zu können, minderwertig zu sein oder als Liebesbeweis praktiziert wird [3-6].
Hygiene – sauberer Enddarm? Analdusche? Klysma?
Voraussetzung für die Durchführung des Analverkehrs ist unter hygienischen Gesichtspunkten ein entleerter Darm. Manche spülen den Enddarm mit warmem Wasser oder benutzen ein Klistier. Dies ist nicht unbedingt erforderlich, weil im Enddarm nach dem Stuhlgang, wenn überhaupt, nur ganz geringe Mengen Kot zurückbleiben, die im Allgemeinen nicht störend sind. Wenn sich jemand dennoch nicht wohlfühlt und einen Einlauf machen will, sollte lauwarmes Wasser benutzt werden. Zu kaltes Wasser kann Krämpfe auslösen, zu heißes Wasser führt zu Verbrühungen. Es sollte weder Seife noch Duschgel verwendet werden – beides kann die Darmflora schädigen. Auch von Alkohol oder Desinfektionsmittel ist abzuraten, da sie durch die Darmschleimhaut aufgenommen werden, was eine Alkohol- oder andere Vergiftungen induzieren kann.
Spülaufsätze für die Dusche (Analdusch-Aufsätze), die auf den Duschschlauch geschraubt werden, können sinnvoll sein. Der normale Brausekopf ist nicht ausreichend. Den Duschschlauch ohne den Brausekopf zu verwenden, kann wegen der scharfen Kanten zu Verletzungen führen. Um eine gründliche Spülung des Rektums zu erreichen, sollte der Druck nur leicht sein und der Duschaufsatz nicht zu weit eingeführt werden [3-5].
Durchführung
Anus vordehnen
Unabhängig davon, ob es sich um homo- oder heterosexuellen Analsex handelt, ist der vorbereitende Lustgewinn durch Petting, Massieren des perianalen Gewebes oder durch Anilingus eine wichtige Voraussetzung für die Senkung des normalen konstriktiven Analreflexes. Nach der vorbereitenden Entspannung muss die Dehnung des Sphincter ani (Schließmuskel des Anus) erfolgen, schrittweise mit einem, anschließend mit zwei, vielleicht sogar drei Fingern. Die Finger sollten mit Öl oder reichlich Gleitcreme gleitfähig gemacht werden.
Immer, wenn der Schließmuskel sich zusammenzieht, sollte geduldig gewartet werden, bis er sich wieder entspannt, denn sonst entstehen Schmerzen. Dies gelingt auch durch die Applikation kleiner Butt-Plugs (Analplug, Analstöpsel, Po-Stöpsel), die es auch mehrstufig gibt. Sie sind vorn abgerundet, konisch, geformt und können leicht eingeführt werden. Hinten verjüngen sie sich wieder, werden schmaler, sodass sich der Anus drumherum legen kann. Eine breite Fläche, wie ein kleiner Teller, bildet den Abschluss. Dies verhindert ein versehentliches Verschwinden im Rektum. Die Analplugs können auch über längere Zeit zur Dehnung getragen werden. Auf diese Weise wird der Anus schrittweise geweitet und auf das Einführen des Gliedes oder eines Strap-ons (Pegging) vorbereitet. Wenn es weh tut, sollte abgewartet und eine Dehnungsstufe zurückgegangen werden. Gleiches gilt auch für die Verwendung von Anal-Dildos, Anal-Vibratoren, Ketten, Kugeln und anderen Sexspielzeugen.
Geschwindigkeit und Eindringen
Um für beide Partner den Analsex möglichst genussvoll zu gestalten, ist ein langsames Einführen des Penis, eines Strap-ons oder von Sexspielzeugen und eine einfühlsame Absprache der Bewegungsgeschwindigkeit und der Bedürfnisse des empfangenen Partners absolute Voraussetzung. Dies dient auch der Vermeidung von Verletzungen.
Gleitgel
Sowohl für die Dehnung mit Fingern oder einem Butt-Plug, der Verwendung von Sexspielzeugen sowie für den Verkehr ist der Gebrauch von reichlich Gleitmittel Voraussetzung für eine möglichst schmerzfreie, genussvolle Sexualität.
