17-Beta-Östradiol

17-Beta-Östradiol (Estradiol, E2) ist das quantitativ wichtigste und biologisch potenteste natürliche Östrogen. Es wird überwiegend in den Ovarien (Eierstöcke) (Granulosazellen des Follikels; nach Ovulation (Eisprung) im Corpus luteum (Gelbkörper)) gebildet; in der Schwangerschaft ist die Plazenta (Mutterkuchen) der Hauptproduktionsort. Beim Mann entsteht Estradiol überwiegend durch periphere Aromatisierung (hormonelle Umwandlung) von Androgenvorstufen (z. B. im Fettgewebe) sowie in geringerem Umfang in Hoden (Keimdrüsen) und Nebennieren. Die Serumkonzentration variiert physiologisch zyklusabhängig und steigt in der Schwangerschaft stark an.

Synonyme

• Östradiol
• Estradiol
• E2
• 17β-Östradiol

Charakteristische Laborbefunde

• Zyklusabhängige Dynamik mit präovulatorischem Peak und lutealem Abfall.
• Sehr niedrige Konzentrationen bei postmenopausalen Frauen, Kindern und häufig auch bei Männern mit eingeschränkter Aussagekraft vieler Immunoassays im Niedrigbereich.

Das Verfahren

• Benötigtes Material:
  • Serum (alternativ Plasma je nach Labor/Assay)
• Vorbereitung des Patienten:
  • Keine spezielle Vorbereitung erforderlich
  • Angabe von Zyklustag bzw. erstem Tag der letzten Regelblutung, Schwangerschaftswoche sowie laufender Hormontherapien obligat
• Störfaktoren:
  • Biotin-Interferenz bei biotin-streptavidinbasierten Immunoassays möglich; LC-MS/MS ist hiervon nicht betroffen.
  • Kreuzreaktivitäten und Matrixeffekte bei Immunoassays, insbesondere im Niedrigbereich.
  • Orale Östrogengabe kann in einzelnen Immunoassays zu falsch niedrigen Estradiolwerten führen.
• Methode:
  • Immunoassay
  • LC-MS/MS (Liquid Chromatography Tandem Mass Spectrometry) bei niedrigen Konzentrationen oder diskrepanten Befunden

Normbereiche für Frauen (je nach Labor)

Normbereiche für Männer (je nach Labor)

Normbereiche sind methoden- und laborabhängig.

Umrechnungsfaktor

• pg/ml × 3,671 = pmol/l

Indikationen (Anwendungsgebiete)

• Zyklusstörungen und Ovulationsdiagnostik
• Sterilitätsdiagnostik und Monitoring der Follikelreifung
• Abklärung der Ovarialfunktion im Kontext der Gonadotropine
• Abklärung von Gynäkomastie (Brustdrüsenvergrößerung beim Mann) und Hypogonadismus (Unterfunktion der Keimdrüsen) beim Mann
• Verdacht auf hormonproduzierende Tumoren

Interpretation

• Erhöhte Werte:
  • Frauen: präovulatorische Phase, Schwangerschaft, östrogenproduzierende Ovarialtumoren, exogene Östrogengabe, verminderter hepatischer Metabolismus.
  • Männer: gesteigerte Aromatisierung, Leberzirrhose (narbiger Umbau der Leber), selten hormonproduzierende Tumoren.
• Erniedrigte Werte:
  • Frauen: primäre Ovarialinsuffizienz, sekundäre/hypothalamisch-hypophysäre Ursachen.
  • Männer: klinisch relevant v. a. bei sehr niedrigen Konzentrationen; Messmethode kritisch prüfen.
• Weitere Hinweise:
  • Die Angabe des Zyklustages ist für die korrekte Interpretation obligat.

Weiterführende Diagnostik

• Follikel-stimulierendes Hormon (FSH)
• Luteinisierendes Hormon (LH)
• Progesteron
• Anti-Müller-Hormon
• Prolaktin, TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon)

Literatur

1. Rosner W, Hankinson SE, Sluss PM, Vesper HW, Wierman ME. Challenges to the measurement of estradiol: an Endocrine Society position statement. J Clin Endocrinol Metab. 2013;98(4):1376-1387. https://doi.org/10.1210/jc.2012-3780
2. Casals G, Ferrer Costa R, Urgell Rull E, et al. Recommendations for the measurement of sexual steroids in clinical practice. Adv Lab Med. 2023;4(1):52-69. https://doi.org/10.1515/almed-2023-0020
3. Cirrincione LR, Crews BO, Dickerson JA, et al. Oral estrogen leads to falsely low concentrations of estradiol in a common immunoassay. Endocr Connect. 2022;11(2):e210550. https://doi.org/10.1530/EC-21-0550
4. Li D, Radulescu A, Shrestha RT, et al. Association of biotin ingestion with performance of hormone and nonhormone assays in healthy adults. JAMA. 2017;318(12):1150-1160. https://doi.org/10.1001/jama.2017.13705