Lost Penis Syndrom – Labordiagnostik

Das Lost Penis Syndrom (LPS) (Verlust des Penisgefühls) beschreibt die subjektive Wahrnehmung eines verminderten oder fehlenden Gefühls während des Geschlechtsverkehrs (Koitus), meist im Kontext einer gestörten penilen Sensibilität (Gefühlswahrnehmung des Penis) oder einer veränderten vaginalen Elastizität (Dehnbarkeit der Scheide). Es handelt sich um ein multifaktorielles Phänomen mit möglichen endokrinen (hormonellen), metabolischen (stoffwechselbedingten), neurogenen (nervenbedingten), vaskulären (gefäßbedingten) und psychogenen (psychisch bedingten) Komponenten.

Laborparameter 1. Ordnung – obligate Laboruntersuchungen

Diese Basisuntersuchungen dienen dem Ausschluss systemischer Erkrankungen (Ganzkörpererkrankungen), endokriner Dysregulationen (Hormonstörungen) oder metabolischer Prozesse (Stoffwechselveränderungen), die das LPS begünstigen oder verstärken können.

  • Kleines Blutbild
    → Erfassung von Anämien (Blutarmut), die die körperliche Leistungsfähigkeit und sexuelle Wahrnehmung beeinträchtigen können.
  • Nüchternglucose
    → Frühscreening einer Glucosestoffwechselstörung (Störung des Zuckerstoffwechsels); relevant zur Erfassung diabetischer Neuropathien (Nervenschäden) mit verminderter Sensibilität der Genitalregion.
  • Schilddrüsenparameter – TSH, fT3, fT4
    → Schilddrüsenfunktionsstörungen (Hypothyreose [Unterfunktion], Hyperthyreose [Überfunktion]) beeinflussen Libido (Sexualtrieb), Ejakulationslatenz (Zeit bis zur Ejakulation), Erregbarkeit und vaginale Lubrikation (Befeuchtung).
  • Elektrolyte – Calcium, Chlorid, Kalium, Magnesium, Natrium, Phosphat
    → Elektrolytstörungen können die neuromuskuläre Reizweiterleitung (Nerven-Muskel-Aktivität) und Sensibilität beeinträchtigen.
  • Leberparameter – Alanin-Aminotransferase (ALT, GPT), Aspartat-Aminotransferase (AST, GOT), Gamma-Glutamyl-Transferase (γ-GT, GGT), alkalische Phosphatase (AP), Bilirubin
    → Hinweise auf metabolische oder toxische Belastungen (z. B. Alkohol, Medikamente) mit Einfluss auf Libido und Hormonmetabolismus (Hormonabbau).
  • Nierenparameter – Harnstoff, Kreatinin –
    → Chronische Niereninsuffizienz (Nierenschwäche) kann mit Libidoverlust, erektiler Dysfunktion (Erektionsstörung), Androgenmangel (Mangel an männlichen Hormonen) und Sensibilitätsstörung assoziiert sein.

Laborparameter 2. Ordnung – in Abhängigkeit von den Ergebnissen der Anamnese (Krankengeschichte), der körperlichen Untersuchung und den obligaten Laborparametern – zur differentialdiagnostischen Abklärung

Männer

  • Testosteron, Sexualhormon-bindendes Globulin (SHBG), freies Testosteron
    → Hypogonadismus (Hodenunterfunktion) mit Libidoverlust, verminderter Erektionsqualität und reduzierter sexueller Wahrnehmungsintensität.
  • Luteinisierendes Hormon (LH), Follikelstimulierendes Hormon (FSH)
    → Differenzierung primärer (testikulärer [hodenbedingter]) vs. sekundärer (hypophysärer/hypothalamischer [hirnsteuerungsbedingter]) Androgenmangel.
  • Prolaktin
    → Hyperprolaktinämie (erhöhter Prolaktinspiegel) kann Libido senken, Orgasmusqualität reduzieren und das subjektive Empfinden „ich spüre nichts“ verstärken.
  • HbA1c (zusätzlich zur Nüchternglucose der 1. Ordnung)
    → Objektivierung eines chronischen Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit); relevant wegen diabetischer Neuropathie (Nervenschädigung) mit verminderter peniler Sensibilität (Penisempfindung).
  • Vitamin B12, Folsäure, Vitamin D
    → Ausgeprägte Mangelzustände können sensorische Neuropathien (Nervenschäden) begünstigen und die taktile Rückmeldung (Tastempfindung) aus der Penisschaft-/Glans-Region (Eichelregion) reduzieren.

