Akutes Koronarsyndrom – Ursachen
Pathogenese
Das akute Koronarsyndrom (AKS/ACS) ist die klinische Manifestation einer akuten myokardialen Ischämie (Minderdurchblutung des Herzmuskels) durch eine plötzliche, relevante Reduktion des koronaren Blutflusses (Blutfluss in den Herzkranzgefäßen). Pathophysiologisch stehen akute atherothrombotische Ereignisse (Plaqueruptur (Einriss eines Gefäß-Plaques) oder Plaqueerosion (Oberflächenschaden eines Gefäß-Plaques) mit Thrombusbildung (Blutgerinnselbildung)) im Vordergrund; seltener sind nicht-atherothrombotische Mechanismen wie Koronarspasmus (Krampf der Herzkranzgefäße), spontane Koronardissektion (spontaner Einriss der Wand eines Herzkranzgefäßes) oder eine myokardiale Sauerstoffangebots-/bedarfs-Dysbalance (Ungleichgewicht zwischen Sauerstoffangebot und Sauerstoffbedarf des Herzmuskels) ursächlich [1, 2].
Mechanismen und Ursachen des akuten Koronarsyndroms
- Koronare Atherosklerose: Häufigste Grundlage des AKS ist die koronare Atherosklerose (Gefäßverkalkung der Herzkranzgefäße) mit Entwicklung vulnerabler Plaques (instabile Gefäßablagerungen). Endotheliale Dysfunktion (Funktionsstörung der Gefäßinnenhaut), Lipidakkumulation (Fettablagerung) und inflammatorische Aktivität (Entzündungsaktivität) fördern Plaqueprogression (Zunahme der Plaques) und Vulnerabilität (Instabilität) [1].
- Plaqueruptur und atherothrombotische Okklusion: In vielen Fällen führt die Ruptur einer vulnerablen Plaque (Einriss einer instabilen Gefäßablagerung) (dünne fibröse Kappe (dünne Bindegewebskappe), hohe Entzündungsaktivität (starke Entzündung)) zur Exposition thrombogenen Materials (Freilegung gerinnungsaktiver Bestandteile), Aktivierung der Thrombozyten- und Gerinnungskaskade (Aktivierung von Blutplättchen und Blutgerinnung) und akuter Thrombusbildung (akute Blutgerinnselbildung) mit Flusslimitierung (Blutflussminderung) bis zur Okklusion (Gefäßverschluss) [1, 2].
- Plaqueerosion: Bei einem relevanten Anteil akuter Koronarereignisse (akuter Ereignisse an den Herzkranzgefäßen) liegt eine Plaqueerosion (Oberflächenschaden eines Gefäß-Plaques) vor (Endothelschaden (Schaden der Gefäßinnenhaut) ohne klassische Ruptur (ohne typischen Einriss)). Auch hier resultiert eine Thrombusbildung (Blutgerinnselbildung) mit akuter Ischämie (akuter Minderdurchblutung), klinisch häufig im Spektrum des NSTE-ACS (ACS ohne ST-Hebung) [1].
- Spontane Koronardissektion: Eine spontane Koronardissektion (spontaner Einriss der Wand eines Herzkranzgefäßes) kann insbesondere bei jüngeren Patienten ohne klassische Risikofaktoren ein AKS auslösen; die Mechanik ist nicht primär atherothrombotisch (nicht primär durch Gefäßverkalkung mit Blutgerinnsel), das klinische Bild kann NSTEMI (Herzinfarkt ohne ST-Hebung) oder STEMI (Herzinfarkt mit ST-Hebung) entsprechen [1, 2].
- Koronarspasmus und mikrovaskuläre Dysfunktion: Ein epikardialer Spasmus (Krampf eines großen Herzkranzgefäßes) und/oder eine mikrovaskuläre Dysfunktion (Funktionsstörung der kleinsten Herzgefäße) kann eine transiente (vorübergehende) oder anhaltende Ischämie (Minderdurchblutung) verursachen, teils mit Troponin-Dynamik (typischer zeitlicher Veränderung des Troponins); dies ist differenzialdiagnostisch relevant (für die Abgrenzung anderer Ursachen wichtig), insbesondere bei nicht-obstruktiven Koronararterien (nicht wesentlich verengten Herzkranzgefäßen) [1,2].
