Infektionsbezogene Diagnostik
Die infektionsbezogene Labordiagnostik stellt ein zentrales Instrument zur Erkennung, Verlaufskontrolle und epidemiologischen Überwachung von Infektionserkrankungen dar. Sie umfasst direkte und indirekte Nachweisverfahren für bakterielle, virale, parasitäre und mykotische Erreger (Krankheitserreger wie Bakterien, Viren, Parasiten und Pilze). Ziel ist die rasche und spezifische Identifikation des Pathogens (Erregers) zur Einleitung einer gezielten antiinfektiven Therapie (Behandlung gegen Infektionen), Vermeidung nosokomialer oder sexueller Transmission (Übertragung im Krankenhaus oder beim Geschlechtsverkehr) sowie zur Prävention fetaler Komplikationen im Rahmen schwangerschaftsassoziierter Infektionen. Die Auswahl der diagnostischen Methoden orientiert sich an der klinischen Fragestellung, dem Infektionsweg sowie an individuellen Risikokonstellationen.
Im Folgenden werden zentrale Anwendungsbereiche der infektionsbezogenen Labordiagnostik strukturiert dargestellt:
Geschlechtskrankheiten (sexuell übertragbare Infektionen)
Die Labordiagnostik sexuell übertragbarer Erkrankungen (STI) basiert auf molekularbiologischen, serologischen und kulturellen Verfahren (DNA-Tests, Antikörpertests und Erregeranzucht). Relevante Parameter:
- Chlamydia trachomatis – Nukleinsäureamplifikationstests (NAT) (DNA-Nachweis) aus urogenitalem Abstrich oder Urin.
- Neisseria gonorrhoeae – Molekularnachweis oder Kultur (Erregernachweis); gleichzeitiger Chlamydiennachweis empfohlen.
- Treponema pallidum (Syphilis) – Kombination aus TPHA-/TPPA-Test und FTA-Abs oder EIA (spezifische Antikörpertests).
- Haemophilus ducreyi (Ulcus molle) – Spezifischer Erregernachweis aus Ulkusmaterial (Geschwürssekret; selten).
- Herpes-simplex-Virus Typ 1/2 – PCR (DNA-Nachweis) aus Bläscheninhalt oder Abstrichen; Serologie (Antikörpertest) zur Differenzierung primärer/reaktivierter Infektion.
- Humanes Papillomavirus (HPV) – Hochrisiko-HPV-Nachweis mittels DNA-Test (PCR); ggf. Genotypisierung (Typisierung).
- HIV – Kombinierte Antigen/Antikörper-Tests (4. Generation) (Früh- und Spätnachweis); ggf. Bestätigung mittels Immunoblot oder PCR.
- Hepatitis B und C – HBsAg, Anti-HBc, Anti-HBs sowie Anti-HCV und HCV-RNA (Virusantigene und Antikörper sowie Virusmenge) bei Verdacht auf sexuell übertragene Hepatitisformen (Leberentzündungen).
Hepatitisdiagnostik
Die serologische und molekulare Hepatitisdiagnostik (Antikörper- und Virustests) dient der Detektion akuter und chronischer Leberentzündungen viraler Genese (durch Viren verursachte Lebererkrankungen):
- Hepatitis A (HAV) – Anti-HAV-IgM (Antikörper für akute Infektion) als Marker der akuten Infektion; IgG als Immunitätsnachweis (Antikörper gegen frühere Infektion oder Impfung).
- Hepatitis B (HBV) – Kombination aus HBsAg, Anti-HBs, Anti-HBc-IgM/IgG, HBeAg und HBV-DNA (Antigene, Antikörper und Viruslast zur Infektionsbeurteilung).
- Hepatitis C (HCV) – Anti-HCV und quantitative HCV-RNA (Antikörper und Virusmenge); ggf. Genotypisierung (Bestimmung des Virustyps) zur Therapieplanung.
- Hepatitis D (HDV) – Anti-HDV und HDV-RNA (Antikörper- und Virusnachweis) bei positiver HBV-Infektion.
- Hepatitis E (HEV) – Anti-HEV-IgM/IgG sowie HEV-RNA (Akut- und Immunitätsnachweis plus Viruslast), bei immunsupprimierten Patienten (Patienten mit geschwächtem Immunsystem) relevant.