Frauen

  • Östradiol, FSH, LH
    → Hypoöstrogenie (Östrogenmangel, z. B. in der Menopause [Wechseljahre]) assoziiert mit vaginaler Trockenheit, Atrophie (Gewebsschwund), Elastizitätsverlust und reduzierter sexueller Wahrnehmung.
  • Testosteron, DHEA-S
    → Androgenmangel (Mangel an männlichen Hormonen) mit trophischen Veränderungen (Gewebsrückbildung) im Genitaltrakt und eingeschränkter vaginaler Spannkraft.
  • Progesteron, Prolaktin
    → Zyklusabhängige Schwankungen und Hyperprolaktinämie (erhöhter Prolaktinspiegel) können Lubrikation (Befeuchtung) und Erregbarkeit beeinflussen.
  • HbA1c (zusätzlich zur Nüchternglucose der 1. Ordnung)
    → Chronische Hyperglykämie (dauerhaft erhöhter Blutzucker) begünstigt Kollagenumbau (Bindegewebsveränderung), Beckenbodenschwächung und vaginale Laxität (Gewebelockerung).
  • Vitamin B12, Vitamin D
    → Mangelzustände können neuromuskuläre Kontrolle (Zusammenspiel von Nerven und Muskeln) und Gewebstonus (Spannung) im Beckenboden beeinträchtigen.

Interpretation im Kontext des Lost Penis Syndroms (LPS)

Männer

  • Ein erniedrigtes Testosteron oder erhöhter Prolaktinwert weist auf endokrine Ursachen (Hormonstörungen) hin, die erektile Funktion (Erektionsfähigkeit) und Orgasmusfähigkeit mindern und das subjektive Gefühl eines „fehlenden Penisgefühls“ verstärken können.
  • Erhöhte Glucose- oder HbA1c-Werte deuten auf einen gestörten Glucosestoffwechsel (Zuckerstoffwechsel) mit Risiko einer diabetischen Neuropathie (Nervenschädigung) hin.
  • Schilddrüsenfunktionsstörungen (auffällig in TSH, fT3, fT4) können Libido (Sexualtrieb) und Ejakulationslatenz (Zeit bis zur Ejakulation) beeinflussen; eine verzögerte Ejakulation oder reduzierte Stimulation kann als „Verlust des Empfindens“ wahrgenommen werden.
  • Vitamin-B12- oder Folsäuremangel begünstigt sensomotorische Neuropathien (Nervenleitstörungen) mit reduzierter taktiler Rückmeldung (Tastempfindung) aus dem Penisschaft.

Frauen

  • Erniedrigtes Östradiol mit erhöhtem FSH ist vereinbar mit einer hypoöstrogenen Situation (Östrogenmangel, z. B. Menopause [Wechseljahre]) mit vaginaler Trockenheit, Atrophie (Gewebsschwund) und Elastizitätsverlust – mögliche Ursache für eine verringerte Reibung und den Eindruck mangelnder peniler Wahrnehmung.
  • Erhöhter Prolaktinwert oder hormonelle Dysbalancen (Ungleichgewichte) (Progesteron, Androgene) beeinflussen Lubrikation (Befeuchtung) und vaginale Spannung.
  • Erhöhtes HbA1c oder pathologischer Glucosestoffwechsel (Zuckerstoffwechselstörung) führen zu Kollagenumbau (Bindegewebsveränderung) und Beckenbodenschwächung – Risikofaktoren für vaginale Laxität (Gewebelockerung).
  • Vitamin-B12- und Vitamin-D-Mangelzustände mindern Gewebstonus (Gewebespannung) und neuromuskuläre Kontrolle (Nerven-Muskel-Zusammenwirken) im Beckenboden.

Zusammenfassung

Die Labordiagnostik beim Lost Penis Syndrom dient primär der Identifikation endokriner (hormoneller), metabolischer (stoffwechselbedingter) und neurogener (nervenbedingter) Ursachen, die die sexuelle Wahrnehmung und Funktion beeinflussen können.
Ein strukturiertes Vorgehen mit Basislabor (1. Ordnung) und gezielter Hormon- und Stoffwechselanalyse (2. Ordnung) ermöglicht eine differenzierte Abklärung und unterstützt die interdisziplinäre Therapieentscheidung (Andrologie [Männerheilkunde], Endokrinologie [Hormonlehre], Gynäkologie [Frauenheilkunde], Psychosomatik [Wechselwirkung von Psyche und Körper]).

Autoren: Prof. Dr. med. G. Grospietsch, Dr. med. W. G. Gehring

Literatur

  1. Colonnello E, Limoncin E, Ciocca G et al.: The Lost Penis Syndrome: A New Clinical Entity in Sexual Medicine. Sex Med Rev. 2021; 10(4): 1–17. doi:10.1016/j.sxmr.2021.08.001
  2. Debrovner C.: Surgical treatment of sexual dysfunction – The lost penis syndrome. In: Plastic Surgery in the Sexually Handicapped. Berlin, Heidelberg: Springer; 1989. doi:10.1007/978-3-642-73565-3_10