Lost Penis Syndrom – Medikamentöse Therapie

Therapieziele

  • Verbesserung der genito-sexuellen Sensibilität (Empfindungsfähigkeit der Geschlechtsorgane) und der subjektiven Penisperzeption (Wahrnehmung des Penis) – Wiedererlangung von Berührungs-, Druck- und Füllungsgefühl am Penis bzw. an der Glans (Eichel).
  • Verbesserung der penilen Perfusion (Durchblutung), Rigidität (Steifigkeit) und Koitusfähigkeit (Geschlechtsverkehrsfähigkeit; Penovaginalfriktion) bei Männern mit begleitender erektiler Dysfunktion (Erektionsstörung).
  • Reduktion begleitender sexueller Funktionsstörungen (z. B. verzögerte Ejakulation (Samenerguss), Anejakulation (Ausbleiben des Samenergusses), Anorgasmie (fehlender Orgasmus), Orgasmusschwäche).
  • Linderung psychischer Sekundärfolgen (seelischer Begleitfolgen) wie Angst, Hyperfokus auf genitale Wahrnehmung, sexuelle Verunsicherung und partnerschaftliche Belastung.
  • Bei Frauen: Verbesserung von vaginaler Lubrikation (Befeuchtung), Trophik (Gewebsaufbau) und elastischer Spannung des Vaginalkanals (Hiatusweite, „Ballooning“), um die genitale Reibungswahrnehmung während des Koitus (Geschlechtsverkehrs) für beide Partner zu erhöhen.

Hinweis: Das Lost Penis Syndrom (LPS) wird als eigenständige Entität (eigenes Krankheitsbild) der Sexualmedizin verstanden: subjektiver Verlust bzw. deutliche Abschwächung der somatoperzeptiven Empfindung (Körperwahrnehmung) des Penis während vaginaler Penetration (Eindringen), häufig kombiniert mit Erektionsstörungen, verzögerter Ejakulation oder Orgasmusstörung.
Für Frauen existiert kein analog definierter „lost vagina“-Begriff, jedoch werden atrophische/postmenopausale Veränderungen der Vagina (z. B. genitourinäreres Syndrom der Menopause, vulvovaginale Atrophie) als funktionelles Gegenstück diskutiert, weil verminderte vaginale Trophik, Lubrikation und elastische Adaption die Reibungs- und Druckwahrnehmung des Penis reduzieren und somit LPS beim männlichen Partner triggern oder verstärken können.

Männer

Therapieempfehlungen

Evidenzlage: Konzeptuell beschrieben und nosologisch (krankheitssystematisch) eingeordnet durch Colonnello et al. [1]; pharmakologischer Einzelfall mit Duloxetin publiziert [2]. Periphere Perfusionssteigerung (Durchblutungssteigerung) mittels PDE-5-Hemmern ist bei erektiler Dysfunktion belegt und wird beim LPS kontextuell genutzt [3].

Wirkstoffe (Hauptindikation)

  • Duloxetin (SNRI) – zentral-neuromodulatorisch; Einzelfall mit Sensibilitäts-/Sexualfunktions-Besserung bei LPS [2].
  • PDE-5-Hemmer (z. B. Tadalafil, Sildenafil): Verbesserung der genitalen Perfusion/erektilen Funktion (integrierte Analyse aus 6 RCTs) [3].
  • Testosteron-Substitution (bei gesichertem Hypogonadismus (Testosteronmangel)): Steigert Libido (sexuelles Verlangen)/Antrieb; Konzeptbezug im LPS-Review [1].

Hinweise

  • Standard-Kontraindikationen (Gegenanzeigen) berücksichtigen (PDE-5-Hemmer nicht mit Nitraten).
  • Nebenwirkungen siehe jeweilige Fachinformation; für PDE-5-Hemmer Sicherheit in den integrierten Analysen zusammengefasst [3].

Tabellarische Übersicht – Wirkstoffgruppe: Antidepressiva/zentral wirkende Neuromodulatoren

Wirkstoffe Besonderheiten
Duloxetin (Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, SNRI) zentrale Neuromodulation genitaler Sensibilität; anxiolytisch (angstlösend) und antidepressiv (stimmungsaufhellend); Besserung der genitalen Wahrnehmung und Sexualfunktion bei LPS [2]
  • Wirkweise:
    • Modulation (Anpassung) der zentralen Schmerz- und Sensibilitätsverarbeitung.
    • Antidepressiver/anxiolytischer Effekt (stimmungsaufhellend/angstlösend).
  • Indikationen: LPS mit dominierender Sensibilitätsminderung (vermindertes Empfindungsvermögen) und psychischer Belastung.
  • Nebenwirkungen: Übelkeit, Mundtrockenheit, Schwitzen, Schlafstörungen; gelegentlich sexuelle Funktionsstörungen.

