Männergesundheit
Männer sterben im Durchschnitt früher als Frauen, leben ungesünder und gehen seltener zum Arzt.
Männer haben in Deutschland eine im Durchschnitt um rund fünf Jahre geringere Lebenserwartung als Frauen (78,2 vs. 83,0 Jahre) [1]. Gründe dafür sind unter anderem ungünstigere Gesundheitsgewohnheiten wie häufiger Tabak- und Alkoholkonsum, unausgewogene Ernährung und seltenerer Arztbesuch zur Vorsorge.
Nur etwa 40 % der Männer nutzen regelmäßig die gesetzlich angebotenen Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung (Vorsorgeuntersuchungen zur Erkennung von Krebserkrankungen im Frühstadium) [2]. Besonders bei der Früherkennung von Prostatakrebs (bösartige Erkrankung der Vorsteherdrüse) liegt die Teilnahmequote unter 30 %. Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z. B. Herzinfarkt, Schlaganfall) bleiben mit etwa 34 % die häufigste Todesursache bei Männern [3], gefolgt von Krebserkrankungen (bösartige Tumorerkrankungen), die Männer mit 54 % aller Neuerkrankungen häufiger betreffen als Frauen [4].
Diese Unterschiede zeigen, wie wichtig spezielle Gesundheitsangebote für Männer sind – mit klarer Ansprache, einfacher Zugänglichkeit und gezielter Vorsorge.
Nachfolgend werden unter "Genitalsystem des Mannes" Krankheiten beschrieben, die gemäß ICD-10 dieser Kategorie zuzuordnen sind (N40-N51, N62). Der ICD-10 dient der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten sowie verwandter Gesundheitsprobleme (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) und ist weltweit anerkannt.
Genitalsystem des Mannes
Bei den Geschlechtsorganen des Mannes (Organa genitalia masculina) unterscheidet man zwischen primären und sekundären Geschlechtsmerkmalen. Die primären Geschlechtsmerkmale dienen der Fortpflanzung. Die sekundären Geschlechtsmerkmale entwickeln sich in der Pubertät. Sie signalisieren die Geschlechtsreife.
Der Vollständigkeit halber werden nachfolgend auch die sekundären Geschlechtsmerkmale aufgeführt, aber an dieser Stelle nicht weiter vertieft.
Primäre Geschlechtsmerkmale des Mannes
Äußere Geschlechtsorgane
- Penis
- Hodensack (Skrotum)
Innere Geschlechtsorgane
- Hoden (Testis)
- Nebenhoden (Epididymis)
- Samenleiter (Ductus referens)
- Geschlechtsdrüsen
- Samenblase (Vesicula seminalis)
- Prostata (Vorsteherdrüse)
- Cowper-Drüsen
Sekundäre Geschlechtsmerkmale des Mannes
- Männliche Körpererscheinung – breite Schultern, schmale Hüften
- Stimmbruch
- Vermehrte Körperbehaarung – Brust, Bauch, Rücken, Achseln, Schambereich, Bartwuchs
- Verstärkter Aufbau von Muskulatur
Anatomie
Penis
Es handelt sich um einen Schwellkörper, der sich bei Erregung mit Blut füllt und erigiert (steif wird). Er lässt sich in Peniswurzel (Radix penis), Peniskörper (Corpus penis) und Eichel (Glans penis) untergliedern.
Hoden
Die Hoden (Testis) befinden sich im Skrotum, dem Hodensack. Sie sind paarig angelegt und von eiförmigem Aussehen. Ein Hoden ist ca. 4 bis 5 cm lang und 3 cm dick. Der linke Hoden ist häufig etwas größer und liegt tiefer im Skrotum.
Nebenhoden
Die Nebenhoden (Epididymis) sitzen den Hoden auf. Bei einem Erwachsenen sind sie jeweils 5 bis 6 cm lang.
Samenleiter
Jeder Nebenhoden hat einen Samenleiter (Ductus deferens). Er ist die Fortsetzung des Nebenhodenganges (Ductus epididymidis). Der Samenleiter vereinigt sich mit dem Ausführungsgang der Samenblase zum Spritzkanälchen und mündet in die Harnröhre.
Geschlechtsdrüsen
- Samenblase: Sie ist paarig angelegt, ca. 5 cm lang und befindet sich zwischen Harnblase und Mastdarm.
- Prostata: Die Prostata befindet sich direkt unterhalb der Harnblase, vor dem Mastdarm, und umschließt die Urethra (Harnröhre). Sie ist in etwa so groß wie eine Kastanie und besteht aus ca. 30-40 Einzeldrüsen. Die Ausführungsgänge dieser Drüsen münden in die Harnröhre.
