Ultraschall der Säuglingshüfte (Sonographie der Säuglingshüfte)

Bei der Sonographie der Säuglingshüfte (Synonyme: Sonographie nach Graf; Ultraschall der Säuglingshüfte) handelt es sich um ein Screeningverfahren zur Früherkennung von Hüftreifungsstörungen sowie angeborenen Deformitäten (engl. Congenital developmental dysplasia of the hip, DDH) der Hüfte des Säuglings. Diese Ultraschalluntersuchung wurde von R. Graf in den 80er-Jahren etabliert und ist Teil der Vorsorgeuntersuchung U3.

Die sogenannte kongenitale (angeborene) Hüftdysplasie bzw. Luxationshüfte (Synonym: Hüftgelenkdysplasie;
engl.: hip dysplasia, developmental dysplasia of the hip, congenital dysplasia of the hip; Abkürzungen: CDH, DDH; Sammelbezeichnung für angeborene oder erworbene Fehlstellungen und Störungen der Ossifikation (Verknöcherung) des Hüftgelenks beim Neugeborenen) ist mit einer Inzidenz (Häufigkeit von Neuerkrankungen) von 2 bis 4 % eine der häufigsten angeborenen Anomalien der Bewegungsorgane. Sie kann durch eine frühe Sonographie erfasst werden.

Die kongenitale Hüftluxation ist die schwerste Ausprägung der angeborenen Hüftgelenksdysplasie (Hüftgelenksfehlbildung). Bei dieser Erkrankung ist die Hüftgelenkspfanne nicht tief genug, um den Gelenkkopf ausreichend zu umschließen (Pfannendysplasie). Zusammen mit einer Lockerung der Hüftgelenkkapsel kann diese Fehlbildung zu einer Subluxation bzw. Luxation (Ausrenkung des Gelenkes) führen. Ursächlich ist eine Störung der Hüftgelenksreifung, die in einer verzögerten Ausbildung vor allem der Gelenkpfanne ihre Ursache findet.

Folgende Risikofaktoren für die Ausbildung einer Hüftdysplasie sind zu nennen:

  • Positive Familienanamnese – Hüftdysplasie oder Arthrose der Hüfte in der Familie
  • Oligohydramnion (zu wenig Fruchtwasser; Menge des Fruchtwassers: <  200 bis 500 ml)   
  • Frühgeburt
  • Geburt aus Beckenendlage
  • Positive klinische Untersuchung mit Verdacht auf Hüftdysplasie
  • Weitere Skelettanomalien

Die Erhebung der genannten Risikofaktoren sollten im Rahmen der Ukonsequenterweise durchgeführt werden.

Bei der Geburt liegt in der Regel keine Luxationshüfte, sondern nur die Pfannendysplasie vor. Im Verlauf entwickelt sich bei Belastung und Zug durch die Muskulatur eine Ausrenkung. Während die Luxationshüfte in der klinischen Untersuchung diagnostiziert werden kann, ist eine milde Hüftdysplasie mit der Sonographie zu erkennen. Wird eine Hüftgelenksluxation nicht behandelt, führen Kontrakturen (Funktions- und Bewegungseinschränkung von Gelenken) unter anderem über eine Beinverkürzung zu einem positiven Trendelenburg-Zeichen ("Watschelgang"; Patient kann auf einem Bein stehend sein Becken nicht in der Waage halten – wobei die Muskeln des Standbeines betroffen sind) und in der Folge zu einer Gehbehinderung. Ein weiteres Risiko ist die Entwicklung einer sekundären Arthrose (Arthrose, die aufgrund einer Begebenheit entsteht, die selbst Krankheitswert hat und verursachend ist, während eine primäre Arthrose als altersbedingter Verschleiß zu sehen ist) der Hüfte im mittleren Erwachsenalter, eine Hüftdysplasie ist somit als präarthrotische Deformität zu sehen. Die Screeninguntersuchung ermöglicht eine frühzeitige Behandlung und folgend eine Heilung angeborener Leiden der Säuglingshüfte.

Beurteilbare Strukturen

  • Erker: Beurteilung des Erkers auf Form und Echostruktur zur Einschätzung der Pfannendachqualität.
  • Gelenkkapsel: Untersuchung auf Verdickungen oder Einlagerungen als Hinweis auf eine Entzündung oder Gelenkerguss.
  • Hüftkopf: Beurteilung der Position des Hüftkopfes in Relation zur Pfanne zur Feststellung einer Subluxation (unvollständige Luxation) oder Luxation.
  • Labrum acetabulare (Pfannenlippe): Überprüfung auf Formveränderungen, die auf eine Instabilität oder Schädigung hinweisen können.
  • Knorpeliges Pfannendach: Bewertung der Morphologie zur Früherkennung von Dysplasien.
  • Knöcherne Pfanne: Beurteilung der Ossifikation und der Morphologie als Grundlage für die Hüftkopfüberdachung.
  • Knorpel-Knochen-Grenze: Einschätzung der Ossifikation und Reifung der Hüfte.
  • Umschlagfalte: Untersuchung zur Erkennung von Anomalien oder Entzündungszeichen.