Im Gegensatz zur Vagina, die Flüssigkeit enthält und deren Produktion bei sexueller Erregung kontinuierlich zunimmt, produziert der Enddarm keine Flüssigkeit, d. h. er ist trocken. Deshalb ist Gleitgel, und zwar viel, unbedingte Voraussetzung für einen erregenden, schmerzfreien und möglichst verletzungsfreien Analverkehr.
Bei der Verwendung von Silikon-Toys sind Gleitmittel auf Silikonbasis ungünstig, weil sie die Silikon-Toys angreifen und langsam auflösen können. Deswegen sind Gleitmittel auf Wasserbasis zu verwenden.
Bei Anwendung von Kondomen aus Latex oder Polyisopren sind Gleitmittel auf Wasser- oder Silikonbasis geeignet. Häufig verwendete Gleitmittel des Haushaltes z. B. Olivenöl, Mandelöl, Kokosnussöl, Babyöl, fetthaltige Gleitmittel, Vaseline zerstören Latex oder Polyisopren-Kondome. Geeignet sind in diesem Fall Kondome aus Polyurethan. Beim Einführen des Penis sind Gleitmittel auf Silikonbasis oder Öle denen auf Wasserbasis vorzuziehen, weil Silikon und Öl eine bessere Gleitfähigkeit besitzen und länger vorhalten als Wasser-Gleitmittel.
Achtung: Spucke reicht nicht!
Fazit:
- Jede Person sollte einen eigenen Gleitmitteltopf benutzen.
- Das Gleitgel nicht mit anderen teilen.
Kondom
Kondom ist beim Analverkehr Pflicht bzw. dringend zu empfehlen, weil diese Form des Geschlechtsverkehrs die höchste Rate einer Infektionsgefahr beinhaltet, denn auch geringe Stuhlreste oder die Darmschleimhaut selbst enthalten Millionen von Keimen. Dies betrifft nicht nur den empfangenden Partner, sondern auch den penetrierenden, denn ohne Kondom kann sich die Harnröhre infizieren und dies zu einer aufsteigenden Infektion führen.
Nach dem Analverkehr
Nach dem Analverkehr sollte aus hygienischen Gründen und um Infektionen zu vermeiden auf folgendes geachtet werden:
- für den penetrierenden Partner als Mann ohne Kondom: langsames Herausziehen des Penis, gründliche Reinigung, Wasserlassen, denn Urin befreit die Harnröhre von der Kontamination mit Bakterien
- für den empfangenden Partner Mann oder Frau: gründliche Reinigung des Anus
- Verbot von anschließendem
- Vaginalverkehr (Ass-to-Pussy/A2P/a2p)
- Oralverkehr (Ass-to-Mouth/Anal-to-Mouth (A2M/a2m))
Diese Praktiken sind nur nach gründlicher Reinigung des Penis, des Plugins bzw. nach Wechseln des Kondoms erlaubt. Dasselbe gilt auch für Finger, Zunge, Sex-Toys, denn die Keime können zu Infektionen der Scheide, der Blase, der Nieren (besonders gefährlich) und des Mundes führen (s. u. Infektionen).
Probleme
Schmerzen
Schmerzen treten häufig bei den rezeptiven Partnern bei den ersten Malen auf. Deshalb sind die wichtigsten Voraussetzungen zur Schmerzvermeidung oben genannte Bedingungen: ausgiebiges Vorspiel, Analdehnung, reichlich Gleitmittel, einvernehmliche Bewegungsgeschwindigkeit. Falls trotzdem Schmerzen auftreten, sind ein offenes Gespräch notwendig und das eventuelle Ausweichen auf andere Sexualpraktiken sinnvoll. Leider ist es nicht ungewöhnlich, dass besonders Frauen Schmerzen erdulden, ohne mit dem Partner darüber zu reden [7].