- Cowper-Drüsen: Auch sie sind paarig angelegt, aber nur erbsengroß. Sie befinden sich unterhalb der Prostata.
Physiologie
Penis
Über die im Penis verlaufende Harnröhre wird der Urin ausgeschieden. Im Falle eines Geschlechtsverkehrs dient der Penis der Übertragung des Spermas in die inneren Geschlechtsorgane der Frau.
Hoden
Die Hoden sind die männlichen Keimdrüsen (Gonaden). In den Hoden werden die Spermien produziert und gelangen von dort in die Nebenhoden.
Auch das männliche Geschlechtshormon Testosteron wird in den Hoden synthetisiert (gebildet).
Nebenhoden
In den Nebenhoden reifen die Samenzellen zu Spermien heran und werden dort bis zum nächsten Samenerguss gespeichert.
Samenleiter
Beim Orgasmus werden die Spermien aus den Nebenhoden über den Samenleiter in die Urethra (Harnröhre) abgegeben. Die Samenleiter leiten durch peristaltische (wellenartige) Bewegungen die Spermien aus dem Ductus epididymidis (Nebenhodengang) in den Ductus ejaculatorius (Spritzkanal).
Geschlechtsdrüsen
- Samenblase: Sie geben ein leicht alkalisches (basisches) Sekret in die Samenleiter ab. Dadurch wird das saure Milieu der Harnröhre und des weiblichen Unterleibs neutralisiert. Weitere Bestandteile des Sekrets wie Fructose (Fruchtzucker) und Prostaglandine (Hormone) halten die Spermien beweglich und sorgen dafür, dass die Spermien ausreichend Energie haben, um den Weg bis zur Eizelle zurücklegen zu können.
- Prostata: Die Prostata produziert als exokrine Drüse ein leicht saures Sekret (Prostatasekret), das die Spermien schützt und dem Ejakulat eine flüssige Konsistenz verleiht. Kommt es zum Orgasmus, vermischen sich in der Prostata die Spermien und das Sekret. Durch Kontraktion (Zusammenziehen) der Prostata wird das Ejakulat (Samenerguss) durch die Harnröhre nach außen gepresst.
- Cowper-Drüsen: Bei sexueller Erregung geben sie den sogenannten "Lusttropfen", ein alkalisches (basisches) Sekret, in die Harnröhre ab. Dadurch werden Urinreste in der Harnröhre neutralisiert. Zudem macht das Sekret die Harnröhre und das Penisende gleitfähiger.
Die wichtigsten Risikofaktoren für Erkrankungen des männlichen Genitalsystems
Verhaltensbedingte Risikofaktoren
Ernährung
- Ungesunde Ernährung – Eine fettreiche, ballaststoffarme Kost kann das Risiko urologischer Tumoren (z. B. Prostatakarzinom [Prostatakrebs]) erhöhen.
- Mikronährstoffmangel – Defizite an Vitamin D, Folsäure, Zink und Antioxidantien wie Vitamin C und E stehen mit Fertilitätsstörungen (Fruchtbarkeitsstörungen), erektiler Dysfunktion (Erektionsstörung) und chronischen Entzündungsprozessen in Zusammenhang.
Genussmittelkonsum
- Alkoholkonsum – Chronischer Alkoholkonsum kann hormonelle Dysbalancen, erektile Dysfunktion (Erektionsstörung) sowie testikuläre Atrophie (Hodenrückbildung) begünstigen.
- Tabakkonsum – Nikotin und toxische Substanzen im Zigarettenrauch fördern arteriosklerotische Prozesse (Gefäßverkalkung) und sind Risikofaktoren für erektile Dysfunktion (Erektionsstörung), Fertilitätsstörungen (Fruchtbarkeitsstörungen) und Penis- oder Hodentumoren (Penis- bzw. Hodenkrebs).
Körperliche Aktivität
- Bewegungsmangel – Erhöht das Risiko für Übergewicht, metabolisches Syndrom (Stoffwechselstörung) und Endotheldysfunktion (Gefäßinnenwandschädigung), was insbesondere erektile Funktionsstörungen (Erektionsstörungen) fördert.
Psycho-soziale Situation
- Chronischer Stress – Langfristige psychosoziale Belastung kann die Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse (hormonelle Steuerzentrale der Geschlechtsorgane) negativ beeinflussen, die Testosteronproduktion vermindern und psychogene Potenzstörungen (Erektionsprobleme durch psychische Ursachen) begünstigen.
