Lungenultraschall (Lungensonographie)

Die Lungensonographie (Synonyme: Ultraschall der Lungen; engl. Lung ultrasonography, LUS) wird zur Diagnostik beim Leitsymptom „Akute Atemnot“ eingesetzt. Dabei wird es als bettseitig genutztes „Point-of-Care-Ultraschallverfahren“ in bestimmten klinischen Situationen (s. u.) vom Notfall- und Akutmediziner eigenständig durchgeführt.

Die Lungensonographie ist Bestandteil der Thoraxsonographie.

Das Verfahren erlaubt mehrfache Verlaufskontrollen bei der Überwachung, ohne den Patienten Röntgenstrahlen auszusetzen. Damit sind auch besonders gefährdete Patientengruppen, (Kinder, Schwangere) ohne Strahlenbelastung zu untersuchen.

Beurteilbare Strukturen

  • Pleura (Brustfell): Beurteilung von Pleuraergüssen, pleuralen Verdickungen und pleuralen Tumoren.
  • Lungenparenchym (Lungengewebe): Erkennung von interstitiellen Syndromen, Konsolidierungen und Atelektasen (kollabiertes Lungengewebe).
  • B-Linien: Diffuse oder fokale B-Linien als Hinweis auf interstitielle Prozesse wie pulmonale Stauung oder interstitielle Pneumonien (Lungenentzündung, die mit einer Schädigung des Lungeninterstitiums einhergeht).
  • Alveolärer Luftgehalt: Nachweis von Lungengleiten und Comet-tail-Artefakten als Zeichen normaler alveolärer Belüftung.
  • Subpleurale Läsionen: Erkennung von subpleuralen Läsionen, die auf Lungeninfarkte oder Tumoren hinweisen können.
  • Pneumothorax (Ansammlung von Luft neben der Lunge): Fehlen von Lungengleiten und Comet-tail-Artefakten als direkte Zeichen eines Pneumothorax.
  • Zwerchfellbeweglichkeit: Beurteilung der Zwerchfellbeweglichkeit und -funktion, insbesondere bei Verdacht auf Zwerchfellparese.
  • Pulmonale Vaskularität: Indirekte Beurteilung der pulmonalen Vaskularität durch Darstellung von pulmonal-venöser Stauung mittels B-Linien-Muster.
  • Perikard (Herzbeutel) und Herz: Begrenzte Beurteilung des Perikards und des Herzens zur Identifizierung von Perikardergüssen oder Zeichen der Herzinsuffizienz (Herzschwäche).
  • Mediastinale Strukturen: Begrenzte Beurteilung mediastinaler Strukturen (Mittelfeldstrukturen), insbesondere im Falle eines großen Mediastinaltumors oder anderer Massen.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

Zur Differentialdiagnostik von:

  • Herzinsuffizienz (Herzschwäche)
  • Lungenarterienembolie (LAE)
  • Lungenödem – Ödem (Wasseransammlung) in der Lunge
  • Perikarderguss (Herzbeutelerguss)
  • Pleuraerguss – pathologische (krankhafte) Zunahme des Flüssigkeitsgehaltes zwischen Pleura parietalis (Brustfell) und Pleura visceralis (Lungenfell)
  • Pneumothorax – Kollaps der Lunge, der durch eine Luftansammlung zwischen der Pleura viszeralis (Lungenfell) und der Pleura parietalis (Brustfell) bedingt ist
  • Pneumonie (Lungenentzündung)
  • Thoraxwandinfiltration eines Lungenkarzinoms (Einwachsen eines Lungenkrebses in die Brustwand)

Vor der Untersuchung

  • Patientenvorbereitung: Keine spezielle Vorbereitung erforderlich. Die Untersuchung kann am liegenden oder sitzenden Patienten durchgeführt werden. Es wird empfohlen, den Oberkörper freizumachen, um einen ungehinderten Zugang zu den Untersuchungsarealen zu ermöglichen.
  • Anamnese und klinische Untersuchung: Vor der Lungensonographie ist eine gründliche Anamnese (Erfassung der Krankengeschichte) und klinische Untersuchung durchzuführen, um die Indikationen für die Sonographie zu präzisieren und gegebenenfalls andere notwendige diagnostische Schritte einzuleiten.
  • Aufklärung: Der Patient wird über den Ablauf der Untersuchung informiert, einschließlich der Notwendigkeit, während der Untersuchung tief ein- und auszuatmen oder die Position zu wechseln, um eine optimale Darstellung der Lungenareale zu erreichen.

