Liquordiagnostik: Zentrale Rolle in der Abklärung neurologischer Erkrankungen
Die Liquordiagnostik ist ein zentraler Bestandteil der neurologischen Routinediagnostik und spielt eine entscheidende Rolle bei der Abklärung zahlreicher Erkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS). Sie ermöglicht die gezielte Identifikation entzündlicher, infektiöser, autoimmunologischer, maligner und neurodegenerativer Prozesse und liefert oft richtungsweisende Befunde für die weitere therapeutische Planung.
Im Mittelpunkt der Liquordiagnostik steht die Analyse der Cerebrospinalflüssigkeit (Liquor cerebrospinalis) – einer klaren, farblosen Körperflüssigkeit, die Gehirn und Rückenmark umgibt und schützt. Veränderungen ihrer chemischen, zellulären oder mikrobiologischen Zusammensetzung können frühzeitig pathologische Vorgänge im ZNS anzeigen und erlauben Rückschlüsse auf Krankheitsursachen und -mechanismen.
Liquorpunktion (Lumbalpunktion)
Der erste und essenzielle Schritt der Liquordiagnostik ist die Liquorpunktion, meist in Form einer Lumbalpunktion. Dabei wird unter sterilen Bedingungen mit einer Punktionskanüle im Bereich zwischen dem dritten und vierten oder vierten und fünften Lendenwirbelkörper eine Probe des Liquors gewonnen. Die Prozedur erfolgt in Seitenlage oder sitzender Position und erfordert eine präzise Durchführung, um Komplikationen – insbesondere postpunktionelle Kopfschmerzen, Infektionen oder Blutungen – zu vermeiden.
Die Indikation zur Lumbalpunktion ergibt sich bei klinischem Verdacht auf zentrale Infektionen (z. B. Meningitis, Enzephalitis), entzündliche ZNS-Erkrankungen (z. B. Multiple Sklerose), Subarachnoidalblutung, maligne Meningeose oder neurodegenerative Erkrankungen. Die Entscheidung zur Durchführung erfordert eine individuelle Risiko-Nutzen-Abwägung unter Berücksichtigung möglicher Kontraindikationen (Gegenanzeigen) wie erhöhter intrakranieller Druck (Hirndruck) oder Gerinnungsstörungen.
Diagnostische Zielsetzung
Nach der Entnahme erfolgt eine standardisierte Untersuchung des Liquors auf zelluläre, chemische, immunologische und mikrobiologische Parameter. Zu den Basiskomponenten der Liquoranalyse gehören die Zellzahl, das Gesamtprotein, Glukose, Lactat und der Albuminquotient. Ergänzend kommen spezifische Marker wie oligoklonale Banden, Immunglobulin-Syntheseindizes, Tau-Protein, Beta-Amyloid, Neurofilamente und Erregernachweise (Kultur, PCR) zur Anwendung – je nach Fragestellung.
Diese differenzierte Befundung ermöglicht die Abgrenzung infektiöser von nicht-infektiösen Ursachen, die Einschätzung des Entzündungsstatus, die Beurteilung der Blut-Hirn-Schranken-Funktion sowie die Identifikation neurodegenerativer oder neoplastischer Prozesse.
Bedeutung in der klinischen Praxis
Die Liquordiagnostik liefert entscheidende Hinweise für die Diagnosestellung und dient als Grundlage einer zielgerichteten Therapie. In vielen Fällen ermöglicht sie den Nachweis oder Ausschluss einer potenziell lebensbedrohlichen ZNS-Erkrankung innerhalb kurzer Zeit. Ferner bietet sie bei chronischen oder progredienten neurologischen Symptomen ein wertvolles Instrument zur Differenzialdiagnose und Verlaufsbeurteilung.