Akutes Koronarsyndrom – Weitere Therapie
Verdacht auf akutes Koronarsyndrom (akuter Herznotfall): Sofort Notruf absetzen! (Rufnummer 112)
Allgemeine Maßnahmen
- Einstellung vorhandener Grunderkrankungen (Grunderkrankungen) (z. B. Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), Hyperurikämie/Gicht (erhöhte Harnsäure/Gicht), Hypercholesterinämie (erhöhte Cholesterinwerte), Homocysteinämie (erhöhtes Homocystein) etc.) auf optimale Werte
- Optimale Zahnhygiene! – schlechte Zahnhygiene kann zu Gingivitis (Zahnfleischentzündung) oder Parodontitis (Zahnhalteapparatentzündung) führen und in der Folge können durch die Mundhöhle infektiöse Erreger eindringen, die Atherosklerose (Arteriosklerose) begünstigen können
- Nikotinrestriktion (Rauchverzicht) inkl. Passivrauchen – aktive Raucher sollten an einem Raucherentwöhnungsprogramm teilnehmen!
- Raucher, die im Alter unter 50 Jahren ein akutes Koronarsyndrom (akuter Herznotfall)/Myokardinfarkt (Herzinfarkt) erleiden, können durch den Verzicht auf Tabakprodukte ihr Risiko, in den nächsten 10 Jahren zu sterben, deutlich senken.
- Begrenzter Alkoholkonsum (Männer: max. 25 g Alkohol pro Tag; Frauen: max. 12 g Alkohol pro Tag)
- Normalgewicht anstreben!
- Bestimmung des BMI (Body-Mass-Index, Körpermasse-Index) bzw. der Körperzusammensetzung mittels elektrischer Impedanzanalyse
- BMI ≥ 25 → Teilnahme an einem ärztlich betreuten Abnehmprogramm
- Ausreichender Schlaf und Ruhephasen helfen Stress abzubauen (Erwachsene: 7-9 Stunden Schlaf)
- Überprüfung der Dauermedikation (Dauermedikamente) wg. möglicher Auswirkung auf die vorhandene Krankheit
- Vermeidung psychosozialer Belastungen:
- Stress
- soziale Isolation
- depressive Symptome
Konventionelle nicht-operative Therapieverfahren
- Reperfusionstherapie (Wiedereröffnung der Durchblutung) – Ziel: Wiederherstellung der Durchblutung des Herzens
- Primäre perkutane Koronarintervention (PCI) (Herzkatheter-Behandlung)
- Bei akutem STEMI (ST-Hebungsinfarkt) sollte die Koronar-Revaskularisation so schnell wie möglich erfolgen (prähospital/door-to-balloon-orientiert).
- Im akuten Stadium kann eine Akut-PTCA (Ballonaufdehnung der Herzkranzgefäße) durchgeführt werden: Dilatation stenotischer Koronargefäßbereiche über A. femoralis (Leistenarterie) oder A. radialis (Unterarmarterie), Ballondilatation und Stentimplantation (in der Regel Drug-Eluting-Stent (medikamentenbeschichteter Stent)).
- Hinweis: Thrombusaspiration (Absaugen eines Blutgerinnsels) – das routinemäßige Aspirieren eines Thrombus aus der Infarktarterie mittels Herzkatheter führt nicht zur Verbesserung der Prognose von Patienten mit akutem ST-Hebungs-Myokardinfarkt (ST-Hebungs-Herzinfarkt) und hat keinen gesicherten Einfluss auf die Mortalität nach 30 Tagen.
- Thrombolyse (Gerinnselauflösung)
- Option, wenn eine zeitgerechte primäre PCI nicht verfügbar ist und keine Kontraindikationen bestehen (insbesondere im STEMI-Setting).
- Der größte Nutzen besteht bei sehr früher Anwendung nach Symptombeginn; das Zeitfenster ist strikt risikoadaptiert zu beurteilen.
- Primäre perkutane Koronarintervention (PCI) (Herzkatheter-Behandlung)
- Antiischämische Therapie (Therapie gegen Minderdurchblutung)
- Nitrate (Gefäßerweiterer) bei persistierendem ischämischem Schmerz und fehlender Hypotonie
- Betablocker (Puls-/Blutdrucksenker) bei Tachykardie/Hypertonie ohne Zeichen der Herzinsuffizienz und ohne Hypotonie
- Sauerstoff (O2-Gabe) nur bei Hypoxämie oder klinischer Herzinsuffizienz
- Analgesie (Schmerztherapie) bei starken Schmerzen (z. B. Opioide) unter Beachtung möglicher Interaktionen/Verzögerung der Resorption oraler P2Y12-Hemmer (Blutplättchenhemmer)
- Frührehabilitative Mobilisation (früher Belastungsaufbau) nach Stabilisierung: stufenweiser Belastungsaufbau, Monitoring, frühe Planung der Rehabilitation
Impfungen
- COVID-19-Impfung
- Grippe-Impfung
- Influenza-Impfung nach Myokardinfarkt (Herzinfarkt)/koronarem Hochrisiko kann das Risiko klinischer Ereignisse reduzieren (randomisierte Daten liegen vor).