Das Verfahren

Die Lungensonographie erfolgt mithilfe eines niederfrequenten Sektor- oder Konvexschallkopfes (2-5 MHz) im Sinne einer B-Linien-Diagnostik in 8 Quadranten der Lunge (4 pro Thoraxseite/Brustkorbseite). Dabei wird der Schallkopf interkostal ("zwischen zwei Rippen gelegen") aufgesetzt. Die Ultraschallebene wird parallel zum Längsverlauf der Rippen ausgerichtet. 

Hinweis:
 Es besteht eine enge Korrelation zwischen pulmonal-venöser Stauung (Lungen-Venenstauung) und interstitiellen ("im Zwischengewebe gelegene") Flüssigkeitsansammlungen, bei denen B-Linien auftreten. Durch den bilateralen (beidseitigen) Nachweis in mindestens 2 Regionen und mehr als 3 B-Linien pro Schallfenster kann eine pulmonale (lungenbedingte) Stauung mit einer Sensitivität (Prozentsatz erkrankter Patienten, bei denen die Krankheit durch die Anwendung des Tests erkannt wird, d. h. ein positives Testresultat auftritt) von 100 % und einer Spezifität (Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich Gesunde, die nicht an der betreffenden Erkrankung leiden, durch die Untersuchung auch als gesund erkannt werden) von 92 % diagnostiziert werden [4]. D. h. eine physiologische Lunge weist 0-2 B-Linien auf.

Eine pulmonal venöse Stauung bestätigt die Verdachtsdiagnose einer akuten Herzinsuffizienz. Studien weisen dafür eine Sensitivität von 70-85 % und eine Spezifität von 75-83 % nach. Die Spezifität zur Erkennung einer akuten Herzinsuffizienz steigt auf 100 % bei Einsatz einer sequenziellen Sonographie von Herz, V. cava inferior ("untere Hohlvene") und Lunge [1, 2].
Nachweis von B-Linien: ≥ 3 pro Blickfeld in 2 von 4 Arealen beidseits.

Eine Lungenarterienembolie (LAE) zeigt sich in zwei Drittel aller Fälle im rechten dorsalen ("den Rücken betreffend") Unterlappen [3]. Mittels eines Linearschallkopfes lassen sich thoraxwandnah subpleurale ("unter der Pleura (Lungenfell) befindlich") Läsionen (oft dreieckig oder rund > 5 mm) wie Lungeninfarkte nachweisen (= periphere LAE). Anschließend sollte eine Kompressionssonographie der Beinvenen (s. u. "Ultraschalluntersuchung der venösen Gefäße") zum Nachweis einer tiefen Beinvenenthrombose durchgeführt werden.
Nachweis von B-Linien: Anzahl 0-2

Ein Lungenödem zeigt Echophänomene: Kometenschweifartefakte wg. multipler akustischer Grenzflächen zwischen kleinen wasserreichen Strukturen und umgebender alveolärer Luft in der Lungenperipherie. Die Sensitivität des Ultraschalls (Prozentsatz erkrankter Patienten, bei denen die Krankheit durch die Anwendung des Verfahrens erkannt wird, d. h. ein positiver Befund auftritt) lag bei 96 % versus 65 % Röntgen-Thorax; Spezifität (Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich Gesunde, die nicht an der betreffenden Erkrankung leiden, im Test auch als gesund erkannt werden): 88 % versus 96 % [6]

Durch eine Pleurasonographie (Ultraschalluntersuchung der Pleura (Rippenfell) und des Pleuraraums) mittels Sektor- oder Konvexschallkopf lassen sich bereits kleine Mengen eines Pleuraergusses nachweisen. Eine Ergusshöhe von 10 cm entspricht ca. einem Volumen von 1-2 l.
Nachweis von B-Linien: regional möglich
Auch für Perikardergüsse ist heute die Sonographie die primäre bildgebende Methode.

Da im B-Bild das Lungengleiten, d. h. die dynamische, atemabhängige Bewegung der Pleura visceralis, meistens gut erkannt wird, ist beim Fehlen desselben ein Pneumothorax gut zu erkennen. Nach Anlage einer Pleuradrainage wird ein Röntgen-Thorax durchgeführt, um das Volumen des Pneumothorax festzustellen.

