Hormone im Krafttraining: Wie Testosteron, Cortisol und andere Hormone den Trainingserfolg beeinflussen
Hormone steuern, wie der Körper auf Krafttraining reagiert: Sie beeinflussen Muskelaufbau, Regeneration, Energiebereitstellung und Stress. Entscheidend ist jedoch nicht eine einzelne „Hormonspitze“ nach dem Training, sondern die Gesamtheit von Trainingsplan, Ernährung, Schlaf und Erholung. Akute Hormonanstiege (z. B. Testosteron oder Wachstumshormon direkt nach einer Einheit) sagen allein wenig darüber aus, wie viel Muskelmasse tatsächlich aufgebaut wird [1-4].
Die wichtigsten Hormone – kurz erklärt
- Testosteron (anabol/aufbauend): Fördert Proteinsynthese, hilft beim Aufbau und Erhalt von Muskelmasse. Akute Spitzen nach einer Einheit sind nicht automatisch mit mehr Muskelwachstum verbunden; Muskelzuwächse sind auch ohne dauerhaft höhere Ruhewerte möglich [1-4].
- Cortisol (katabol/abbauend): Stresshormon, das bei hoher Trainings- oder Alltagsbelastung steigt. Es fördert kurzfristig die Energiegewinnung, langfristig kann es bei chronischer Erhöhung Muskelabbau und Müdigkeit begünstigen [1, 3].
- Wachstumshormon und IGF-1 (Insulin-like growth factor 1): Unterstützen Gewebeaufbau und Regeneration, akute Anstiege treten nach intensivem Training auf, zeigen aber keine direkte Beziehung zur Hypertrophie [1.3].
- Insulin: Fördert die Aufnahme von Glucose (Monosaccharid/Einfachzucker/Traubenzucker) und Aminosäuren in die Muskelzelle – entscheidend für Regeneration und Muskelwachstum [1].
Was sagen Studien?
- Akute Peaks ≠ mehr Muskelzuwachs: Zahlreiche Studien zeigen, dass kurzfristige Anstiege von Testosteron oder Wachstumshormon nach dem Training nicht zuverlässig mit mehr Muskelmasse oder Kraftzuwachs verbunden sind [1-3].
- Last ist nicht alles: Sowohl schweres (z. B. 6-8 Wdh.) als auch leichteres (z. B. 15-20 Wdh.) Training kann zu ähnlicher Hypertrophie (Muskelzuwachs) führen – solange bis nahe ans Muskelversagen trainiert wird [4, 5].
- Langfristig entscheidend: Konstante Reize, ausreichende Erholung und progressive Belastungssteigerung sind wichtiger als einzelne Hormonspitzen [1, 5].
Praxistipps für eine gute Hormonbalance
1) Trainingsgestaltung
- 2-4 Einheiten pro Woche mit Grundübungen (Kniebeugen, Kreuzheben, Bankdrücken, Klimmzüge)
- Hypertrophie-Bereich: 6-20 Wiederholungen, Pausen 1-3 Minuten, pro Muskel 10-20 Sätze pro Woche
- Regelmäßige Deload-Wochen (Reduktion der Intensität um 30-50 %) beugen hormonellem Stress vor.
2) Erholung und Schlaf
- 7-9 Stunden Schlaf pro Nacht; Schlafmangel senkt Testosteron und erhöht Cortisol.
- Passive Regeneration (z. B. Spaziergänge, Mobilitätstraining) reduziert Stressreaktionen.
3) Ernährung
- Proteine: 1,6-2,2 g/kg Körpergewicht pro Tag
- Kohlenhydrate: ausreichend für Glykogenauffüllung (besonders nach Training)
- Mikronährstoffe: Zink, Vitamin D und Magnesium sind indirekt wichtig für den Hormonstoffwechsel [7].
4) Frühwarnzeichen für hormonelle Dysbalance
- Sinkende Leistung, Müdigkeit, Schlafstörungen oder Libidoverlust können auf zu hohe Belastung hindeuten.
- Erhöhte Cortisolwerte oder niedriger Testosteronspiegel sollten im Zusammenhang mit Lebensstil und Training bewertet werden – nicht isoliert.
Häufige Missverständnisse
- „Je höher der Testosteron-Peak, desto mehr Muskeln“ – falsch: Es zählt die Gesamtsumme aus Reiz, Ernährung und Erholung.
- „Cortisol ist immer schlecht“ – nein: Kurzfristig nötig zur Energiebereitstellung, problematisch nur bei dauerhaftem Stress.
- „Nur schweres Training wirkt“ – ebenfalls falsch: Entscheidend ist die Auslastung (nahe am Muskelversagen) [4-6].
Fazit
Hormone beeinflussen Training und Regeneration, aber sie sind keine Steuerinstrumente für den Erfolg. Entscheidend bleibt das Zusammenspiel aus intelligentem Trainingsplan, ausreichender Regeneration, ausgewogener Ernährung und konstantem Training. Wer diese Faktoren beachtet, schafft die beste Grundlage für eine gesunde hormonelle Balance und nachhaltige Fortschritte [1-6].
Literatur
- Van Every DW, D’Souza AC, Phillips SM: Hormones, Hypertrophy, and Hype: An Evidence-Guided Primer on Endogenous Endocrine Influences on Exercise-Induced Muscle Hypertrophy. Exerc Sport Sci Rev. 2024;52(4):117- 125. doi: 10.1249/JES.0000000000000346.
- Kraemer WJ, Ratamess NA: Hormonal responses and adaptations to resistance exercise and training. Sports Med. 2005;35(4):339-361. doi: 10.2165/00007256-200535040-00004.
- West DW, Phillips SM: Associations of exercise-induced hormone profiles and gains in strength and hypertrophy in a large cohort after weight training. Eur J Appl Physiol. 2012;112(7):2693-2702. doi: 10.1007/s00421-011-2246-z.
- West DW et al.: Elevations in ostensibly anabolic hormones with resistance exercise enhance neither training-induced muscle hypertrophy nor strength of the elbow flexors. J Appl Physiol. 2010;108(1):60-67. doi: 10.1152/japplphysiol.01147.2009.
- Mitchell CJ et al.: Resistance exercise load does not determine training-mediated hypertrophic gains in young men. J Appl Physiol. 2012;113(1):71-77. doi: 10.1152/japplphysiol.00307.2012.
- Gharahdaghi N et al.: Links Between Testosterone, Oestrogen, and the GH/IGF-1 Axis and Resistance Exercise Muscle Adaptations. Front Physiol. 2021;11:621226. doi: 10.3389/fphys.2020.621226.