Vor der Untersuchung

  • Patientenvorbereitung: Keine spezielle Vorbereitung erforderlich. Die Untersuchung erfolgt in Rückenlage des Säuglings.
  • Anamnese und klinische Untersuchung: Erfassung von Risikofaktoren und Durchführung einer körperlichen Untersuchung zur Feststellung etwaiger Auffälligkeiten.
  • Aufklärung: Informieren der Eltern über den Untersuchungsablauf und die Bedeutung der Sonographie für die Früherkennung von Hüftdysplasien.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

Die Sonographie nach Graf dient als Screeninguntersuchung der Früherkennung der kongenitalen Hüftgelenksdysplasie (angeborene Fehlentwicklung des Hüftgelenks).

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

Die Sonographie (Untersuchung mit Ultraschall) hat keine Strahlenbelastung zur Folge und ist nicht invasiv. Es ergeben sich somit keine Kontraindikationen für diese Untersuchung.

Das Verfahren

Da die Strukturen der Säuglingshüfte überwiegend hyalin (knorpelig) und nicht ossär (knöchern) organisiert sind, eignet sich die Sonographie, nicht aber das Röntgen, zur Darstellung einer möglichen Fehlbildung mit Krankheitswert. Insbesondere das Pfannendach besteht zu diesem Zeitpunkt aus hyalinem Knorpel.

Mögliche Befunde

Die Ergebnisse der Sonographie werden anschließend nach Graf klassifiziert und entsprechend therapiert, dabei ist erst eine unreife Hüfte Typ IIb nach Graf behandlungsbedürftig [5]:

Typ Beschreibung
Typ I nach Graf (a, b) reifes Hüftgelenk
Typ II nach Graf (a, b, c) Hüftdysplasie mit Verbleiben des Kopfes in der Pfanne.
Typ III nach Graf (a, b, + Typ D) Herauswandern des Hüftkopfes, sogenannte Subluxation
Typ IV nach Graf Vollständige Verrenkung bzw. Luxation des Gelenkes

Graf legte eine Standardebene fest, die eine sichere Reproduktion der Sonographie der Säuglingshüfte ermöglicht. Des Weiteren führte Graf die Winkel Alpha und Beta ein, nach deren Weite die Hüftdysplasie klassifiziert werden kann. Die Winkel zeigen die Stellung der anatomischen Strukturen zueinander an. Die Klassifikation nach Graf berücksichtigt zudem das Alter des Patienten und den knöchernen Erker der Gelenkpfanne: Der sogenannte Erker stellt sich in der Sonographie normalerweise echoarm dar, nimmt das Echo zu, entspricht dies einer Verdichtung im Bereich des Pfannendaches, die durch die Fehlbelastung (Druckbelastung) durch einen schon subluxierten Hüftkopf entstehen kann. Auf der Standardebene sind folgende anatomische Strukturen zu sehen:

  • Erker
  • Gelenkkapsel
  • Hüftkopf
  • Labrum acetabulare (Pfannenlippe)
  • Knorpeliges Pfannendach
  • knöcherne Pfanne
  • Knorpel-Knochen-Grenze
  • Umschlagfalte

Eine dynamische Ultraschalluntersuchung (Bewegung der Hüfte während der Untersuchung) ermöglicht eine Beurteilung eventueller Instabilitäten des Hüftgelenks.

Technische Voraussetzungen für die Sonographie der Säuglingshüfte ist ein Ultraschallgerät mit Frequenzen ab 7,5 MHz aufwärts.

Die Dokumentation sollte pro untersuchter Seite durch zwei zeitversetzte Bilder erfolgen. Eines der Bilder muss die Messdiener mit den Winkeln α und β enthalten.

Nach der Untersuchung

  • Befundmitteilung: Die Ergebnisse der Sonographie werden den Eltern erläutert, und es wird über das weitere Vorgehen informiert.
  • Dokumentation: Die sonographischen Befunde inklusive der Winkelmessungen werden dokumentiert und in der Patientenakte vermerkt.
  • Weiterleitung: Bei Bedarf wird der Befund an den überweisenden Arzt oder an weiterführende Spezialisten übermittelt.
  • Follow-up: Je nach Befund kann eine Nachuntersuchung zur Kontrolle der Hüftentwicklung oder zur Überprüfung des Therapieerfolgs empfohlen werden.

Mögliche Fehlerquellen

  • Lagerungsfehler: Falsche Positionierung des Säuglings kann zu einer Fehleinschätzung der Hüftreifung führen.
  • Fehlinterpretation anatomischer Strukturen: Nicht korrekte Identifizierung der anatomischen Landmarken kann zu inkorrekten Messungen führen.
  • Messtechnik: Ungenaue Bestimmung der Winkel α und β durch fehlerhafte Platzierung des Messschallkopfes.
  • Inkongruenz von Befundung und Winkelmessung: Diskrepanzen zwischen der sonographischen Beurteilung und den gemessenen Winkeln erfordern eine erneute Überprüfung.

Mögliche Komplikationen

Für diese Untersuchung sind keine Komplikationen zu erwarten.

Literatur

  1. Hofmann V: Ultraschalldiagnostik in Pädiatrie und Kinderchirurgie. Georg Thieme Verlag 2005
  2. Wirth CJ: Orthopädie und orthopädische Chirurgie. Georg Thieme Verlag 2003
  3. Buckup K: Kinderorthopädie. Georg Thieme Verlag 2001
  4. Hefti F: Kinderorthopädie in der Praxis. Springer Verlag 2009
  5. Graf R: Sonographie der Säuglingshüfte und therapeutische Konsequenzen – ein Kompendium. 5. Auflage. Stuttgart: Georg Thieme Verlag 2000.

     
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