Schwangerschaftsassoziierte Infektionsdiagnostik
Zur Vermeidung intrauteriner Infektionen (Infektionen beim ungeborenen Kind) mit teils schwerwiegenden fetalen Folgen umfasst die pränatale Labordiagnostik (Infektionsdiagnostik in der Schwangerschaft) folgende Erreger:
- Toxoplasma gondii – IgG-/IgM-Testung (Antikörpernachweis), ggf. Aviditätsbestimmung und PCR (Unterscheidung zwischen frischer und älterer Infektion).
- Rubella-Virus (Röteln) – Anti-Rubella-IgG zum Immunitätsnachweis; IgM bei Verdacht auf Primärinfektion.
- Cytomegalievirus (CMV) – Serologische IgG/IgM-Diagnostik mit Avidität; PCR aus Blut oder Urin.
- Cave: CMV-Infektion bei seronegativen Schwangeren (ohne vorhandene Antikörper) ist besonders risikoreich; nur 45–50 % der Frauen im gebärfähigen Alter sind seropositiv und damit vor einer gefährlichen Erstinfektion geschützt.
- Herpes-simplex-Virus (HSV) – Serologie (Antikörpernachweis), PCR bei Verdacht auf intrauterine oder neonatale Infektion.
- Cave: Herpes genitalis (Genitalherpes) wird in über 90 % der Fälle während der vaginalen Entbindung übertragen.
- Epstein-Barr-Virus (EBV) – Serologische Diagnostik bei V. a. Mononukleose (Pfeiffersches Drüsenfieber).
- Varizella-Zoster-Virus (VZV) – Anti-VZV-IgG zum Immunitätsnachweis; IgM oder PCR bei akuter Infektion.
- Parvovirus B19 – Anti-B19-IgG/IgM und PCR zum Nachweis und zur Verlaufskontrolle.
- Borrelia burgdorferi – Serologische Stufendiagnostik (Antikörpertests mit Bestätigung) bei klinischem Verdacht.
- Listeria monocytogenes (Listeriose) – Blutkultur und ggf. PCR bei febriler Erkrankung (Fieber) in der Schwangerschaft.
- β-hämolysierende Streptokokken – Abstrichuntersuchung vor Geburt zur Risikoeinschätzung neonataler Infektionen.
- Chlamydia trachomatis (Chlamydien) – PCR aus Zervixabstrich oder Urin; häufig asymptomatische Infektion.
- Neisseria gonorrhoeae (Gonokokken) – Erregernachweis mittels Kultur oder PCR bei Verdacht auf Gonorrhoe (Tripper).
- Coxsackie-B-Virus – Serologie bei Verdacht auf fetale Myokarditis (Herzmuskelentzündung).
- Hepatitis A, B, C – Serologische Antikörper- und Antigennachweise; bei Hepatitis B auch Viruslast (HBV-DNA).
- HIV (Humanes Immundefizienz-Virus) – Kombinierte Antigen-/Antikörpertests mit anschließender PCR bei positiven Befunden.
- Humanes Papillomavirus (HPV) – Hochrisiko-Typen durch PCR nachweisbar; Bedeutung bei Gebärmutterhalsveränderungen.
- LCM-Virus (Lymphozytäre Choriomeningitis-Virus) – Seltene Diagnostik bei Kontakt mit Nagern.
- Morbillivirus (Masernvirus) – IgG/IgM-Antikörpertestung bei unklarem Impfstatus oder klinischem Verdacht.
- Parotitis epidemica (Mumps) – Serologie bei fehlender Immunität oder Exposition.
- Treponema pallidum (Syphilis) – Serologische Antikörpertests (TPHA, FTA-Abs) zur Erkennung der Lues.
- „Other infectious microorganisms“ (Sonstige relevante Erreger) – Zusammenfassender Begriff für zusätzliche, geburtshilflich relevante Infektionserreger.
Fazit
Die infektionsbezogene Labordiagnostik ermöglicht eine zielgerichtete Erregeridentifikation (gezielte Bestimmung des Erregers) und unterstützt die individualisierte Therapieplanung. Durch Kombination aus serologischen, molekularbiologischen und mikrobiologischen Verfahren (Antikörpertests, DNA-Tests und Erregerkulturen) lassen sich akute und chronische Infektionen sicher detektieren. In besonderen Risikokonstellationen wie Schwangerschaft oder sexueller Exposition ist eine differenzierte Diagnostik unerlässlich zur Vermeidung schwerwiegender Folgeerkrankungen.