Andere Gründe:
- anatomisches Missverhältnis zwischen Penis oder Strap-on: zu dick für den Schließmuskel oder zu lang für den Enddarm
- Analsex als Geschenk ohne entsprechende Bereitschaft
- bisher nicht genügende Entspannung oder Erregung
- unterschwellige Angst oder Abwehrhaltung: Stress → Angst → Verkrampfungen → Schmerzen
- Furcht vor Schmerzen generell oder aber nach schlechten früheren Erfahrungen durch Penetration oder sexuellen Erfahrungen überhaupt
- zu geringe Intimität
- zu geringes Vertrauen in den Partner
- Unterschied zwischen Porno und Wirklichkeit
- Wunsch eine gute Partnerin zu sein
Verletzungen (Einrisse, Blutungen)
Typische Verletzungen – meist durch oben genannte unsachgemäße Techniken oder Vorbereitungen – können Fissuren und Blutungen sein. Hämorrhoiden und Wundsein können Grundlage von Verletzungen sein und sind als Kontraindikationen anzusehen.
Allgemein sollte bei Verwendung von Toys oder auch bei Stimulation mit den Fingern sehr vorsichtig vorgegangen werden, da der Analbereich sehr leicht verletzlich ist und es auch schnell zu stärkeren Blutung kommen kann. Verboten im Analbereich ist alles, was kantig oder mit Spitzen oder Noppen versehen bzw. an der Oberfläche uneben ist. Das gilt auch für Fingernägel. Sie sollten kurz, abgerundet, gut gefeilt und gepflegt sein, denn obwohl Handschuhe getragen werden kann es zu Verletzungen kommen.
Für den Analbereich sollten nur dafür vorgesehene Spielzeuge verwendet werden, denn Bananen, Stöckchen, Flaschenhälse, auch Kondome mit Noppen sind potentiell gefährlich. Es ist darauf zu achten, dass keine zu breiten Toys oder Vibratoren oder andere Gegenstände eingeführt werden, weil dies den Schließmuskel verletzen kann, sodass im schlimmsten Fall eine Inkontinenz des Anus entsteht und der Stuhl nicht mehr gehalten werden kann.
Nichts weiter als etwa 10 cm in den Anus einführen, weil dann das Rektum (Mastdarm) einen Knick macht und in den unteren Bereich des Dickdarms übergeht. Wenn dort Verletzungen entstehen, kann dies zur lebensbedrohlichen Komplikation führen.
Infektionen
Diese Form der Sexualität geht mit der höchsten Gefahr von Infektionen, besonders sexuell übertragbarer Erkrankungen z. B. Chlamydien, Gonorrhoe (Tripper), Syphilis (Lues), Hepatitis B, Hepatitis C, HPV (Human Papilloma-Virus) und ganz besonders von HIV einher, durch den Kontakt mit Darmbakterien und weil durch die Penetration des Schließmuskels Verletzungen und Einrisse und somit Blutkontakte möglich sind. Dies betrifft beide, sowohl den empfangenden als auch den penetrierenden Partner.
Zu achten ist auf absolute Sauberkeit der Toys, da leicht verletzungsbedingte Infektionen entstehen können, auch Miniverletzungen, die häufig gar nicht selbst bemerkt werden.
Zu allen Sex-Toys gibt es Pflegeanleitungen.
Um besonders vorsichtig zu sein oder wenn Toys mit einem Partner geteilt werden, kann aus Sicherheitsgründen auch ein Kondom übergezogen werden.
Analsex in der Schwangerschaft
Von Analsex in der Schwangerschaft wird wegen der hohen möglichen Verletzungs- und Infektionsgefahr abgeraten, wobei die sexuell übertragbaren Erkrankungen sicher nicht vorrangig sind, sondern die Möglichkeit einer Verschleppung von Keimen auf die Vulva (äußeres Genitale), in die Vagina (Scheide) und/oder in die Blase. Folge können aufsteigende Infektionen, vorzeitige Wehen, Frühgeburt und ein Amnioninfektionssyndrom sein.
Stellungen
Obwohl beim Analverkehr praktisch alle gängigen Stellungen möglich sind, werden die unten angeführten bevorzugt, weil der rezeptive Partner eine gewisse Eigeninitiative über die Tiefe des Eindringens und die Geschwindigkeit des Verkehrs hat und die Muskulatur des Beckenbodens und des Schließmuskels am besten entspannt werden kann.