- Pneumokokken-Impfung (Impfung gegen Pneumokokken)
Regelmäßige Kontrolluntersuchungen
- Regelmäßige ärztliche Kontrolluntersuchungen
- Risikostratifizierung und Verlaufskontrollen nach Stabilisierung: Blutdruck, Lipide, Glucosestoffwechsel, Adhärenz, Nebenwirkungen
- Apparative Verlaufskontrollen nach Indikation: EKG (Herzstromkurve), Echokardiographie (Herzultraschall), Belastungstest im Verlauf, ggf. Rhythmusdiagnostik
Ernährungsmedizin
- Ernährungsberatung auf der Grundlage einer Ernährungsanalyse
- Ernährungsempfehlungen unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkrankung:
- täglich insgesamt 5 Portionen frisches Gemüse und Obst (≥ 400 g; 3 Portionen Gemüse und 2 Portionen Obst)
- ein- bis zweimal pro Woche frischen Seefisch, d. h. fette Meeresfische (Omega-3-Fettsäuren) wie Lachs, Hering, Makrele
- ballaststoffreiche Ernährung (Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, pektinreiche Obstsorten)
- Beachtung folgender spezieller Ernährungsempfehlungen:
- Vermeiden von:
- zu hoher Kalorienzufuhr und fettreicher Ernährung (hohe Aufnahme gesättigter Fettsäuren)
- rotem Fleisch und verarbeiteten Fleischwaren
- Transfettsäuren (industrielle Fetthärtung; Erhitzen/Braten von Ölen bei hohen Temperaturen)
- Ernährung reich an:
- Vitaminen (Vitamin B6, B12, Folsäure, C)
- Spurenelementen (Selen)
- Omega-3-Fettsäuren (Meeresfisch)
- Sekundären Pflanzenstoffen (z. B. Beta-Carotin)
- Weiteren Mikronährstoffen (L-Carnitin, Coenzym Q10)
- Vermeiden von:
Sportmedizin
- Geeignet sind vor allem Ausdauersportarten wie Radfahren, Nordic Walking und Schwimmen
- Ausdauertraining (Cardiotraining) und Krafttraining (Muskeltraining) nach Stabilisierung und ärztlicher Freigabe
- Belastungsaufbau im Rahmen einer kardiologischen Rehabilitation, ggf. mit Fahrradergometrie unter Pulskontrolle
- Erstellung eines Fitness- bzw. Trainingsplans mit geeigneten Sportdisziplinen auf der Grundlage eines medizinischen Checks
Psychotherapie
- Ggf. Psychotherapie
- Entspannungsverfahren wie Yoga, autogenes Training oder Qigong können hilfreich sein.
- Gezielte Stressreduktion und psychosoziale Unterstützung zur Verbesserung der Therapieadhärenz
Rehabilitation
- Im Anschluss an den Krankenhausaufenthalt trainingsbasierte Rehabilitation (stationär oder ambulant)
- Strukturierte Schulung, Trainingstherapie und Verlaufsmonitoring
- Bei Bedarf psychokardiologische Betreuung und kognitive Verhaltenstherapie
Organisationen und Selbsthilfegruppen
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) – www.bzga.de
- Deutsche Herzstiftung e. V. – www.herzstiftung.de
- Deutsche Hochdruckliga e. V. – www.hochdruckliga.de
- Deutsche Gefäßliga e. V. – www.deutsche-gefaessliga.de
Leitlinien
- Ibanez B, James S, Agewall S, Antunes MJ, Bucciarelli-Ducci C, Bueno H et al.: 2017 ESC Guidelines for the management of acute myocardial infarction in patients presenting with ST-segment elevation. Eur Heart J. 2018;39(2):119-177. https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehx393
- Neumann FJ, Sousa-Uva M, Ahlsson A, Alfonso F, Banning AP, Benedetto U et al.: 2018 ESC/EACTS Guidelines on myocardial revascularization. Eur Heart J. 2019;40(2):87-165. https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehy394
- Pelhåm CJ, Corrado D, Sharma S et al.: 2020 ESC Guidelines on sports cardiology and exercise in patients with cardiovascular disease. Eur Heart J. 2021;42(1):17-96. https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehaa605
- Collet JP, Thiele H, Barbato E, Barthélémy O, Bauersachs J, Bhatt DL et al.: 2020 ESC Guidelines for the management of acute coronary syndromes in patients presenting without persistent ST-segment elevation. Eur Heart J. 2021;42(14):1289-1367. https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehaa575
- Byrne RA, Rossello X, Coughlan JJ, Barbato E, Berry C, Chieffo A et al.: 2023 ESC Guidelines for the management of acute coronary syndromes. Eur Heart J. 2023;44(38):3720-3826. https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehad191