Freies Cortisol im 24-Stunden-Urin
Freies Cortisol im 24-Stunden-Urin ist ein diagnostisch bedeutsamer Parameter zur Erfassung der zirkulierenden ungebundenen Cortisolmenge (Stresshormon), die über die Nieren ausgeschieden wird. Die Bestimmung dient zur Beurteilung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (Steuerungssystem von Gehirn und Nebenniere) und wird vorrangig zur Abklärung eines Hyperkortisolismus (Überproduktion von Cortisol) eingesetzt.
Synonyme
- 24h-Urin-Cortisol
- Freies Cortisol im Sammelurin
- UFC (Urinary Free Cortisol)
Das Verfahren
- Benötigtes Material
- 24-Stunden-Sammelurin (gesammelter Urin über 24 Stunden)
- Vorbereitung des Patienten
- Sammelbeginn am Morgen nach vollständiger Blasenentleerung
- Keine spezifische diätetische Vorbereitung erforderlich
- Ggf. Absetzen von Glucocorticoiden (künstliche Cortisolpräparate) nach Rücksprache mit dem Arzt
- Störfaktoren
- Unvollständige Urinsammlung (häufigster Fehler)
- Stress, Schmerz, Alkohol, schwere körperliche Belastung
- Medikamenteneinnahme: z. B. Carbamazepin, Phenytoin, Östrogene
- Nierenerkrankungen (Filtrationsstörungen der Niere)
- Methode
- Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC, chemische Trennmethode)
- Flüssigchromatographie mit Tandem-Massenspektrometrie (LC-MS/MS; Referenzmethode)
- Immunoassays (Antikörper-basierte Tests, jedoch eingeschränkte Genauigkeit)
Normbereiche (je nach Labor)
Subgruppe / Alter | Referenzbereich (μg/24h) |
---|---|
Kinder bis 10. Lebensjahr | 2-27 |
Kinder 11.–20. Lebensjahr | 5-55 |
Erwachsene | 7,3-23,5 |
Normbereiche sind methoden- und laborabhängig
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Verdacht auf Hyperkortisolismus (Cushing-Syndrom = krankhafte Cortisolüberproduktion)
- Abklärung eines iatrogenen oder endogenen Glucocorticoidexzesses (zu hoher Cortisolspiegel durch Medikamente oder körpereigene Produktion)
- Verlaufs- oder Therapiekontrolle bei Cushing-Erkrankung
- Screening bei klinischen Hinweisen auf zentrale HHNA-Störung (Störung der Cortisol-Regulation im Gehirn-Nebennieren-System)
Interpretation
- Erhöhte Werte
- Morbus Cushing (Hirnanhangdrüsen- oder Nebennierenerkrankung mit zu viel Cortisol)
- Ektopes ACTH-Syndrom (z. B. durch Tumoren außerhalb der Hypophyse)
- Nebennierenrindenadenome oder -karzinome (gutartige oder bösartige Nebennierentumoren)
- Exogene Glucocorticoidzufuhr (z. B. unkontrollierte Einnahme von Cortison-Präparaten)
- Stresszustände, schwere Depressionen, Alkoholabhängigkeit (funktionelle Cortisolerhöhungen)
- Erniedrigte Werte
- Nebennierenrindeninsuffizienz (Morbus Addison = Nebennierenschwäche)
- Sekundärer Hypokortisolismus durch Hypophyseninsuffizienz (Funktionsstörung der Hirnanhangdrüse)
- Veränderte Cortisol-Bindung bei schweren Lebererkrankungen
- Spezifische Konstellationen
- Normale Cortisolwerte trotz Cushing-Symptomatik: Hinweis auf episodischen Cushing – weitere Tests erforderlich (z. B. Mitternachts-Cortisol, Dexamethason-Hemmtest)
- Intermittierende Ausscheidung – Wiederholung der Messung empfohlen
- Grenzwerte im oberen Normbereich – ggf. weitere funktionelle Tests indiziert
Weiterführende Diagnostik
- Dexamethason-Kurztest (Hemmtest mit künstlichem Cortisol zur Funktionstestung)
- Mitternachts-Cortisol im Speichel (Spucktest zum Cortisolwert bei Nacht)
- Serum-ACTH (Hormon der Hirnanhangdrüse zur Cortisolsteuerung)
- Bildgebung der Hypophyse (Magnetresonanztomographie, MRT) oder Nebennieren (Computertomographie, CT)
- CRH-Stimulationstest bei unklaren Befunden (Funktionstest mit Hormon zur Hypophysenstimulation)