Vaginales Relaxationssyndrom – Einleitung

Unter einem vaginalen Relaxationssyndrom (VRS) versteht man eine funktionelle und strukturelle Erschlaffung der Vaginalwände mit verminderter Spannung und Elastizität sowie reduzierter Unterstützung durch Beckenbodenmuskulatur und endopelvine Faszien. Klinisch äußert sich dies häufig als subjektives 'Weitegefühl', verbundene sexuelle Funktionsstörungen sowie Belastungsinkontinenz (Blasenschwäche z. b. nach körperlicher Belastung). Das VRS ist ein eigenständiges, jedoch terminologisch uneinheitliches Krankheitsbild, das in der Literatur auch als 'Vaginal Laxity' oder 'GenitoPelvic Vaginal Laxity' beschrieben wird.

Synonyme und ICD-10: Vaginalrelaxation; Vaginale Laxität; Vaginale Überdehnung; Vaginal laxity syndrome; Lax vagina syndrome; GenitoPelvic Vaginal Laxity; Postpartum-Vaginalrelaxation; Atrophische Vaginalerweiterung; Erweiterung des Vaginalkanals; Beckenbodenrelaxation; Funktionelle Vaginalinsuffizienz.
ICD-10-GM: keine eigenständige Kodierung; häufig im Kontext N81.- (Prolaps der weiblichen Genitalorgane).

Formen des vaginalen Relaxationssyndroms

  • Leicht: Subjektives Weitegefühl, ohne signifikante anatomische Veränderungen, oft postpartal ("nach der Entbindung")
  • Mittelgradig: Sicht- oder tastbare Erweiterung der Scheidenwände, ggf. beginnende Zystozele oder Rektozele
  • Schwer: Ausgeprägte Vaginalwanderschlaffung mit Funktionsstörungen (z. B. Inkontinenz, sexuelle Dysfunktion, Infekte)
  • Ätiologisch: postpartal, altersassoziiert, traumatisch/iatrogen oder sportassoziiert

Epidemiologie 

Häufigkeitsgipfel

  • Häufigkeitsgipfel zwischen dem 30.-50. Lebensjahr
  • Zunehmende Häufigkeit in der Postmenopause

Prävalenz

  • Belastbare Populationsdaten fehlen
  • Studien zeigen eine Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) von ca. 8 % bei primiparen Frauen 6 Monate post partum ("nach der Entbindung")
  • Deutlich höhere Raten werden bei Mehrgebärenden und postmenopausalen Frauen (nach den Wechseljahren) berichtet.

Inzidenz

  • Exakte Inzidenzdaten (Daten zur Häufigkeit von Neuerkrankungen) fehlen.
  • Das Risiko steigt mit zunehmender Zahl vaginaler Geburten sowie mit dem Alter.

Verlauf und Prognose 

Verlauf

  • Das VRS verläuft in der Regel chronisch-persistierend.
  • Leichte Formen können sich postpartal teilweise spontan zurückbilden.
  • Konservative Maßnahmen wie Beckenbodentraining, Biofeedback oder lokale Hormontherapie können eine deutliche Symptomverbesserung bewirken.
  • Apparative Verfahren (Laser, Radiofrequenz, fokussierter Ultraschall) zeigen vor allem eine Verbesserung der Sexualfunktion; der angestrebte „Tightening-Effekt“ ist in Studienergebnissen jedoch uneinheitlich belegt.
  • Operative Optionen werden nur selten notwendig und sind insbesondere bei strukturell ausgeprägten Befunden indiziert.

