TSH

Der TSH-Wert (TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon)) bezeichnet die Konzentration des hypophysären Hormons (Hirnanhangsdrüsenhormon), das die Synthese und Sekretion der Schilddrüsenhormone (Hormone der Schilddrüse) Trijodthyronin (T3) und Thyroxin (T4) reguliert. TSH wird in den basophilen Zellen des Hypophysenvorderlappens (vorderer Teil der Hirnanhangsdrüse) synthetisiert und stimuliert Wachstum, Jodaufnahme sowie die Schilddrüsenhormonproduktion der Schilddrüse.

Die Regulation erfolgt über die Hypothalamus-Hypophysen-Schilddrüsen-Achse (Steuerkreis zwischen Zwischenhirn, Hirnanhangsdrüse und Schilddrüse). Das Thyreotropin-Releasing-Hormon (TRH) aus dem Hypothalamus (Zwischenhirn) stimuliert die TSH-Sekretion im Hypophysenvorderlappen; T3 und T4 wirken im Sinne eines negativen Feedbacks (Rückkopplung) hemmend auf Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) und Hypothalamus (Zwischenhirn).

Synonyme

  • Thyreoidea-stimulierendes Hormon (TSH)
  • Thyreotropes Hormon
  • Thyreotropin
  • TSH basal, TSH-Basalwert

Das Verfahren

Benötigtes Material

  • Blutserum
  • oder Plasma (Natrium-Heparin, Lithium-Heparin, Kalium-EDTA)

Vorbereitung des Patienten

  • Blutentnahme morgens, bevorzugt zwischen 07:00 und 10:00 Uhr
  • Bei Schilddrüsenhormontherapie Blutabnahme vor Einnahme von Levothyroxin
  • Biotin-haltige Präparate pausieren (mindestens 48-72 Stunden; bei Hochdosisgabe ggf. länger, assayabhängig)

Störfaktoren

  • Biotin-Interferenz: falsch niedrige TSH-Werte möglich, Vortäuschung einer Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion)
  • Akute schwere Erkrankungen (Non-Thyroidal-Illness-Syndrom)
  • Zirkadiane Rhythmik (Tagesrhythmus) mit nächtlichem TSH-Maximum
  • Präanalytische Effekte (Einflüsse vor der Messung) bei Bestimmung freier Schilddrüsenhormone (z. B. Heparin-assoziierte Artefakte (Messverfälschungen))

Medikamente mit TSH-Senkung

  • Levothyroxin
  • Dopamin, Dopaminagonisten (z. B. L-Dopa, Bromocriptin, Cabergolin)
  • Glucocorticoide (Kortisonpräparate)
  • Somatostatin und Somatostatin-Analoga (z. B. Octreotid)
  • Katecholamine
  • Opioide (starke Schmerzmittel)
  • Serotoninantagonisten (z. B. Metergolin)

Medikamente mit TSH-Steigerung

  • Lithium
  • Amiodaron
  • Jod in hohen Dosen
  • Carbamazepin
  • Dopaminantagonisten (z. B. Haloperidol, Metoclopramid, Sulpirid)
  • Theophyllin

Methode

  • Hochsensitiver Immunoassay (Chemilumineszenz- oder Elektrochemilumineszenz-Immunoassay)
  • Funktionelle Sensitivität moderner Assays ca. 0,01 mU/l

Normbereiche (methoden- und laborabhängig)

Neugeborene (0-7 Tage) 0,7-20,0 mU/l
Säuglinge (1 Woche-1 Jahr) 0,7-7,0 mU/l
Kinder und Jugendliche 0,5-5,0 mU/l
Erwachsene 0,27-4,2 mU/l
Ältere Erwachsene (> 65 Jahre) physiologisch höhere Werte möglich; oberer Referenzbereich bis ca. 6,0-8,0 mU/l

Schwangerschaft

  • Primär gelten populations- und laborabhängige Referenzbereiche
  • Falls nicht verfügbar: oberer Referenzwert bis 4,0 mU/l (trimenonübergreifend) akzeptabel

Normwertige TSH-Konzentrationen schließen eine manifeste primäre Hypo- oder Hyperthyreose mit hoher Wahrscheinlichkeit aus.