Im Falle einer Pneumonie lassen sich bei thoraxnahen Lungeninfiltraten echoreiche, linsenförmige Binnenechos nachweisen, die durch Luft in den kleinen Bronchien (röhrenförmige Strukturen in der Lunge) bedingt sind (= pneumonisches Infiltrat).
Nachweis von B-Linien: oft regional, um Konsolidierungen vermehrt
Bei 50 % aller Patienten mit einer Pneumonie lässt sich ein parapneumonischer Pleuraerguss nachweisen. Bei Verdacht auf Pneumonie bei Kindern ist die Lungensonographie auch eine Alternative zum Röntgen-Thorax/Brustkorb [1].

Mögliche Befunde

  • Interstitielle Syndrome: Nachweis von B-Linien in mehreren Quadranten, was auf interstitielle Flüssigkeitsansammlungen hinweisen kann.
  • Pleuraerguss (Herzbeutelerguss): Darstellung von Flüssigkeitsansammlungen im Pleuraspalt, Quantifizierung des Ergusses und Beurteilung der Notwendigkeit einer therapeutischen Punktion.
  • Pneumothorax (Ansammlung von Luft neben der Lunge): Fehlen des Lungengleitens und des Comet-tail-Artefakts, Nachweis des Lungenpunktes als Übergang zwischen pneumothoraxfreien und -betroffenen Arealen.
  • Konsolidierungen: Nachweis von Lungenkonsolidierungen, die auf Pneumonien oder Atelektasen hinweisen können, inklusive Darstellung von Luftbronchogrammen.
  • Pulmonale Embolie (Blutgefäßverschluss in der Lunge durch ein Blutgerinnsel): Indirekte Zeichen einer pulmonalen Embolie können durch Nachweis von subpleuralen Konsolidierungen und durch den Nachweis einer tiefen Venenthrombose in der Kompressionssonographie der Beinvenen gestellt werden.
  • Herzinsuffizienz (Herzschwäche): Die Kombination von B-Linien mit sonographischen Zeichen einer Herzinsuffizienz im Echokardiogramm unterstützt die Diagnose einer kardialen Genese der pulmonalen Stauung.

Nach der Untersuchung

  • Befundmitteilung: Die Ergebnisse der Lungensonographie werden unmittelbar nach der Untersuchung mit dem Patienten besprochen und, falls notwendig, ein weiteres diagnostisches oder therapeutisches Vorgehen empfohlen.
  • Dokumentation: Alle Befunde werden dokumentiert, einschließlich sonographischer Bilder, und in der Patientenakte vermerkt.
  • Weiterleitung: Bei Bedarf werden die Ergebnisse und Empfehlungen an den überweisenden Arzt oder an weiterbehandelnde Spezialisten übermittelt.
  • Follow-up: In Abhängigkeit von den Befunden kann eine Verlaufskontrolle mittels Lungensonographie oder anderen bildgebenden Verfahren angeordnet werden, um den Therapieerfolg zu überwachen oder die Krankheitsprogression zu evaluieren.

Literatur

  1. Anderson KL, Jenq KY, Fields JM et al.: Point-of-care ultrasound diagnoses acute decompensated heart failure in the ED regardless of examination findings. Am J Emerg Med 2014, 32:385-388
  2. Miglioranza MH, Gargani L, Sant’Anna RT et al.: Lung ultrasound for the evaluation of pulmonary congestion in outpatients: a comparison with clinical assessment, natriuretic peptides, and echocardiography. JACC Cardiovasc Imaging 2013, 6:1141-1151
  3. Mathis G et al.: Subpleurale Lungenkonsolidierungen. Bildatlas der Lungen-und-Pleurasonographie. Springer Verlag 2016, S 61-105
  4. Breitkreutz R et al.: Lunge: Stauung/B-Liniendiagnostik und Pneumothorax als Alternative oder Ergänzung zum konventionellen Röntgen? Fortschr Röntgenstr 2014; 186 - RK204_2. doi: 10.1055/s-0034-1373251
  5. Jones BP et al.: Feasibility and Safety of Substituting Lung Ultrasonography for Chest Radiography When Diagnosing Pneumonia in Children: A Randomized Controlled Trial. Chest. 2016 Jul;150(1):131-8. doi: 10.1016/j.chest.2016.02.643. Epub 2016 Feb 26.
  6. Wooten WM et al.: Bedside Ultrasound Versus Chest Radiography for Detection of Pulmonary Edema: A Prospective Cohort Study. J Ultrasound Med 2019;38:967-973 https://doi.org/10.1002/jum.14781
     
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