Prognose

  • Die Prognose hängt wesentlich vom Schweregrad des Befundes und von der Adhärenz zu konservativen Maßnahmen ab.
  • Bei leichten bis moderaten Ausprägungen lässt sich häufig eine zufriedenstellende Symptomkontrolle erreichen.
  • Langzeitergebnisse: Konservative Therapien zeigen bei kontinuierlicher Anwendung stabile Effekte, können jedoch bei Therapieabbruch nachlassen. Apparative Verfahren weisen aktuell begrenzte Daten zu Langzeiteffekten auf, weshalb der nachhaltige Nutzen kritisch bewertet werden muss.
  • Rezidivrate: Nach initialer Besserung ist ein Wiederauftreten der Symptomatik nicht selten, insbesondere bei fortbestehenden Risikofaktoren (z. B. Mehrgebärigkeit, Bindegewebsschwäche, Übergewicht).
  • Lebensqualität: Eine erfolgreiche Therapie – konservativ, apparativ oder operativ – führt häufig zu einer deutlichen Verbesserung von Selbstwahrnehmung, Körperbild und allgemeinem Wohlbefinden.
  • Sexualfunktion: Verbesserungen werden vor allem durch apparative und operative Maßnahmen berichtet. Allerdings ist die Datenlage heterogen, und nicht alle Patientinnen berichten von einer klinisch relevanten Verbesserung.
  • Insgesamt ist die Prognose günstig, sofern eine individuelle, an Befund und Symptomatik angepasste Therapie erfolgt, jedoch bleibt die Evidenzlage zu Langzeitergebnissen und Rezidivraten begrenzt.

Komorbiditäten

Häufige Assoziationen sind:

  • Pelvic Organ Prolaps (POP)
  • Belastungsinkontinenz
  • Sexuelle Dysfunktion (vermindertes Empfinden, Orgasmusstörungen)
  • Atrophische Veränderungen im Rahmen des Genitourinary Syndrome of Menopause (GSM)
  • Rezidivierende (wiederkehrende) Infektionen
  • Beckenbodenschmerzen

Autoren: Prof. Dr. med. G. Grospietsch, Dr. med. W. G. Gehring

Leitlinien

  1. S2k-Leitlinie: Harninkontinenz der Frau (AWMF 015-091, 2022)
  2. S2k-Leitlinie: Harninkontinenz bei geriatrischen Patienten – Diagnostik und Therapie (AWMF 084-001, 2024)
  3. EAU Guidelines on urinary incontinence (Lucas et al., 2012)

Literatur

  1. Aulia I, Valeria M: Current perspectives in vaginal laxity measurement: a scoping review. Arch Plast Surg. 2023;50(5):452-462. doi.org/10.1055/a-2113-3202.
  2. Kolczewski P, Kozłowski M, Cymbaluk-Płoska A: Micro-Focused Ultrasound Therapy in Patients with Urogenital Atrophy and Vaginal Laxity. J Clin Med. 2022;11(23):6980. doi.org/10.3390/jcm11236980.
  3. Newman R, Campbell PC, Gooneratne ML, Lowenstein L: GenitoPelvic Vaginal Laxity: Classification, Etiology, Symptomatology, and Treatment Considerations. Curr Sex Health Rep. 2018;10:222-236.doi.org/10.1007/s11930-018-0168-z.
  4. Pauls RN, Fellner AN, Davila GW: Vaginal laxity: a poorly understood quality-of-life problem. Int Urogynecol J. 2012;23(10):1435-1448. doi.org/10.1007/s00192-012-1757-4.
  5. Pereira GMV, Cartwright R, Juliato CRT, Domoney C, Iglesia CB, Brito LGO: Treatment of women with vaginal laxity: systematic review with meta-analysis. J Sex Med. 2024;21(5):430-442. doi.org/10.1093/jsxmed/qdae028.
  6. Price N, Jackson SR, Avery K, Brookes ST, Abrams P: Development and psychometric evaluation of the ICIQ Vaginal Symptoms Questionnaire: the ICIQ-VS. BJOG. 2006;113(6):700-712. doi.org/10.1111/j.1471-0528.2006.00938.x.
  7. Godoy MR, Pereira GMV, Viegas CV, Monteiro MVC: Prevalence of vaginal laxity in primiparous women six months after birth. Rev Bras Ginecol Obstet (RBGO). 2025;47:e-rbgo61. doi.org/10.61622/rbgo/2025rbgo61.