Kosmetik in der Schwangerschaft – kritische Inhaltsstoffe wie Retinoide und Öle

Während der Schwangerschaft steigt die Sensibilität für die eigene Hautpflege. Viele Frauen wünschen sich eine wirksame, aber zugleich sichere Kosmetik. Ärzte und Hebammen werden häufig mit Fragen zu kritischen Inhaltsstoffen in Pflegeprodukten konfrontiert. Insbesondere Retinoide und bestimmte ätherische Öle stehen im Verdacht, Risiken für die fetale Entwicklung oder unerwünschte mütterlicher Nebenwirkungen zu bergen.

Retinoide in der Schwangerschaft

Retinoide (Vitamin-A-Derivate wie Retinol, Retinaldehyd, Tretinoin, Adapalen oder Isotretinoin) sind in dermatologischen Produkten hochwirksame Substanzen, die keratolytisch wirken, die Hauterneuerung beschleunigen und bei Akne, Photoaging oder Hyperpigmentierung eingesetzt werden.

  • Risiken: Systemisch (= orale Therapie) eingesetzte Retinoide wirken eindeutig teratogen (fruchtschädigend; z. B. Isotretinoin, Acitretin). Auch topische (örtlich eingesetzte) Retinoide können in relevanter Menge resorbiert werden. Daten zur tatsächlichen fetalen Schädigung nach topischer Anwendung sind zwar limitiert, doch aufgrund der bekannten teratogenen Potenz wird generell ein strikter Verzicht in der Schwangerschaft empfohlen [1, 2].
  • Klinische Praxis: Schwangere sollten auf retinoidhaltige Produkte (z. B. Anti-Aging-Cremes mit Retinol) verzichten. Bei Akne oder Hyperpigmentierung sind Alternativen wie Azelainsäure oder topische Fruchtsäuren vorzuziehen.

Ätherische Öle und pflanzliche Inhaltsstoffe

Natürliche Kosmetik wird in der Schwangerschaft oft als sicher wahrgenommen, birgt jedoch potenzielle Risiken.

  • Ätherische Öle: Bestimmte ätherische Öle (z. B. Muskat, Thymian, Rosmarin, Salbei, Oregano, Zimt) enthalten Substanzen mit uterotonem oder potenziell abortivem Effekt. Auch phototoxische Effekte (z. B. Bergamotte, Zitrusöle mit Furocumarinen) und allergische Reaktionen sind möglich [3, 4].
  • Pflanzenextrakte: Extrakte aus Aloe vera (innerlich) oder Johanniskraut (Photosensibilisierung) sind ebenfalls kritisch. Topische Anwendungen mit stark konzentrierten Inhaltsstoffen sollten nur nach ärztlicher Rücksprache erfolgen.

Weitere kritische Inhaltsstoffe

Neben Retinoiden und ätherischen Ölen gelten auch andere Substanzen als potenziell problematisch:

  • Salicylate: Hochkonzentrierte Salicylsäure (z. B. in Peelings) kann systemisch wirksam werden. Niedrige Konzentrationen in Gesichtsreinigern sind meist unbedenklich, sollten aber bei großflächiger Anwendung vermieden werden.
  • Hydrochinon: Wird in Hautaufhellern eingesetzt und zeigt eine hohe perkutane Resorption – in der Schwangerschaft nicht empfohlen.
  • Parabene, Phthalate, Formaldehydabspalter: Diese Konservierungsstoffe und Weichmacher stehen im Verdacht, hormonell wirksam zu sein und sollten nach Möglichkeit vermieden werden.

Praktische Tipps für die Hautpflege in der Schwangerschaft

  • Milde Reinigung: pH-neutrale Syndets oder milde Waschlotionen reduzieren Hautirritationen.
  • Feuchtigkeitspflege: Produkte mit Glycerin, Hyaluronsäure oder Ceramiden sind unproblematisch.
  • Sonnenschutz: Mineralische Filter (Zinkoxid, Titandioxid) gelten als sicher und helfen, Hyperpigmentierungen (Chloasma gravidarum) vorzubeugen.
  • Hautöle: Pflanzliche Öle wie Mandelöl, Jojobaöl oder Sheabutter sind größtenteils sicher, sollten aber frei von ätherischen Zusätzen sein.
  • Therapeutische Alternativen: Bei Akne empfiehlt sich die Anwendung von Azelainsäure oder niedrig konzentrierten Alpha-Hydroxysäuren (AHA).

Prävention und Aufklärung

Eine umfassende Beratung ist entscheidend, um Schwangere vor potenziellen Risiken durch Kosmetika zu schützen. Da die Haut in der Schwangerschaft sensibler reagiert und die Compliance hoch ist, sollte die Beratung klare Empfehlungen und praktische Alternativen beinhalten.

Literatur

  1. Kaplan YC, Ozsarfati J, Etwel F, Nickel C, Nulman I, Koren G: Pregnancy outcomes following first-trimester exposure to topical retinoids: a systematic review and meta-analysis. Br J Dermatol. 2015;173(5):1132-1141. doi: 10.1111/bjd.14053.
  2. Panchaud A, Csajka C, Merlob P, Schaefer C, Berlin M, De Santis M et al.: Pregnancy outcome following exposure to topical retinoids: a multicenter prospective study. J Clin Pharmacol. 2012;52(12):1844-1851. doi: 10.1177/0091270011429566.
  3. Holst L, Wright D, Haavik S, Nordeng H: Safety and efficacy of herbal remedies in obstetrics – review and clinical implications. Midwifery. 2011;27(1):80-86. doi: 10.1016/j.midw.2009.05.010.
  4. Bernstein N, Akram M, Yaniv-Bachrach Z, Daniyal M: Is it safe to consume traditional medicinal plants during pregnancy? Phytother Res. 2021;35(4):1908-1924. doi: 10.1002/ptr.6935.