- Löffelchen – der empfangende Partner liegt vorn (innerer Löffel), der penetrierende Partner liegt hinten (äußerer Löffel)
- Reiterstellung – der empfangende Partner sitzt oben; dafür notwendig ist eine gute Beinmuskulatur, um Geschwindigkeit und Eindringtiefe gut steuern zu können
- Doggy – der empfangende Partner ist auf allen vieren; die Penetration erfolgt von hinten; diese Stellung soll am häufigsten zu Schmerzen führen, weil die Tiefe des Eindringens und die Geschwindigkeit vom aktiven Partner abhängt und der empfangende Partner dies relativ schlecht steuern kann
- Missionarsstellung – der empfangende Partner liegt unten und kann relativ schlecht nach hinten oder seitlich ausweichen; andererseits kann die Muskulatur mit am besten entspannt werden, sodass bei einem eingespielten Team für beide Partner ein genussvoller Akt möglich ist
Was sagt die Literatur zu Analverkehr?
Insgesamt gibt es nur wenige wissenschaftliche Daten zum Sexualverhalten insgesamt und noch weniger zum Analverkehr. Zur Anregung seien hier einige wenige Aspekte genannt.
Für Deutschland beziehen sich die Daten meist auf spezifische Subgruppen, z. B. homosexuelle Männer, Jugendliche oder Studenten [8]. In einer bundesweiten Erhebung wurden 2.524 Personen befragt, davon waren 45 % männlich und 55 % weiblich. Von ihnen haben 4 % der Männer und 17 % der Frauen mindestens einmal rezeptiven Analverkehr (= passiver Analverkehr, d. h. Aufnahme des Penis im After) gehabt. 19 % der Männer gaben aktiven, insertierenden Analverkehr an.
Interessant ist, dass junge Frauen und Männer häufig bereit sind, Analsex auszuprobieren, weil es heute offensichtlich dazu gehört, auch durch Pornographie angestoßen, obwohl sie davon ausgehen, dass es schmerzhaft, schmutzig und gesellschaftlich negativ besetzt ist [9, 10].
Ein wesentlicher Faktor, dass Frauen insertiven Analverkehr zustimmen, ist das Vertrauen in den Partner oder die Partnerin, mit dem Wissen, dass sie auf ihre Wünsche und die Empfindungen eingehen [6, 10].
Dennoch sind Schmerzen beim Analverkehr nicht ungewöhnlich, wenn auch häufig nicht (s. o.) darüber gesprochen wird. In einer US-amerikanischen Studie gaben 72 % der Frauen und 15 % der Männer Schmerzen beim Analverkehr an. Frauen waren davon häufiger und stärker als Männer betroffen [7].
Ausführliche und eindrücklich stellt die neuseeländische Psychologin der Universität Auckland, Maria João Faustino den Tabuwechsel heterosexuellen Analverkehrs in den Medien dar: “It’s Time to Ease Your Fears – and Your Sphincter”: Gender and Power in Contemporary Media Discourses of Heterosexual Anal Sex (übersetzt heißt das: "Es ist Zeit, deine Ängste zu lindern – und deinen Schließmuskel: Geschlecht und Macht zeitgenössischer Mediendiskussionen von heterosexuellem Analsex") [11]. In diesem Artikel wird mit mehr als 100 Bezügen zu Frauen- und Männerzeitschriften, Plattformen, Filmen, öffentlichen Diskussionen und anderen Medien die breite Facette sämtlicher Aspekte des heterosexuellen Analverkehrs, auch in der Entwicklung, mit dem heutigen Aspekt der entstehenden oder schon entstandenen? Normalität dargestellt. Der Artikel geht auf Geschlechter- und Machtverhältnisse, Ängste und Tabus, sexuelle Befreiung, kulturelle Normen und Entwicklungen in der Zukunft unter dem Gesichtspunkt des Analsexes ein.
