Sexualität im Alter

Mann und Frau erfahren im Laufe des Alterns, mit Schwerpunkt ab der Andro- bzw. Menopause (ab ca. 48. Lebensjahr) Veränderungen ihrer Sexualität. Diese betreffen zumeist die Libido (sexuelle Verlangen) sowie sexuelle Funktionen.

Männer

Bei Männern kommt es in der Regel um das 50. Lebensjahr zu einem Abfall der sexuellen Libido. Dieser kann jedoch je nach Individuum durch einen äußerst langsamen, fast schleichenden Verlauf gekennzeichnet sein, sodass die Beeinträchtigungen praktisch kaum wahrzunehmen sind.

Unabhängig vom Abfall der Libido ist eine Zunahme der erektilen Dysfunktion (ED; Erektionsstörungen) gegeben. Weisen 45-59-jährige Männern zu 8 % eine moderate bzw. zu 3 % eine komplette Impotenz auf, so steigt diese Prozentzahl im Alterungsprozess zunehmend an. Bei den 60-74-jährigen sind bereits 23 % moderat sowie 16 % vollständig impotent. Ab dem Alter von 75 Jahren weisen ca. 38 % eine moderate und ca. 20 % eine vollständige Impotenz auf [1].

Faktoren, die das Risiko einer erektilen Dysfunktion erhöhen, sind neben dem Prozess der Andropause Atherosklerose (Arterienverkalkung), Adipositas (Übergewicht), Diabetes mellitus, Lebererkrankungen und Hypercholesterinämie (Fettstoffwechselstörung, die durch einen erhöhten Cholesterinspiegel im Blut gekennzeichnet ist). Diese benannten Erkrankungen werden mit zunehmendem Alter häufiger.

Für die Prävention der erektilen Dysfunktion spielt vor allem die Ernährung eine wichtige Rolle: Auf eine hohe Kohlenhydratzufuhr – insbesondere Monosaccharide und Disaccharide (Einfach-und Zweifachzucker) – sollte verzichtet werden, um einer Atherosklerose vorzubeugen. Zahlreiche Studien konnten bereits bestätigen, dass der Konsum pflanzlicher Flavonoide positive Auswirkungen auf die erektile Funktion unabhängig von der Altersgruppe hat. Eine 50 mg tägliche Zufuhr von Flavonoiden erniedrigt das Risiko einer erektilen Dysfunktion bzw. Impotenz um 32 % [2, 3].

Frau

Der ab der Menopause (Zeitpunkt der letzten Regelblutung) stattfindende hormonell bedingte Östrogenabfall wirkt sich in den meisten Fällen negativ auf die Libido aus. Die sexuelle Erregbarkeit sowie Sensitivität auf Berührungen nehmen ab. Etwa 68 % bis 86,5 % der postmenopausalen Frauen haben eine sexuelle Dysfunktion [4]. Diese Dysfunktion umfasst Schmerzen während des Geschlechtsverkehrs, Orgasmusstörungen, Abnahme der Lubrikation (Scheidenbefeuchtung) sowie schmerzhafte Spasmen der Scheidenmuskulatur.

Diese Störungen der sexuellen Funktionen können sich im Sinne eines Circulus vitiosus verstärken, da häufig Stimmungsabfälle und partnerschaftliche Probleme eintreten. Auch sind die mit der Menopause häufig einhergehenden Beschwerden wie Hitzewallungen, Zunahme von Stress und häufigen Durchschlafstörungen Faktoren, die das Sexualleben negativ beeinflussen können. 

Faktoren, die das Risiko von Orgasmusstörungen erhöhen, sind u. a. psychische Konflikte, Depression und Diabetes mellitus.

Mann und Frau

Studien zeigen ebenfalls, dass bis zu 80 % der 50- bis 80-jährigen weiterhin Formen von sexueller Befriedigung mit ihrem Partner haben [4]. Dies zeigt, dass im Rahmen des Alterns sowohl beim Mann als auch bei der Frau die Zunahme sexueller Funktionsstörungen höher ist als die Abnahme des sexuellen Verlangens an sich sind. Dieses steht im Gegensatz zum bekannten Mythos, dass Alter und sexuelle Unlust Hand in Hand gehen würden.

Eine deutsche Studie belegt, dass Sex um die 60 heute wichtiger als früher ist: Im Vergleich zu 55- bis 65-Jährigen, die Anfang der 1990er-Jahre befragt wurden, berichteten Gleichaltrige 20 Jahre später, dass Sexualität für sie wichtiger sei. Die Erstautorin der Studie, Karolina Kolodziejczak kommentierte dieses wie folgt:  „Unter anderem vermuten wir, dass gesellschaftliche Bewegungen, wie die sogenannte "sexuelle Revolution" der 60-70er Jahre, die Einstellungen zur Sexualität weitreichend verändert haben. Auch die feministischen Bewegungen seit dieser Zeit mögen das Bild von weiblicher Sexualität in der Hinsicht geprägt haben, dass alleinstehende Frauen ihre Sexualität heute freier und ungezwungener ausleben und genießen können [5].“ 

Letztlich ist die Libido im Alter höchst individuell und kann nicht nur abnehmen, sondern auch zunehmen.  

Tatsächlich bleibt der Mensch aber bis zu seinem Tod ein sexuelles Wesen.

Autoren: Prof. Dr. med. G. Grospietsch, Dr. med. W. G. Gehring

Literatur

  1. Leventhal J et al.: Management of Libido Problems in Menopause. Perm J. 2000 Summer; 4(3): 29-34.
  2. Mykoniatis I et al.: Sexual Dysfunction Among Young Men: Overview of Dietary Components Associated With Erectile Dysfunction. J Sex Med. 2018 Feb;15(2):176-182. doi: 10.1016/j.jsxm.2017.12.008. Epub 2018 Jan 8.
  3. Cassidy A et al.: Dietary flavonoid intake and incidence of erectile dysfunction. Am J Clin Nutr. 2016 Feb; 103(2): 534-541. Published online 2016 Jan 13. doi: 10.3945/ajcn.115.122010
  4. Ambler D et al.: Sexual Function in Elderly Women: A Review of Current Literature. Rev Obstet Gynecol. 2012; 5(1): 16-27.
  5. Kolodziejczak K et al.: Perceived importance and enjoyment of sexuality in late midlife: Cohort differences in the Longitudinal Aging Study Amsterdam (LASA). Sexuality Research and Social Policy. Advance online publication. Published 11. September 2020 doi:10.1007/s13178-020-00486-2 https://link.springer.com/article/10.1007/s13178-020-00486-2