Inhibin
Beim Inhibin handelt es sich um ein Peptidhormon (Eiweißhormon), das hauptsächlich in den Gonaden (Keimdrüsen – Eierstöcke und Hoden) produziert wird. Es zählt zu den wichtigsten Regulatoren der gonadotropen Achse (Regelkreis der Geschlechtsorgane) und hemmt die Freisetzung des follikelstimulierenden Hormons (FSH).
Inhibin existiert in zwei biologisch aktiven Formen – Inhibin A und Inhibin B. Beide bestehen aus einer α-Untereinheit und je einer βA- oder βB-Untereinheit.
- Inhibin A wird hauptsächlich vom Corpus luteum (Gelbkörper) im Eierstock während der Lutealphase (Gelbkörperphase) gebildet.
- Inhibin B wird vor allem von den Granulosazellen der heranreifenden Follikel im Eierstock sowie von den Sertoli-Zellen (Stützzellen der Hodenkanälchen) im Hoden synthetisiert.
Die Hauptfunktion von Inhibin ist die negative Rückkopplung auf die Hypophyse (Hirnanhangsdrüse), um die FSH-Sekretion zu regulieren. Dadurch steuert Inhibin das Follikelwachstum und die Spermatogenese (Samenbildung).
Die Konzentrationen von Inhibin A und Inhibin B schwanken im Verlauf des Menstruationszyklus und spiegeln die ovarielle Funktion wider. Beim Mann dient Inhibin B als Marker der Spermatogenese und testikulären Funktion.
In der Sterilitätsdiagnostik von Mann und Frau kommt ausschließlich Inhibin B eine klinische Relevanz zu. Inhibin A spielt hier keine Rolle.
Das Verfahren
Benötigtes Material
-
Blutserum
Vorbereitung des Patienten
- Frauen: Zyklusphase beachten (für Inhibin A und B)
- Männer: Keine spezielle Vorbereitung
Störfaktoren
- Schwangerschaft (erhöht Inhibin A)
- Menopause (führt zu niedrigen Inhibin A/B-Werten)
- Hormontherapien
Normwerte von Inhibin A und B
Inhibin A
Biologische Funktion: Inhibin A (ein Hormon zur Steuerung der Fruchtbarkeit) wird bei Frauen vom dominanten Follikel (leitendes Eibläschen in der späten Eizellreifungsphase) sowie vom Corpus luteum (Gelbkörper in der zweiten Zyklushälfte) sezerniert und hemmt die Follikel-stimulierende Hormonsekretion (FSH, ein Hormon zur Eizellreifung). Beim Mann spielt Inhibin A hingegen keine diagnostisch relevante Rolle.
Normwerte bei Frauen:
- Frühe Follikelphase (Zyklustag 1-7): < 10-50 pg/ml
(geringe Inhibin-A-Produktion in der frühen Phase vor Dominanz eines Follikels) - Späte Follikelphase bis Ovulation (Zyklustag 8-14): 50-100 pg/ml
(steigender Spiegel infolge der Dominanzentwicklung) - Lutealphase (Gelbkörperphase; Zyklustag 15-28): 100-200 pg/ml
(Peak in der mittleren Lutealphase durch Corpus luteum) - Postmenopausal (nach den Wechseljahren): < 5-12 pg/ml
(praktisch supprimiert infolge der ovariellen Inaktivität)
Inhibin B
Biologische Funktion: Inhibin B (ein Hormon zur Steuerung der Fruchtbarkeit) wird bei Frauen primär von Granulosazellen (Zellen der Eibläschen) der kleinen antralen Follikel (heranreifende Eibläschen) in der frühen Follikelphase gebildet. Beim Mann wird Inhibin B durch Sertolizellen (stützende Zellen im Hoden) der Hoden sezerniert und korreliert stark mit der Spermatogenese (Bildung der Samenzellen).