Analsex ist nicht oder nicht mehr gleichzusetzen mit penetrierendem Analverkehr. Ein wichtiger, erst in jüngerer Zeit näher untersuchter Aspekt ist, dass Analsex nicht automatisch gleichzusetzen ist mit penetrierendem Analverkehr, wie dies bei homosexuellen Partnern meist zutrifft. Allerdings sind die Hinweise von nicht-koitalen Sexualpraktiken in den Medienberichten, wie auch in der wissenschaftlichen Literatur, noch unterrepräsentiert, obwohl sie häufig als vorbereitende Schritte in Richtung „Full Anal“ diskutiert werden. Gemeint sind Anilingus (Rimming), spezielle Sexspielzeuge und bisher in der Medienlandschaft noch nicht oder kaum diskutierte unterschiedliche sexuell lustspendende anale und perianale Techniken. Letztere haben zu neuen Begrifflichkeiten geführt: "Anal Surfacing", "Anal Shallowing" und "Anal Pairing“. Zu diesen Aspekten gibt es erste Literaturhinweise.
Anilingus (Afterlecken, Oroanalkontakt, Rimming, Rim-Job, Zungenanal (ZA))
Oroanale Sexualpraktiken haben in den vergangenen Jahren stark an Häufigkeit zugenommen. Während die Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) von Rimming in einer australischen Studie bei einer Befragung von mehr als 2.000 Männern und Frauen aus dem Jahr 2014 bei Männern 7 % und 4 % bei Frauen betrug [12], stieg sie in einer ebenfalls aus Australien stammenden Studie im Jahr 2021 auf 20 % an. In den letzten drei Monaten hatten 27 % der Frauen und 13 % der Männer Anilingus-Kontakt. Männer führten häufiger Rimming durch (26 % Männer versus 9 % Frauen) [13]. Bei homo- oder bisexuellen Männern betrug, ebenfalls in einer australischen Umfrage, die Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen) 38 % [14].
Neue Analberührungstechniken – "Anal Surfacing", "Anal Shallowing" und "Anal Pairing"
Eine Online-Studie aus der amerikanischen Indiana University aus dem Jahre 2021, die an > 3.000 heterosexuellen, lesbischen und bisexuellen Amerikanerinnen durchgeführt wurde, hat nach Erfahrungen und Empfindungen bei sexuellen Berührungen im Analbereich gefragt und dabei Neuland betreten, da nicht nach Analverkehr gefragt wurde, sondern nach dem perianalen Lustempfinden. Es fanden sich drei Kategorien unterschiedlicher analer Berührungstechniken, die bisher in dieser Form noch nicht benannt waren [15]:
- „Anal Surfacing“ (Berührung am und auf dem Anus, aber nicht drin)
- „Anal Shallowing“ (Berührung innerhalb des Anus, aber nicht tiefer als eine Fingerspitze oder ein Fingerknöchel)
- „Anal Pairing“ (eine Kombination aus Berührung am oder im Anus, die gleichzeitig mit anderen Arten sexueller Berührung wie vaginaler Penetration oder Berührungen der Klitoris erfolgen)
40 % der Frauen empfanden „Anal Surfacing“, die sexuellen Berührungen mit dem eigenen Finger oder mit dem des Partners, dem Penis oder einem Sexspielzeug am und um den Anus als angenehm. Ungefähr 35 % der Frauen haben Freude an der Anwendung von „Anal Shallowing“, der Berührung mit dem eigenen Finger, oder dem des Partners, des Penis oder einem Sexspielzeug direkt in der Analöffnung. 40 % der Frauen hatten den höchsten sexuellen Genuss durch „Anal Pairing“, der Berührungen am oder im Anus, die gleichzeitig mit anderen Arten sexueller Berührung wie vaginaler Penetration oder Berührungen der Klitoris erfolgen.
Bei den Fragen, was die analen Berührungstechniken für einen besonderen Reiz ausmachen, wurde häufig geantwortet:
- Ich kann allein durch anale Berührung/Stimulation einen Orgasmus bekommen.
- Es kann dazu führen, dass sich meine Orgasmen intensiver anfühlen.
- Es ist ein einzigartiges Gefühl.
