ADH (antidiuretisches Hormon)
Das ADH (antidiuretisches Hormon) ist ein Peptidhormon, das im Hypothalamus (Steuerzentrum im Gehirn) synthetisiert und im Hypophysenhinterlappen (Hinterlappen der Hirnanhangsdrüse) gespeichert sowie sezerniert wird.
ADH reguliert primär den Wasserhaushalt durch Steigerung der Wasserrückresorption in den Sammelrohren der Niere (Nierensammelkanäle) (V2-Rezeptor-vermittelt (spezifische Bindungsstelle)). Zusätzlich entfaltet es eine vasokonstriktorische Wirkung über V1-Rezeptoren (Gefäßrezeptoren).
Physiologische Stimuli der ADH-Sekretion: Anstieg der Plasmaosmolalität (Konzentration gelöster Teilchen im Blut), Abnahme des effektiven zirkulierenden Blutvolumens, Hypotonie (niedriger Blutdruck), Stress/Schmerz/Übelkeit.
Synonyme
- antidiuretisches Hormon
- Vasopressin
- Adiuretin
Das Verfahren
Benötigtes Material: EDTA-Plasma.
Vorbereitung des Patienten
- 12 Stunden vor Blutentnahme: kein Alkohol, kein Koffein, kein Nikotin
- Wenn möglich 24-48 Stunden vorher: Absetzen ADH-beeinflussender Medikamente
- Körperliche Ruhe vor Blutentnahme
Störfaktoren
- Stress, Schmerz, Hypoglykämie
- Alkohol, Nikotin
- Medikamente (z. B. Atropin, Phenytoin)
- Unzureichende Kühlung oder verzögerte Verarbeitung (Präanalytik)
Methode
- Immunoassay
- Strenge Präanalytik: sofortige Kühlung, rasche Zentrifugation, schneller Transport
- Aufgrund der Instabilität von ADH ist die Aussagekraft der Direktmessung begrenzt
Normwerte
- ADH im Plasma: 6-12 pg/ml
Hinweis: Einzelwerte sind aufgrund hoher biologischer und präanalytischer Variabilität stets im klinischen Kontext zu interpretieren.
Indikationen
- Abklärung von Polyurie-Polydipsie-Syndromen (vermehrtes Wasserlassen und vermehrter Durst)
- Differenzierung zentraler vs. renaler Diabetes insipidus (Wasserharnruhr)
- Abklärung von Hyponatriämien (niedriger Natriumspiegel im Blut) unklarer Genese
- Verdacht auf inadäquate ADH-Sekretion
Interpretation
Interpretation erhöhter Werte
- Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH) (Synonym: Schwartz-Bartter-Syndrom) – es besteht in Bezug auf die Blutplasma-Osmolalität eine unangemessene hohe Ausschüttung von Antidiuretischem Hormon; dieses führt zu einer zu geringen Flüssigkeitsausscheidung über die Nieren mit der Entstehung eines hoch konzentrierten Urins; die Folge ist eine Hyperhydratation (Überwässerung) mit Verdünnungshyponatriämie, die zu einem Hirnödem (Schwellung des Gehirns) führen kann.
Ätiologie: in ca. 80 % der Fälle paraneoplastisch bei Patienten mit einem kleinzelligen Bronchialkarzinom (Lungenkrebs); weitere mögliche Ursachen sind Hirnblutungen, Hirntumor, Meningitis (Hirnhautentzündung), Enzephalitis (Gehirnentzündung), Legionellenpneumonie (durch Legionellen hervorgerufene Form der Pneumonie/Lungenentzündung), Tuberkulose, Karzinome (Ausschlussdiagnose) - Akute intermittierende Porphyrie (AIP) – Patienten mit dieser Krankheit weisen eine Reduktion der Aktivität des Enzyms Porphobilinogen-Desaminase von 50 Prozent auf. Auslöser einer Porphyrieattacke sind Infektionen, Medikamente oder Alkohol. Das klinische Bild präsentiert sich als akutes Abdomen (starke Bauchschmerzen, oft begleitet von Abwehrspannung der Bauchmuskulatur, Übelkeit, Erbrechen und Kreislaufproblemen/Notfall) oder als neurologische Ausfälle. Leitsymptome sind intermittierende neurologische und psychiatrische Störungen mit autonomer Neuropathie (Störung des vegetativen Nervensystems), abdominellen Koliken, Nausea (Übelkeit), Erbrechen, Obstipation (Verstopfung), Tachykardie (Herzrasen) und labilem Hypertonus (schwankend erhöhter Blutdruck).
- Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion)
- Akuter Blutverlust
- Stress, Angst
- Nikotinkonsum
Interpretation erniedrigter Werte
- Zentraler Diabetes insipidus
- Alkohol
- Medikamente (z. B. Atropin, Phenytoin)
- Schädel-Hirn-Trauma (Kopfverletzung)
- Tumoren oder Entzündungen des zentralen Nervensystems
Spezifische Konstellationen
- Hyponatriämie + erniedrigte Plasmaosmolalität + inadäquat konzentrierter Urin: SIADH wahrscheinlich
- Polyurie + niedrige Urinosmolalität + erniedrigtes ADH: zentraler Diabetes insipidus
- Polyurie + niedrige Urinosmolalität + normales/erhöhtes ADH: renaler Diabetes insipidus (ADH-Unempfindlichkeit der Niere)
- Hyponatriämie + neurologische Symptome + Stresssituation: SIADH oder AIP differenzialdiagnostisch berücksichtigen
Weiterführende Diagnostik
- Plasmaosmolalität, Urinosmolalität
- Natrium im Serum, Natrium im Urin
- Wasserentzugstest (stationär)
- Desmopressin-Test
- Copeptin als stabiler Surrogatmarker der ADH-Sekretion
- Bildgebung des Hypothalamus-Hypophysen-Systems (Magnetresonanztomographie)
- Tumorsuche bei Verdacht auf paraneoplastisches SIADH
- Porphyrin-Diagnostik im Urin bei klinischem Verdacht auf AIP