Zahnbehandlungen in der Schwangerschaft – was ist möglich, was sollte warten?
Die zahnmedizinische Versorgung während der Schwangerschaft ist ein sensibles Thema, da sowohl die mütterliche Mundgesundheit als auch die Sicherheit des ungeborenen Kindes berücksichtigt werden müssen. Schwangere unterliegen physiologischen Veränderungen, die das Risiko für orale Erkrankungen erhöhen. Gleichzeitig bestehen besondere Anforderungen an Diagnostik, Medikation und Therapie.
Physiologische Veränderungen und orale Risiken
- Hormonelle Einflüsse: Erhöhte Progesteron- und Östrogenspiegel führen zu einer gesteigerten Gefäßpermeabilität (Durchlässigkeit der Blutgefäße) und zu entzündlichen Veränderungen im Gingivagewebe (Zahnfleischgewebe). Typisch ist die Schwangerschaftsgingivitis, die bei bis zu 60-75 % der Schwangeren beobachtet wird [2].
- Plaqueakkumulation (Ansammlung von Zahnbelag auf den Zähnen): Durch morgendliche Übelkeit, veränderte Essgewohnheiten und ggf. reduzierte Mundhygiene steigt das Risiko für Karies und Parodontitis.
- Parodontale Erkrankungen: Parodontitis kann über die hämatogene Streuung proinflammatorischer Mediatoren (entzündungsfördernde Botenstoffe, die über das Blut im Körper verteilt werden) als Risikofaktor für Frühgeburten und niedriges Geburtsgewicht gelten [1, 3].
Diagnostik und Bildgebung
- Röntgenaufnahmen: Sollten nur bei zwingender Indikation und unter maximalem Strahlenschutz (z. B. Bleischürze, Schilddrüsenschutz) durchgeführt werden. Elektive Aufnahmen sind zu vermeiden, dringliche Diagnostik ist jedoch erlaubt.
- Lokalanästhesie: Lokalanästhetika wie Lidocain gelten in therapeutischer Dosierung als sicher. Zusätze wie Adrenalin können in niedriger Dosierung verwendet werden, sollten aber vorsichtig eingesetzt werden.
Mögliche Behandlungen während der Schwangerschaft
- Prophylaxe und professionelle Zahnreinigung: In allen Trimestern (Schwangerschaftsdritteln) empfohlen, um Gingivitis und Parodontitis vorzubeugen.
- Konservierende Maßnahmen: Kariesbehandlungen und Füllungstherapien sind unbedenklich, wenn sie schmerzbedingt notwendig sind.
- Parodontaltherapie: Nichtchirurgische Parodontalbehandlung (Scaling und Root Planing) ist sicher und kann das Risiko geburtsmedizinischer Komplikationen reduzieren [3].
- Chirurgische Eingriffe: Kleine Eingriffe wie Abszessdrainagen oder Extraktionen (Zähneziehen) sind möglich, sollten aber bevorzugt im 2. Trimenon durchgeführt werden.
Was besser aufgeschoben wird
- Elektive Eingriffe: Implantationen, aufwendige prothetische Maßnahmen und rein ästhetische Therapien sollten nach der Schwangerschaft erfolgen.
- Lange Behandlungen: Aus Gründen der Kreislaufbelastung und Lagerungsprobleme im 3. Trimenon sollten ausgedehnte Therapien vermieden werden.
- Bestimmte Medikamente: Tetrazykline, Chinolone und hochdosierte NSAR (nicht-steroidale Antirheumatika; gängige Schmerz- und Entzündungshemmer wie Ibuprofen oder Diclofenac) sind kontraindiziert. Antibiotika wie Penicilline oder Cephalosporine gelten als sicher.
Praktische Tipps für die Zahnarztpraxis
- Behandlung möglichst im 2. Trimenon planen, da Übelkeit (1. Trimenon/Schwangerschaftsdrittel) und Kreislaufbelastung (3. Trimenon) hier weniger problematisch sind.
- Schwangere sollten halbaufrecht gelagert werden, um Vena-cava-Kompression (Druck auf die große Hohlvene (Vena cava) im Bauch durch die wachsende Gebärmutter, was zu Kreislaufproblemen führen kann) zu vermeiden.
- Interdisziplinäre Absprache mit Gynäkologen bei komplexeren Eingriffen.
Fazit
Zahnmedizinische Behandlungen in der Schwangerschaft sind nicht nur möglich, sondern in vielen Fällen erforderlich, um mütterliche und fetale Komplikationen zu verhindern. Entscheidend ist die Abwägung zwischen Notwendigkeit, Zeitpunkt und eingesetzten Medikamenten. Prophylaxe und konservierende Eingriffe sind jederzeit erlaubt, während elektive und ästhetische Maßnahmen verschoben werden sollten.
Literatur
- Xiong X, Buekens P, Fraser WD, Beck J, Offenbacher S: Periodontal disease and adverse pregnancy outcomes: a systematic review. BJOG. 2006;113(2):135-143. doi: 10.1111/j.1471-0528.2005.00827.x.
- Wu M, Chen SW, Jiang SY: Relationship between gingival inflammation and pregnancy. Mediators Inflamm. 2015;2015:623427.
doi: 10.1155/2015/623427. - Arbildo-Vega HI, Padilla-Cáceres T, Caballero-Apaza L et al.: Effect of Treating Periodontal Disease in Pregnant Women to Reduce the Risk of Preterm Birth and Low Birth Weight: An Umbrella Review. Medicina. 2024;60(6):943. doi: 10.3390/medicina60060943.