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Abklärung bei klinischem Verdacht auf Schilddrüsenfunktionsstörungen
  • Verlaufskontrolle unter Schilddrüsenhormon- oder Thyreostatikatherapie
  • Risikokonstellationen (z. B. Autoimmunerkrankungen, Amiodaron- oder Lithiumtherapie)
  • Abklärung zentraler (hypophysärer/hypothalamischer) Störungen
  • Schwangerschaft bei bekannter Schilddrüsenerkrankung

Interpretation

  Primäre Hypothyreose Sekundäre Hypothyreose Primäre Hyperthyreose Sekundäre Hyperthyreose
TSH ↓ / normal ↑ / normal
fT4 / fT3

 

Erhöhte TSH-Werte

  • Primäre Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion)
  • Subklinische Hypothyreose (latente Schilddrüsenunterfunktion)
  • TSH-produzierendes Hypophysenadenom (Hypophysentumor) (selten)
  • Schilddrüsenhormonresistenz (verminderte Hormonwirkung) (selten)
  • Zustand nach Radiojodtherapie (Behandlung mit radioaktivem Jod) oder Thyreoidektomie (operative Schilddrüsenentfernung)
  • Medikamenteninduziert (durch Medikamente verursacht)

Erniedrigte TSH-Werte

  • Primäre Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion)
  • Subklinische Hyperthyreose (latente Schilddrüsenüberfunktion)
  • Sekundäre Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) bei Hypophysen- (Hirnanhangsdrüse) oder Hypothalamuserkrankungen (Erkrankungen des Zwischenhirns)
  • Non-Thyroidal-Illness-Syndrom (Schilddrüsenwerteveränderung bei schwerer Erkrankung)
  • Schwangerschaft (physiologisch im 1. Trimenon) (normale Frühschwangerschaft)
  • Medikamenteninduziert (durch Medikamente verursacht)

Weiterführende Diagnostik

  • fT4 und fT3
  • TPO-Antikörper, TG-Antikörper
  • TSH-Rezeptor-Antikörper bei Verdacht auf Morbus Basedow
  • Schilddrüsensonographie
  • Schilddrüsenszintigraphie bei funktioneller Fragestellung
  • Magnetresonanztomographie (MRT) der Hypophyse bei Verdacht auf zentrale Ursachen

Weitere Hinweise!

  • Circadiane Schwankungen des TSH von 30 % gelten als durchaus "normal".
  • Einige Endokrinologen empfehlen als TSH-Normbereich für Erwachsene: 0,27-2,50 µIU/ml. 
    Hinweis! Eine niedrigere TSH-Obergrenze zeigte in einer Metananalyse für Erwachsene bei TSH-Werten zwischen 3,5 und 4,5 mU/l kein höheres Risiko für eine Koronare Herzkrankheit (KHK) oder einen KHK-bedingten Tod als bei Werten zwischen 0,5 und 1,5 mU/l [4].
  • Die TSH-Sekretion erfolgt in einem pulsatilen Muster (stoßweise Ausschüttung), d. h. es findet keine gleichmäßige, sondern eine stoßweise Ausschüttung bei zirkadianer Rhythmik (d. h. im Tagesverlauf schwankende Freisetzung) statt. Frühmorgens zwischen 4.00-7.00 Uhr werden dabei die höchsten TSH-Werte gemessen. Ein einmalig gemessener Wert ist deshalb immer nur eine Momentaufnahme von begrenzter Aussagekraft.
  • Schilddrüse und Schwangerschaft: Die European Thyroid Association (ETA; Europäische Schilddrüsenvereinigung) hat in erstmals das universelle Schilddrüsenscreening aller schwangeren Frauen befürwortet [3]
    • Die ETA empfiehlt für den TSH-Check bei allen Schwangeren mindestens ein TSH-Screening, inklusive einer Bestimmung der Thyreoperoxidase-Antikörper (TPO-Ak).
    • Führ eine normale Schilddrüsenfunktion benötigt eine werdende Mutter in der Frühphase der Schwangerschaft etwa 50 % mehr an Schilddrüsenhormonen. Entgegen den allgemeinen Empfehlungen sollte deshalb bei der Schwangeren der TSH-Wert bereits etwa in der sechsten Schwangerschaftswoche (SSW) bestimmt werden [2].
    • In der Schwangerschaft können nachgewiesen werden:
      • Normalfall: Infolge eines beschleunigten Schilddrüsenmetabolismus kann es zu einem nichtpathologischen Anstieg von Trijodthyronin (T3) und Thyroxin (T4) kommen. Die Konzentration des Thyroidea-stimulierenden Hormons (TSH) ist bei Schwangeren hingegen häufig reduziert.
        Aufgrund der Tatsache, dass die Alpha-Kette von HCG identisch ist mit der Alpha-Kette von LH, FSH, und TSH, erklärt sich, dass HCG eine thyreotrope Wirkung hat. Es findet daher im 1. Trimenon der Schwangerschaft physiologischerweise eine vermehrte Synthese von T4 statt, mit der Folge, dass der endogene TSH-Spiegel etwas supprimiert wird. Diese Schilddrüsenfunktion normalisiert sich spätestens im zweiten Trimenon.
      • Latente Hypothyreose, die sich meist nur an einer Veränderung des Schilddrüsenparameters TSH zeigt: TSH > 4 mU/l, bei gleichzeitig normalen T3- und T4-Spiegeln) – Prävalenz ca. 10 % (der schwangeren Frauen)
      • Latente Hyperthyreose, die sich meist nur an einer Veränderung des Schilddrüsenparameters TSH zeigt. TSH-Wert < 0,3 mU/l, bei gleichzeitig normalem freien T4) – Prävalenz ca. 4 %
      • Manifeste Hypothyreose – Prävalenz ca. 0,4 %
      • Manifeste Hyperthyreose – Prävalenz 0,1 bis 0,4 %
    • Schwangerschaft – TSH-Befund und weiteres Vorgehen:
      • TSH > 4 mU/l → Bestimmung des fT4, TPO-Antikörper und Schilddrüsensonographie
      • TSH < 0,3 mU/l → Bestimmung des fT4, fT3 sowie Test auf TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAK) und Schilddrüsensonographie
    • Schwangere mit vorausgegangener Thyreoidektomie [6]: Nur 60 % der Patienten befinden sich im TSH-Zielkorridor, die die American Thyroid Association (ATA; Amerikanische Schilddrüsengesellschaft) empfiehlt: erstes Trimester zwischen 0,1 und 2,5, für das zweite zwischen 0,2 und 3,0 und für das dritte zwischen 0,3 und 3,0 mU/l.
      Das Risiko einer Schwangerschafthypothyreose war am größten nach vollständiger Thyreoidektomie bei Vorliegen eines gutartigen Befundes.
  • Patienten mit manifester Hypothyreose: Wenn sich durch eine Therapie mit L-Thyroxin (T4) eine Euthyreose (normale Schilddrüsenfunktion) mit TSH-Werten im Referenzbereich zeigt, zeigen die Patienten trotz scheinbar suffizienter LT4-Gabe signifikant höhere LDL- und Triglycerid-Spiegel als gematchte Kontrollprobanden [5]. Fazit: Die scheinbar euthyreote Stoffwechsellage hat diese Zielmoleküle von Schilddrüsenhormonen bei den ehemals hypothyreoten Patienten nicht normalisiert.

