Nervenultraschall (Nervensonographie)
Die hochfrequente Nervensonographie (auch Nervenultraschall oder hochauflösende Neurosonographie genannt) ist ein dynamisches, nicht-invasives bildgebendes Verfahren zur morphologischen und funktionellen Beurteilung peripherer Nerven (Arm-, Bein- oder Rumpfnerven). Mit Schallköpfen ≥ 15 MHz können Nervenfaszikel (Nervenbündel), Umgebungsstrukturen und pathologische Veränderungen mit hoher räumlicher Auflösung dargestellt werden. Die Methode ergänzt die elektrophysiologische Diagnostik (ENG, EMG) und spielt eine zunehmende Rolle bei der Diagnostik fokaler Neuropathien (Nervenschädigungen), der Differenzierung struktureller Läsionen (Gewebeveränderungen) und der Verlaufskontrolle nach Interventionen (Behandlungen).
Synonyme
- Hochfrequenzsonographie peripherer Nerven
- Nervenultraschall
- Nervensonographie
- Sonographische Nervenbildgebung
Beurteilbare Strukturen
- Periphere Nerven (z. B. N. medianus, N. ulnaris, N. radialis, N. tibialis, N. fibularis)
- Plexusstrukturen (z. B. Plexus brachialis, Nervengeflechte des Arms)
- Nervenfaszikel und Epineurium (äußere Hülle des Nervs)
- Pathologische Kompressionen oder Raumforderungen (z. B. Ganglien, Zysten, Tumoren)
- Weichteilgewebe, Knochenkontakte, vaskuläre Begleitstrukturen (Blutgefäße in der Nähe)
- Verlauf von Nervenverlagerungen oder -narben
- Veränderungen bei entzündlichen, traumatischen oder tumorösen Läsionen
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Diagnostik fokaler peripherer Nervenkompressionssyndrome (z. B. Engstellen)
- z. B. Karpaltunnelsyndrom, Sulcus-ulnaris-Syndrom, Tarsaltunnelsyndrom
- Abklärung peripherer Nervenverletzungen nach Trauma (Unfall)
- Verlaufskontrolle nach chirurgischen oder interventionellen Eingriffen (z. B. Operationen)
- Differenzierung unklarer Raumforderungen entlang peripherer Nerven
- Diagnostik hereditärer oder inflammatorischer Neuropathien (erbliche oder entzündliche Nervenerkrankungen)
- Darstellung peripherer Nerven vor operativen Eingriffen („Mapping“)
- Abgrenzung neurogener versus mechanischer Ursachen bei motorischen Defiziten (Muskelschwäche)
- Infiltrationen durch Tumoren oder paraneoplastische Prozesse (Begleiterscheinungen bei Krebserkrankungen)
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
- Keine absoluten Kontraindikationen
- Relative Kontraindikationen bei:
- Offene Wunden im Schallbereich
- Ausgeprägten Weichteilschwellungen oder postoperativen Hämatomen (Blutergüssen)
- Starken Schmerzen bei Palpation/Sonographie (Abtasten/Ultraschall)
Vor der Untersuchung
- Anamnese (Befragung zur Krankengeschichte) mit Erhebung neurologischer Symptome und klinischer Fragestellung
- Dokumentation sensibler und motorischer Defizite (Gefühlsstörungen, Muskelschwäche)
- Elektrophysiologische Vorbefunde (ENG/EMG) falls vorhanden
- Bestimmung der zu untersuchenden Nervenregion (z. B. distaler vs. proximaler Verlauf)
- Ggf. Markierung oder Vergleich mit Gegenseite zur Normwertbestimmung
Das Verfahren
Die Nervensonographie erfolgt in Abhängigkeit von der Lokalisation des Zielnervs in Rücken-, Bauch- oder Sitzposition. Es kommen lineare Hochfrequenz-Schallköpfe (15-22 MHz) zur Anwendung, wobei durch Kompressionstechnik, dynamische Bewegungstests und Darstellung in mehreren Ebenen eine genaue anatomische Abgrenzung erfolgt.
Die Nerven erscheinen im Querbild typischerweise als hypoechogene, netzartige Strukturen („Wabenmuster“) mit echoarmen Faszikelbündeln und echoreichem Epineurium.
Zur Beurteilung pathologischer Veränderungen dienen:
- Nervenquerschnittsfläche (Cross-sectional area, CSA; Querschnitt des Nervs)
- Echogenität und Faszikelmuster (Signalverhalten im Ultraschallbild)
- Dynamik bei Gelenkbewegung
- Vaskularisation (Blutversorgung, dargestellt mit Power-Doppler-Sonographie)
Optional kann die Bildgebung durch kontrastverstärkte Ultraschallverfahren (CEUS) oder bildfusionierte Techniken ergänzt werden.
Mögliche Befunde
- Nervenkompressionen: z. B. CSA-Vergrößerung, Hypoechogenität, fehlende Faszikelstruktur
- Posttraumatische Läsionen: z. B. Kontinuitätsunterbrechung, Hämatom, Neurombildung (Narbengeschwulst des Nervs)
- Tumoren und Raumforderungen: z. B. Nervenscheidentumoren (Schwannome, Neurofibrome)
- Entzündliche Neuropathien: z. B. segmentale Schwellung, vermehrte Vaskularisation
- Hereditäre Neuropathien: z. B. generalisierte CSA-Erhöhung (z. B. bei Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung)
- Postoperative Zustände: z. B. Narbenbildung, Nervenverlagerung
Nach der Untersuchung
- Bilddokumentation relevanter Befunde
- Standardisierte Messung der Nervenquerschnittsfläche (Normvergleich)
- Befundbericht mit topographischer und morphologischer Beschreibung
- Gegebenenfalls Empfehlung ergänzender Verfahren (ENG, MRT, Biopsie)
- Verlaufskontrolle bei therapiebedürftigen Veränderungen