Tabellarische Übersicht – Wirkstoffgruppe: PDE-5-Hemmer

Wirkstoffe Besonderheiten
Tadalafil Langwirksamer PDE-5-Hemmer; in integrierter Analyse aus 6 RCTs (n = 1913) signifikante Verbesserung der erektilen Funktion [3]
Sildenafil Kurz wirksam; verbessert penilen (penisbezogenen) Blutfluss und Glansfüllung (Füllung der Eichel) [3]
  • Wirkweise: PDE-5-Blockade → Anstieg von cGMP → verbesserte penilen Perfusion und Rigidität.
  • Indikationen: LPS bei gleichzeitiger erektiler Dysfunktion oder Glans-Insuffizienz-Syndrom (ungenügende Eichelversteifung).
  • Nebenwirkungen: Kopfschmerz, Flush (Gesichtsröte), Dyspepsie (Verdauungsstörung), nasale Kongestion (verstopfte Nase), systemische Hypotonie (niedriger Blutdruck).

Tabellarische Übersicht – Wirkstoffgruppe: Androgene/Substitutionstherapie

Wirkstoffe Besonderheiten
Testosteron (z. B. Gel, i. m.-Depotpräparate (Injektionspräparate in den Muskel)) Verbesserung von Libido (sexuelles Verlangen) und sexueller Initiative; supportive Maßnahme bei Hypogonadismus (Testosteronmangel) [1]
  • Wirkweise: Normalisierung androgener zentralnervöser Sexualmotivation (sexueller Antrieb).
  • Indikationen: Laborchemisch gesicherter Hypogonadismus (Testosteronmangel) mit klinischer Symptomatik.
  • Nebenwirkungen: Polyglobulie (Zunahme roter Blutkörperchen), Akne, Prostatavolumenzunahme (Prostatavergrößerung); PSA-Kontrolle (Tumormarkerüberwachung) empfohlen.
  • Hinweise: Keine Kombination von PDE-5-Hemmern mit Nitraten.

Frauen

Therapieempfehlungen (übersichtsartig):
Bei atrophischer (gewebsbedingter) Symptomatik/Laxität (Gewebelockerung) stehen trophisch-hormonelle Optionen (Gewebsaufbau durch Hormone) im Vordergrund; die Wirksamkeit auf Lubrikation (Befeuchtung)/Sensibilität ist aus GSM/VVA-Studien (genitourinäreres Syndrom der Menopause/vulvovaginale Atrophie) übertragbar [1, 4, 5].

Wirkstoffe (Hauptindikation)

  • Vaginale/systemische Östrogene (z. B. Estriol-Creme, Estradiol-Pflaster/Gel): Trophik (Gewebsaufbau), pH, Perfusion (Durchblutung); konzeptuell empfohlen [1].
  • Ospemifen (SERM): RCT-Daten zeigen signifikante Verbesserung der weiblichen Sexualfunktion (FSFI-Domänen) bei VVA [4].
  • Prasteron (DHEA): RCT zeigt Verbesserung aller FSFI-Domänen und Schmerzreduktion [5].

Hinweise

  • Lokale Östrogene: geringe systemische Resorption (Aufnahme in den Körper), gute Verträglichkeit.
  • SERMs (z. B. Ospemifen): Monitoring (Überwachung) von Endometrium (Gebärmutterschleimhaut) und Thromboserisiko empfohlen.
  • Prasteron: lokale Irritation (Reizung) möglich, systemische Effekte gering.

Autoren: Prof. Dr. med. G. Grospietsch, Dr. med. W. G. Gehring

Literatur

  1. Colonnello E, Limoncin E, Ciocca G et al.: The Lost Penis Syndrome: A New Clinical Entity in Sexual Medicine. Sex Med Rev. 2022; 10(1): 113-129. https://doi.org/10.1016/j.sxmr.2021.08.001
  2. Sönmez D.: Lost penis syndrome treated with duloxetine. Cukurova Med J. 2024; 49(4): 1098-1100. https://doi.org/10.17826/cumj.1416014
  3. Porst H, Gacci M, Büttner H, Henneges C, Boess F.: Tadalafil once daily in men with erectile dysfunction: integrated analysis of six RCTs (n = 1913). Eur Urol. 2014; 65(2): 455-464. https://doi.org/10.1016/j.eururo.2013.09.037
  4. Constantine G, Graham S, Portman DJ, Rosen RC, Kingsberg SA.: Female sexual function improved with ospemifene in postmenopausal women with VVA: randomized, placebo-controlled trial. Climacteric. 2015; 18(2): 226-232. https://doi.org/10.3109/13697137.2014.954996
  5. Labrie F, Derogatis L, Archer DF et al.: Effect of intravaginal prasterone on sexual dysfunction in postmenopausal women with VVA: randomized, double-blind study. J Sex Med. 2015; 12(2): 464-478. https://doi.org/10.1111/jsm.13045