Literatur

  1. Asvold BO, Björo T, Nilsen TI, Vatten LJ: Tobacco smoking and thyroid function: a population-based study. Arch Intern Med 167, 2007, 1428
  2. Führer D: Schilddrüsenerkrankungen und Schwangerschaft. Internist 2011, 52:1158-1166. doi 10.1007/s00108-011-2823-6. Online publiziert: 5. August 2011
  3. Lazarus J et al.: 2014 European Thyroid Association Guidelines for the Management of Subclinical Hypothyroidism in Pregnancy and in Children. Eur Thyroid J. 2014 Jun; 3(2): 76-94.
  4. Åsfold B et al.: Thyroid Function Within the Normal Range and Risk of Coronary Heart Disease An Individual Participant Data Analysis of 14 Cohorts. JAMA Intern Med 2015, online 20. April. doi: 10.1001/jamainternmed.2015.0930
  5. McAninch EA et al.: Systemic Thyroid Hormone Status During Levothyroxine Therapy in Hypothyroidism: A Systematic Review and Meta-Analysis. The Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism 2018;103:44533-4542, https://doi.org/10.1210/jc.2018-01361
  6. Horowitz G et al.: Thyroid function control among pregnant women following a therapeutic thyroidectomy. Clinical Otolaryngology 2021; https://doi.org/10.1111/coa.13687
  7. Kabiri P, Rezazadeh A, Moradi A, et al. Biotin interference within immunoassays: mechanisms and clinical implications. J Clin Lab Anal. 2021;35:e23940. https://doi.org/10.1002/jcla.23940

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Erhöhter TSH-Wert in der Hausarztpraxis. (AWMF-Registernummer: 053-046), Juni 2016 Kurzfassung Langfassung
  2. Jonklaas J, Bianco AC, Bauer AJ, et al. Guidelines for the Treatment of Hypothyroidism. Thyroid. 2014;24(12):1670-1751. https://doi.org/10.1089/thy.2014.0028
  3. Biondi B, Bartalena L, Cooper DS, et al. The 2015 European Thyroid Association Guidelines on Diagnosis and Treatment of Endogenous Subclinical Hyperthyroidism. Eur Thyroid J. 2015;4(3):149-163. https://doi.org/10.1159/000438750
  4. Alexander EK, Pearce EN, Brent GA, et al. 2017 Guidelines of the American Thyroid Association for the Diagnosis and Management of Thyroid Disease During Pregnancy and the Postpartum. Thyroid. 2017;27(3):315-389. https://doi.org/10.1089/thy.2016.0457