- Myokardinfarkt-Typen im Kontext Troponin: Leitliniengerecht ist die Abgrenzung zwischen Typ-1-Myokardinfarkt (Herzinfarkt durch akutes Gefäßereignis) (atherothrombotisch (durch Gefäßverkalkung mit Blutgerinnsel), Plaqueruptur/-erosion/-dissektion (Einriss/Oberflächenschaden/Einriss der Gefäßwand)) und Typ-2-Myokardinfarkt (Herzinfarkt durch Ungleichgewicht von Angebot und Bedarf) (Sauerstoffangebots-/bedarfs-Dysbalance (Ungleichgewicht zwischen Sauerstoffangebot und Sauerstoffbedarf) ohne akutes atherothrombotisches Ereignis (ohne akutes Gefäßverkalkungs-/Gerinnselereignis)) zentral; beide können mit Troponin-Dynamik (typischer zeitlicher Veränderung des Troponins) einhergehen und müssen klinisch, elektrokardiographisch (im EKG) und bildgebend eingeordnet werden [1,3].
- Myokardinfarkt mit nicht-obstruktiven Koronararterien: Ein Teil der Patienten mit klinischem Myokardinfarkt (Herzinfarkt) zeigt keine obstruktiven epikardialen Stenosen (keine relevanten Engstellen der großen Herzkranzgefäße); mögliche Mechanismen umfassen Koronarspasmus (Krampf der Herzkranzgefäße), Embolie (Gefäßverschluss durch eingeschwemmtes Material), Dissektion (Einriss der Gefäßwand), mikrovaskuläre Dysfunktion (Funktionsstörung der kleinsten Herzgefäße) sowie ischämische (durch Minderdurchblutung) und nicht-ischämische Ursachen der Troponinerhöhung (Troponinanstieg ohne Minderdurchblutung), weshalb eine strukturierte Abklärung (gezielte Abklärung) erforderlich ist [1, 2].
Faktoren, die Ausmaß und Prognose der Ischämie beeinflussen
- Koronare Anatomie und Versorgungsgebiet: Betroffenes Gefäß (betroffenes Herzkranzgefäß), Myokardterritorium (Versorgungsgebiet des Herzmuskels) und Kollateralstatus (Umgehungskreislauf) bestimmen das potenziell gefährdete Areal (potenziell gefährdeten Bereich).
- Grad und Dauer der Flusslimitierung: Vollständige Okklusion (vollständiger Gefäßverschluss) vs. partielle/intermittierende Flussminderung (teilweise/zeitweise Blutflussminderung) und Zeit bis zur Reperfusion (Zeit bis zur Wiedereröffnung) sind prognostisch entscheidend [1, 2].
- Thrombuslast und distale Embolisation: Beeinflusst Mikroperfusion (Durchblutung der kleinsten Gefäße), Infarktgröße (Größe des Herzinfarkts) und klinischen Verlauf.
- Begleitfaktoren: Vorbestehende linksventrikuläre Dysfunktion (vorbestehende Schwäche der linken Herzkammer), Komorbiditäten (Begleiterkrankungen), Blutungsrisiko (Risiko für Blutungen) und inflammatorische Aktivität (Entzündungsaktivität) modulieren Risiko und Outcome (Behandlungsergebnis) [1, 2].
Ätiologie
Ätiologisch lassen sich Auslöser und begünstigende Faktoren des AKS in nicht-modifizierbare Faktoren (nicht beeinflussbare Faktoren), modifizierbare Risikofaktoren (beeinflussbare Risikofaktoren) sowie krankheits- und situationsbedingte Trigger (Auslöser) einteilen. Die klinische Relevanz liegt in der konsequenten Primär- und Sekundärprävention (Vorbeugung und Verhinderung von Folgeereignissen) sowie der Differenzierung atherothrombotischer (durch Gefäßverkalkung mit Blutgerinnsel) gegenüber nicht-atherothrombotischer Mechanismen (nicht durch Gefäßverkalkung mit Blutgerinnsel) [1, 2].
Biographische Ursachen
- Alter
- Männliches Geschlecht (bis zur Annäherung im höheren Alter)
- Familiäre Vorbelastung/vorzeitige kardiovaskuläre Ereignisse in der Familie (frühe Herz-Kreislauf-Ereignisse in der Familie)
Verhaltensbedingte Ursachen
- Ernährung
- Hohe Aufnahme gesättigter Fettsäuren/Transfettsäuren und energiedichte Ernährung begünstigen Atheroskleroseprogression (Fortschreiten der Gefäßverkalkung).