Übergewicht (Adipositas, erhöhter Taillenumfang)
- Erhöhter Taillenumfang (abdominale Adipositas) – Erhöht das Risiko für erektile Dysfunktion (Erektionsstörung), hormonelle Dysregulation (Hormonstörung) sowie Hodenkrebs.
Mechanische oder chemische Reizungen
- Übertriebene Hygiene („Overtreatment“) sowie mangelnde Intimhygiene – Können Hautreizungen, bakterielle Superinfektionen oder chronische Entzündungen (z. B. Balanoposthitis [Eichel- und Vorhautentzündung]) verursachen.
- Kontakt mit irritativen Substanzen – Häufige Anwendung von Intimkosmetika, Deodorants oder reizenden Seifen kann die Penishaut schädigen.
Krankheitsbedingte Risikofaktoren
- Infektionen mit humanem Papillomavirus (HPV) – HPV-Infektionen (insbesondere Subtypen 16 und 18) sind entscheidende Risikofaktoren für Penis- und Analkarzinome (Penis- und Afterkrebs) sowie prämaligne Läsionen wie Condylomata acuminata (Feigwarzen) oder Peniskarzinom in situ (Krebsvorstufe am Penis).
- Sexuell übertragbare Erkrankungen (STI) – Erkrankungen wie Syphilis (Lues), Gonorrhö (Tripper), Chlamydien, Herpes genitalis oder HIV erhöhen das Risiko für chronisch-entzündliche Veränderungen, Narbenbildung und Infertilität (Unfruchtbarkeit).
- Dermatologische Erkrankungen im Genitalbereich – Penile Dermatosen wie Psoriasis (Schuppenflechte), Lichen sclerosus, atopische Dermatitis (Neurodermitis) und Lichen planus können zu strukturellen Hautveränderungen und sekundären Infektionen führen.
- Kontaktallergien – Latex (Kondome), Duftstoffe, Konservierungsstoffe oder Intimschmuck können allergische Reaktionen mit Juckreiz, Erythem (Hautrötung) und Ekzem hervorrufen.
- Endokrine Erkrankungen – Schilddrüsenerkrankungen (z. B. Hypothyreose [Schilddrüsenunterfunktion], Hyperthyreose [Schilddrüsenüberfunktion]) beeinflussen Libido (Sexualverlangen), Erektion und Fertilität.
- Metabolische Erkrankungen – Diabetes mellitus (Typ 1 und Typ 2) führt über Mikroangiopathien (kleinste Gefäßschädigungen) und Neuropathien (Nervenschädigungen) häufig zu erektiler Dysfunktion (Erektionsstörung) und verzögerter Ejakulation (Samenerguss).
- Medikamenteneinnahme
- Antihypertensiva – z. B. Betablocker, Thiazide, die sexualphysiologische Funktionen (sexuelle Körperfunktionen) beeinträchtigen können.
- Antidepressiva – insbesondere selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) führen häufig zu Libidoverlust (Verlust des Sexualverlangens), Erektions- und Orgasmusstörungen.
- Zytostatika – in der Onkologie (Krebsmedizin) eingesetzte Medikamente können testikuläre Gewebe (Hodengewebe) schädigen und die Spermatogenese (Spermienbildung) beeinträchtigen.
- Androgensuppressiva und 5-Alpha-Reduktasehemmer – beeinflussen die Testosteronachse (männliche Hormonachse) und sexuelle Funktion.
- Strahlentherapie (Radiatio) – Exposition der Beckenregion, insbesondere bei Prostata-, Rektum- oder Harnblasenkarzinomen (Krebs der Vorsteherdrüse, des Enddarms oder der Harnblase), kann zu Hodenschädigung, Fibrosierung (Bindegewebsvermehrung) und Erektionsstörungen führen.
- Umwelteinflüsse
- Berufliche Exposition gegenüber Umweltnoxen – wie Lösungsmittel, Weichmacher (Phthalate), chlororganische Verbindungen, Pestizide und Herbizide sind mit einer verminderten Spermienqualität und erhöhter Tumorinzidenz (Krebsrate) assoziiert.
- Überwärmung der Hoden – durch häufige Saunagänge, enge Kleidung oder berufliche Exposition (z. B. langes Sitzen) mit Beeinträchtigung der Spermatogenese (Spermienbildung).
Bitte beachten Sie, dass diese Aufzählung lediglich einen Auszug der bekannten Risikofaktoren für Erkrankungen des männlichen Genitalsystems darstellt. Weitere Ursachen finden Sie in den jeweiligen krankheitsspezifischen Fachartikeln.
