Isometrisches Training: Wissenschaftlich belegte Trainingsmethode zur Blutdrucksenkung
Isometrisches Training, auch statisches Krafttraining genannt, ist eine Trainingsform, bei der die Muskeln angespannt werden, ohne dass sich die Gelenke bewegen. Dabei bleibt die Muskellänge konstant, während eine Spannung aufgebaut und über einen bestimmten Zeitraum – meist zwischen 10 und 60 Sekunden, in manchen Fällen auch bis zu 90 oder 120 Sekunden – gehalten wird.
Diese Trainingsform wird häufig im Sport eingesetzt, um gelenkschonend die Muskelkraft zu verbessern und die Muskulatur gezielt zu aktivieren. Eine aktuelle Metaanalyse im British Journal of Sports Medicine zeigt nun, dass isometrisches Training auch eine wirksame Maßnahme zur Senkung des Blutdrucks darstellen kann [1].
Wissenschaftlicher Hintergrund
Die umfassende Analyse schloss 270 randomisierte, kontrollierte Studien aus den Jahren 1990 bis 2023 ein, die verschiedene Trainingsformen mit einer Mindestdauer von zwei Wochen untersuchten. Insgesamt wurden 15.827 Teilnehmende erfasst. Ziel war es, den Effekt unterschiedlicher Bewegungsformen auf den systolischen (SBD) und diastolischen Blutdruck (DBD) zu vergleichen.
Neben dem isometrischen Training wurden auch aerobes Training, dynamisches Widerstandstraining, kombiniertes Training und hochintensives Intervalltraining (HIIT) untersucht.
Ergebnisse der Metaanalyse
Alle Bewegungsformen zeigten eine signifikante Blutdrucksenkung. Besonders auffällig war jedoch die Effektivität des isometrischen Trainings. Die Autoren ordneten die Wirksamkeit der Trainingsformen anhand der sogenannten SUCRA-Werte (Surface under the cumulative ranking curve), einem statistischen Vergleichsmaß, wie folgt ein:
- Isometrisches Training: SUCRA 98,3 %
- Kombiniertes Training: SUCRA 75,7 %
- Dynamisches Widerstandstraining: SUCRA 46,1 %
- Aerobes Training: SUCRA 40,5 %
- Hochintensives Intervalltraining (HIIT): SUCRA 39,4 %
Die gemessene mittlere Blutdrucksenkung betrug:
- Isometrisches Training: −8,24 mmHg systolisch / −4,00 mmHg diastolisch
- Kombiniertes Training: −6,04 / −2,54 mmHg
- Dynamisches Widerstandstraining: −4,55 / −3,04 mmHg
- Aerobes Training: −4,49 / −2,53 mmHg
- HIIT: −4,08 / −2,50 mmHg
Damit zeigte das isometrische Training die größte blutdrucksenkende Wirkung – sowohl im systolischen als auch im diastolischen Bereich. Diese Werte sind klinisch bedeutsam, da bereits eine Reduktion des systolischen Blutdrucks um 5 mmHg das Risiko für Apoplex (Schlaganfall) und Herz-Kreislauf-Erkrankungen signifikant senken kann [2].
Mögliche Mechanismen der Blutdrucksenkung
Die genaue Wirkweise des isometrischen Trainings auf den Blutdruck ist noch nicht vollständig geklärt. Diskutiert werden:
- Verbesserung der Gefäßelastizität: Isometrische Kontraktionen fördern die Endothelfunktion (Gefäßinnenwandfunktion) und steigern die Freisetzung von Stickstoffmonoxid (NO), was die Gefäße erweitert.
- Optimierung der autonomen Regulation: Durch regelmäßiges statisches Training kann die Aktivität des sympathischen Nervensystems reduziert und die Herzfrequenzvariabilität verbessert werden.
- Verbesserung der muskulären Sauerstoffaufnahme: Eine effizientere Durchblutung der arbeitenden Muskulatur entlastet das Herz-Kreislauf-System.
Beispiele für isometrische Übungen
Isometrische Übungen sind einfach durchzuführen, erfordern keine Geräte und lassen sich leicht in den Alltag integrieren. Wichtig ist, gleichmäßig zu atmen und die Spannung kontrolliert zu halten.
- Unterarmstütz (Plank): In Bauchlage auf Unterarmen und Zehen abstützen, Körper bildet eine gerade Linie. Spannung 20-60 Sekunden halten.
- Wandstütz („Wall Sit“): Rücken flach an die Wand lehnen, Knie im rechten Winkel. Position 30-120 Sekunden halten.
- Beinpressen gegen die Wand: Im Sitzen oder Liegen die Füße gegen eine Wand drücken, Spannung 15-45 Sekunden halten.
- Bizeps-Halten: Arm im 90°-Winkel mit Gewicht oder Wasserflasche halten, Spannung 20-60 Sekunden halten.
- Schulterdrücken gegen Wand: Seitlich zur Wand stehen und mit der Handfläche dagegen drücken, 20-60 Sekunden pro Seite.
- Bauchkontraktion: Rückenlage, Kopf leicht anheben, Bauch anspannen und ggf. Beine wenige Zentimeter über den Boden anheben, 20-60 Sekunden halten.
Praktische Hinweise
- Regelmäßig atmen – kein Atemanhalten, um Druckspitzen zu vermeiden.
- Isometrisches Training 2- bis 4-mal pro Woche in den Trainingsplan integrieren.
- Besonders geeignet für Personen mit Gelenkproblemen oder eingeschränkter Beweglichkeit.
- Blutdruckpatienten sollten vor Trainingsbeginn ärztlichen Rat einholen.
Fazit
Isometrisches Training ist eine evidenzbasierte, effektive und gelenkschonende Methode, um den Blutdruck zu senken und gleichzeitig Muskelkraft und Körperstabilität zu verbessern. Es kann als eigenständige Trainingsform oder ergänzend zu anderen Bewegungsprogrammen eingesetzt werden – insbesondere bei Personen mit Hypertonie oder erhöhtem kardiovaskulärem Risiko.
Literatur
- Edwards JJ, Deenmamode AHP, Griffiths M, Arnold O, Cooper NJ, Wiles JD, O'Driscoll JM: Exercise training and resting blood pressure: a large-scale pairwise and network meta-analysis of randomised controlled trials. Br J Sports Med. 2023;57(10):625-634. doi: 10.1136/bjsports-2022-106503.
- Cornelissen VA, Smart NA. Exercise training for blood pressure: a systematic review and meta-analysis. J Am Heart Assoc. 2013;2(1):e004473. doi: 10.1161/JAHA.112.004473.