- Das Gefühl, dass Analspiele tabu sind, bereitet mir einen Nervenkitzel.
- Es fühlt sich zutiefst intim und emotional an.
- Es fühlt sich voller und größer an als andere Arten sexuellen Vergnügens.
Für viele ist es auch das langsame Herantasten an den Analverkehr.
Fazit
Analverkehr ist trotz zunehmender Akzeptanz noch immer ein kontrovers diskutiertes und tabuisiertes Thema. Studien und Pressemitteilungen renommierter Verlage deuten darauf hin, dass die Häufigkeit von Analsex in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen hat, was auf veränderte Einstellungen und Normen der Gesellschaft hinweist. Die Vorbereitung auf den Analverkehr spielt eine entscheidende Rolle, angefangen von der Lust beider Partner, ein behutsames Vorgehen, bis hin zur Hygiene, um Gefahren wie Infektionen, Verletzungen und Schmerzen zu vermeiden. Jüngere Mitteilungen weisen darauf hin, dass sich Analsex zunehmend nicht nur auf penetrierenden Analverkehr bezieht, sondern auch andere Formen analer Stimulation, wie Anilingus und anale bzw. perianale Berührungstechniken wie "Anal Surfacing", "Anal Shallowing" und "Anal Pairing" umfasst. Immer häufiger scheinen diese Formen lustspendender sexueller Berührungen die Türöffner für „Full Anal“ zu sein.
Autoren: Prof. Dr. med. G. Grospietsch, Dr. med. W. G. Gehring
Literatur
- Analverkehr. Wikipedia. https://de.wikipedia.org/wiki/Analverkehr
- Mercer C, Tanton C, Prah P et al.: Changes in sexual attitudes and lifestyles in Britain through the life course and over time: findings from the National Surveys of Sexual Attitudes and Lifestyles (Natsal). Lancet. 2013 Nov 30;382(9907):1781-94. doi: 10.1016/S0140-6736(13)62035-8.
- Lilli.ch
- Zeit online: Podcast: ist das normal/Analverkehr: Analsex-enger, also besser? https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2019-05/analverkehr-sexualitaet-praktiken-erregung-paar
- Zeit online: Podcast: ist das normal/Analverkehr: Analsex, der Freude bereitet. https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2019-05/analverkehr-analsex-sexualitaet-praktiken-erregung
- Reynolds GC, Fisher DG, Rogola B: Why Women Engage in Anal Intercourse: Results from a Qualitative Study. Arch Sex Behav. 2015;44(4):983-995. doi: 10.1007/s10508-014-0367-2
- Herbenick D, Schick V, Sanders SA, Reece M, Fortenberry JD: Pain experienced during vaginal and anal intercourse with other-sex partners: Findings from a nationally representative probability study in the United States. J Sex Med 2015;Apr;12(4):1040-51. doi.org/10.1111/jsm.12841
- Haversath J, Gärttner KM, Kliem S, Vasterling I, Strauss B, Kröger C: Sexual behavior in Germany – results of a representative survey. Dtsch Arztebl Int. 2017 Aug 21;114(33-34):545-550. doi: 10.3238/arztebl.2017.0545.
- Marston C, Lewis R: Anal heterosex among young people and implications for health promotion: a qualitative study in the UK. BMJ Open. 2014 Jul 18;4(8):e004996. doi: 10.1136/bmjopen-2014-004996.
- Benson LS, Gilmore K, Micks EA, McCoy E, Prager SW: Perceptions of Anal Intercourse Among Heterosexual Women: A Pilot Qualitative Study. Sex Med. 2019 Jun;7(2):198-206. doi: 10.1016/j.esxm.2018.12.003.
- Faustino MJ: Gender and Power in Contemporary Media Discourses of Heterosexual Anal Sex. Gender Issues Published online: 24 January 2020. https://doi.org/10.1007/s12147-020-09250-7
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- Hensel DJ, von Hippel CD et al.: Women's techniques for pleasure from anal touch: Hensel 2022 Results from a U.S. probability sample of women ages 18-93. PLoS One. 2022 Jun 29;17(6):e0268785. doi: 10.1371/journal.pone.0268785.