Häufige Erkrankungen des männlichen Genitalsystems
- Andropause (Wechseljahre des Mannes)
- Balanitis (Eichelentzündung)
- Benigne Prostatahyperplasie (gutartige Prostatavergrößerung)
- Epididymitis (Nebenhodenentzündung)
- Erektile Dysfunktion (Erektionsstörungen)
- Hodenmalignome (Hodengeschwülste)
- Hodenschmerzen
- Hydrozele (Wasserbruch)
- Infektionskrankheiten – Gonorrhoe (Tripper), Syphilis (Lues)
- Maldeszensus testis (Hodenhochstand)
- Orchitis (Hodenentzündung)
- Phimose (Vorhautverengung)
- Prostatakarzinom (Prostatakrebs)
- Prostatitis (Prostataentzündung)
- Sterilität des Mannes
Die wichtigsten diagnostischen Maßnahmen für Erkrankungen des männlichen Genitalsystems
Labordiagnostik
- Urinkultur (Erregernachweis und Resistogramm, das heißt Austestung geeigneter Antibiotika auf Sensibilität/Resistenz)
- Urinstatus (Schnelltest auf: pH-Wert, Leukozyten, Nitrit, Eiweiß, Glucose, Keton, Urobilinogen, Bilirubin, Blut), Sediment
- Entzündungsparameter – CRP (C-reaktives Protein)
- Spermiogramm (Samenzelluntersuchung)
- PSA (prostataspezifisches Antigen)
Medizingerätediagnostik
- Skrotalsonographie (Ultraschalluntersuchung der Skrotalorgane/Hoden und Nebenhoden sowie deren Gefäßversorgung)
- Transrektale Prostatasonographie – Darstellung der Prostata durch das Rektum, d. h. die Ultraschallsonde wird durch den Anus (After) in das Rektum (Enddarm) eingeführt
- i. v. Pyelogramm (Synonyme: IVP; i. v. Urogramm; Urogramm; i. v. Urographie; Ausscheidungsurographie; Ausscheidung-Pyelogramm; intravenöses Ausscheidungsurogramm; röntgenologische Darstellung der Harnorgane bzw. des harnableitenden Systems)
-
Prostata-MRT: Die multiparametrische Magnetresonanztomographie (mpMRT) – auch Prostata-MRT genannt – hat sich als wegweisend in der Diagnostik und Managementstrategie des Prostatakarzinoms (Prostatakrebs) etabliert
- Diaphanoskopie (Durchleuchtung von Körperteilen durch eine aufgesetzte Lichtquelle; hier: Skrotum (Hodensack)) – zur Unterscheidung von Skrotalhernie (Hodenbruch) und Hydrozele (Wasserbruch)
- Szintigraphie (bildgebendes nuklearmedizinisches Verfahren) – zur Beurteilung der Hodenperfusion (Hodendurchblutung)
- Urethrozystoskopie (Harnröhren- und Blasenspiegelung)
- Prostatabiopsie: ultraschallgesteuerte Prostatapunktion oder MRT-gesteuerte Prostatabiopsie – Ein Verfahren zur Gewinnung von Gewebeproben aus der Prostata, insbesondere bei Verdacht auf Prostatakarzinom (Prostatakrebs).
Welcher Arzt hilft Ihnen?
Bei Erkrankungen des männlichen Genitalsystems sollte im Regelfall ein Urologe aufgesucht werden. Je nach zugrunde liegender Ursache kann zusätzlich eine interdisziplinäre Abklärung durch weitere Fachrichtungen, etwa der Dermatologie, Endokrinologie oder Onkologie, erforderlich sein.
Gesundheitscheck
Eine individuelle Therapie erfordert stets die Kenntnis Ihrer individuellen Gesundheitsrisiken und der mit verursachenden Faktoren Ihrer Erkrankung.
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Literatur
- Statistisches Bundesamt (Destatis). Sterbetafel Deutschland 2021/2023. Wiesbaden: Destatis; 2024. https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Sterbefaelle-Lebenserwartung/_inhalt.html
- Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO). Früherkennungsmonitor 2024: Inanspruchnahme von Krebsfrüherkennungsuntersuchungen in Deutschland. Berlin: WIdO; 2024. https://www.wido.de/news-presse/pressemitteilungen/2024/frueherkennungsmonitor-2024
- Statistisches Bundesamt (Destatis). Todesursachenstatistik 2023: Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebserkrankungen. Wiesbaden: Destatis; 2024. https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Todesursachen/_inhalt.html
- Zentrum für Krebsregisterdaten (ZfKD), Robert Koch-Institut. Krebs in Deutschland für 2019/2020. Berlin: RKI; 2022.