Normwerte bei Frauen:
- Frühe Follikelphase (Zyklustag 2-5): 25-150 pg/ml
(entspricht aktiver Follikelkohorte und ovariellem Reserveindikator) - Mittlere bis späte Follikelphase: Absinken auf < 40-80 pg/ml
(nach Selektion des dominanten Follikels) - Lutealphase: < 15-30 pg/ml
(geringe Aktivität der verbliebenen Granulosazellen) - Postmenopausal (nach den Wechseljahren): < 5-10 pg/ml oder unterhalb der Nachweisgrenze
(entsprechend dem Erlöschen der Follikelkohorte)
Normwerte bei Männern:
- Junge, fertilitätsgesunde Männer: 150-350 pg/ml
(entspricht intakter Sertolizellfunktion und Spermatogenese) - Referenzbereich allgemein (altersabhängig): > 80 pg/ml
(Werte < 80 pg/ml sprechen für eine gestörte Sertolifunktion bzw. Azoospermie [Fehlen von Samenzellen im Ejakulat]) - Seneszenzbedingter Abfall: Bei Männern > 50 Jahre kann Inhibin B physiologisch sinken, bleibt aber bei normaler Spermatogenese meist > 100 pg/ml
Tabellarische Zusammenfassung
Parameter | Lebensphase / Zyklusphase | Normbereich |
---|---|---|
Inhibin A | Frühe Follikelphase (ZT 1-7) | < 10-50 pg/ml |
Späte Follikelphase / Ovulation | 50-100 pg/ml | |
Lutealphase | 100-200 pg/ml | |
Postmenopausal | < 5-12 pg/ml | |
Inhibin B (Frauen) | Frühe Follikelphase (ZT 2-5) | 25-150 pg/ml |
Späte Follikelphase / Lutealphase | < 15-80 pg/ml | |
Postmenopausal | < 5-10 pg/ml | |
Inhibin B (Männer) | Erwachsene Männer (fertilitätsabhängig) | 80-400 pg/ml |
Mögliche Spermatogenesestörung* | < 80 pg/ml |
*assoziiert mit gestörter Spermatogenese (z. B. Azoospermie [Fehlen von Samenzellen im Ejakulat], testikuläre Dysfunktion [Funktionsstörung des Hodens])
Indikationen
- Abklärung von Fertilitätsstörungen (Unfruchtbarkeit)
- Beurteilung der ovariellen Reserve (Eizellvorrat)
- Diagnose und Verlaufskontrolle von Keimzelltumoren (z. B. Granulosazelltumoren der Ovarien, Sertoli-Zell-Tumoren)
- Beurteilung der testikulären Funktion beim Mann
- Unterstützung der Diagnostik bei vorzeitiger Ovarialinsuffizienz (vorzeitige Menopause) oder bei Verdacht auf polyzystisches Ovarialsyndrom (PCOS)
Tabellarische Darstellung der Indikationen für Inhibin A und B mit klarer Zuordnung des jeweiligen Parameters:
Indikation | Relevanter Marker |
---|---|
Abklärung von Fertilitätsstörungen (Unfruchtbarkeit) | Inhibin B (Frauen und Männer) |
Beurteilung der ovariellen Reserve (Eizellvorrat) | Inhibin B (Frauen) |
Diagnose und Verlaufskontrolle von Keimzelltumoren (z. B. Granulosazelltumoren, Sertoli-Zell-Tumoren) | Inhibin A und Inhibin B (je nach Tumor) |
Beurteilung der testikulären Funktion beim Mann | Inhibin B (Männer) |
Diagnostik bei vorzeitiger Ovarialinsuffizienz oder PCOS | Inhibin B (Frauen) |
Interpretation
Interpretation erhöhter Werte
- Ovarielle Tumoren (z. B. Granulosazelltumoren)
- Keimzelltumoren (z. B. Sertoli-Zell-Tumoren)
- Schwangerschaft (insbesondere Inhibin A)
- Ovarielles Überstimulationssyndrom (OHSS) – potenziell lebensbedrohliche Komplikation der ovariellen Stimulationstherapie
Interpretation erniedrigter Werte
- Vorzeitige Ovarialinsuffizienz
- Menopause
- Diminished ovarian reserve (verminderte Eizellreserve)
- Störungen der Spermatogenese (bei Männern)
- Hypogonadismus (Unterfunktion der Geschlechtsdrüsen)
Weitere Hinweise
- Inhibin A wird zusammen mit anderen Parametern (z. B. AFP, β-hCG, Estriol) in der pränatalen Diagnostik zur Risikoeinschätzung für Chromosomenanomalien (z. B. Trisomie 21) verwendet.
- Inhibin B gilt als sensitiver Marker für die ovarielle Reserve bei Frauen sowie für die Samenbildung beim Mann.
- Bei Verdacht auf Keimzelltumoren sollte Inhibin zusammen mit weiteren Tumormarkern bestimmt werden.