- Ungünstiges Lipidprofil (ungünstige Blutfette) ist ein zentraler mechanistischer Treiber atherothrombotischer Ereignisse (Ereignisse durch Gefäßverkalkung mit Blutgerinnsel) [1, 2].
- Genussmittelkonsum
- Tabakkonsum (Rauchen) ist ein starker unabhängiger Risikofaktor für atherothrombotische Ereignisse (Ereignisse durch Gefäßverkalkung mit Blutgerinnsel) [2].
- Kokain und andere Sympathomimetika (stark aktivierende Substanzen) können über Vasospasmus (Gefäßkrampf)/Thrombogenität (Gerinnungsneigung) AKS triggern [2].
- Körperliche Aktivität
- Bewegungsmangel fördert metabolische Risikokonstellationen (Adipositas (starkes Übergewicht), Insulinresistenz (verminderte Insulinwirkung), Dyslipidämie (Störung der Blutfette)) und erhöht das atherosklerotische Risiko (Risiko für Gefäßverkalkung).
- Psycho-soziale Situation
- Chronischer Stress, geringe soziale Unterstützung und psychosoziale Belastungen beeinflussen Adhärenz (Therapietreue), Risikoverhalten und Prognose und sollten strukturiert erfasst werden [2].
- Depressive Symptome (depressive Beschwerden) sind bei koronarer Herzkrankheit (Erkrankung der Herzkranzgefäße) häufig und prognostisch relevant [2].
- Schlafqualität
- Schlafstörungen und Schlafapnoesyndrom (Atemaussetzer im Schlaf) sind mit kardiovaskulären Ereignissen (Herz-Kreislauf-Ereignissen) assoziiert und wirken über metabolische und sympathoadrenerge Mechanismen (Stoffwechsel- und Stressnerven-Mechanismen) [2].
- Übergewicht (BMI ≥ 25; Adipositas)
- Fördert Atherosklerose (Gefäßverkalkung) über Insulinresistenz (verminderte Insulinwirkung), Hypertonie (Bluthochdruck), Dyslipidämie (Störung der Blutfette) und systemische Inflammation (systemische Entzündung).
Krankheits- und situationsbedingte Ursachen
- Koronare Herzkrankheit (Erkrankung der Herzkranzgefäße) als strukturelle Grundlage atherothrombotischer Ereignisse (Ereignisse durch Gefäßverkalkung mit Blutgerinnsel) [1, 2].
- Infektionen/akute inflammatorische Zustände (Infektionen/akute Entzündungen) als Trigger (Auslöser) über proinflammatorische und prothrombotische Mechanismen (entzündungs- und gerinnungsfördernde Mechanismen) [2].
- Sauerstoffangebots-/bedarfs-Dysbalance (Ungleichgewicht zwischen Sauerstoffangebot und Sauerstoffbedarf) (z. B. schwere Anämie (Blutarmut), Hypotonie (niedriger Blutdruck), Tachyarrhythmien (schnelle Herzrhythmusstörungen), Sepsis (Blutvergiftung)) als Mechanismus des Typ-2-Myokardinfarkts (Herzinfarkt durch Ungleichgewicht von Angebot und Bedarf) [1, 3].
- Hypertensive Krisen/Notfälle (Blutdruckkrisen) und schwere respiratorische Dekompensationen (schwere Verschlechterung der Atmung) als Triggerkonstellationen (Auslöserkonstellationen) [2].
Literatur
- Byrne RA, Rossello X, Coughlan JJ, Barbato E, Berry C, Chieffo A et al.: 2023 ESC Guidelines for the management of acute coronary syndromes. Eur Heart J. 2023;44(38):3720-3826. https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehad191
- Gulati M, Levy PD, Mukherjee D, Amsterdam E, Bhatt DL, Birtcher KK et al.: 2021 AHA/ACC Guideline for the Evaluation and Diagnosis of Chest Pain. Circulation. 2021. https://doi.org/10.1161/CIR.0000000000001029
- Thygesen K, Alpert JS, Jaffe AS, Chaitman BR, Bax JJ, Morrow DA et al.: Fourth Universal Definition of Myocardial Infarction (2018). Eur Heart J. 2018. https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehy462
- Rao SV et al.: 2025 ACC/AHA/ACEP/NAEMSP/SCAI Guideline for the Management of Patients With Acute Coronary Syndromes. J Am Coll Cardiol. 2025. https://doi.org/10.1016/j.jacc.2024.11.009