Phenylketonurie – Ursachen
Pathogenese
Die Phenylketonurie (PKU) ist eine autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung, die durch einen Mangel der Phenylalanin-Hydroxylase verursacht wird. Dieser Enzymdefekt führt zu einer Störung des Phenylalanin-Tyrosin-Stoffwechsels mit konsekutiver Hyperphenylalaninämie und neurotoxischen Effekten.
Primäre pathophysiologische Mechanismen
Defekt der Phenylalanin-Hydroxylase (PAH)
- Verminderte oder fehlende Enzymaktivität
- Autosomal-rezessiver Gendefekt: Mutationen im PAH-Gen (Chromosom 12q23.2) reduzieren die Enzymaktivität auf 0–20 % des Normalwerts.
- Konsequenz: Unzureichende Umwandlung von Phenylalanin zu Tyrosin führt zur systemischen Hyperphenylalaninämie.
- Metabolische Fehlwege: Phenylalanin wird in Nebenwege abgeleitet (Phenylpyruvat, Phenyllactat, Phenylacetat), die neurotoxische Wirkungen entfalten.
- Tyrosinmangel
- Substratmangel: Tyrosin wird zum essentiellen Aminosäureäquivalent, da die interne Synthese aus Phenylalanin vermindert ist.
- Folgen: Störung der Synthese von Dopamin, Noradrenalin, Adrenalin und Melanin.
- Neurotoxizität der Hyperphenylalaninämie
- Myelinisierungsstörung: Hohe Phenylalaninspiegel beeinträchtigen die Myelinbildung besonders im frühen Kindesalter.
- Transportinhibition an der Blut-Hirn-Schranke: Erhöhung kompetitiver Aminosäuren führt zu einem relativen Mangel an Tyrosin/Tryptophan im ZNS.
- Neurotransmitterdefizite: Verminderte Synthese von Dopamin/Serotonin führt zu kognitiven und motorischen Entwicklungsstörungen.
Alternative pathophysiologische Mechanismen
Tetrahydrobiopterin-(BH4)-assoziierte Defekte
- Primäre BH4-Synthesedefekte: Mutationen in GTP-Cyclohydrolase I, PTPS, DHPR oder PCD führen zu sekundärer PAH-Dysfunktion.
- Konsequenzen: Kombination aus Hyperphenylalaninämie und Neurotransmitterdefiziten (Dopamin, Serotonin).
- Klinische Relevanz: BH4-Mangel erfordert andere Therapieformen (BH4-Substitution, L-Dopa, 5-Hydroxytryptophan).
Sekundäre pathophysiologische Mechanismen
- Störung der Protein- und Aminosäurebalance: Erhöhter Phenylalaninspiegel hemmt den Transport anderer großer neutraler Aminosäuren (LNAA).
- Reduzierte Neurotransmitterproduktion: Durch Tyrosin/Tryptophan-Mangel.
- Hypopigmentierung: Durch Tyrosinmangel reduzierte Melaninsynthese (helle Haut, Haare, Irisfarbe).
Klinische Manifestation
Leitsymptome unbehandelter PKU
- Schwere intellektuelle Behinderung
- Mikrozephalie
- Epilepsien
- Verhaltensauffälligkeiten und Störungen der Exekutivfunktionen
- Hypopigmentierung von Haut und Haaren
- Mausartiger Geruch durch Phenylacetat
Fortgeschrittene oder chronische Manifestationen
- Aufmerksamkeits- und Lernstörungen
- Psychiatrische Symptome (Angst, Depression)
- Exekutivfunktionsstörungen trotz Therapie bei schlechter Diätadhärenz
Risikofaktoren für eine neurologische Schädigung
- Hohe Phenylalaninspiegel über dem altersabhängigen Zielbereich
- Therapieadhärenz mangelhaft
- Später Therapiebeginn nach dem Neugeborenenscreening
- BH4-Mangel unzureichend erkannt/therapiert
- Maternal PKU: Teratogenität bei unkontrollierter PKU in der Schwangerschaft (Mikrozephalie, Herzfehler, Wachstumsstörung)
Ätiologie
Biographische Ursachen
- Genetische Disposition: Vererbung im autosomal-rezessiven Modus; Mutationen im PAH-Gen oder in BH4-assoziierten Enzymgenen.
Verhaltensbedingte Ursachen
- Ernährung
- Exzessive Proteinzufuhr erhöht Phenylalaninspiegel bei nicht diagnostizierter/mangelhaft behandelter PKU.
- Psycho-soziale Situation
- Therapieadhärenz: Belastende Diät führt v. a. im Jugendalter zu Compliance-Problemen und erhöhtem Risiko für neurokognitive Komplikationen.
Krankheitsbedingte Ursachen
Stoffwechselerkrankungen (E70–E90)
- Phenylalanin-Hydroxylase-Defizienz (klassische PKU)
- Hyperphenylalaninämie leichteren Grades
- Tetrahydrobiopterin-(BH4)-Mangel
Neurotransmitterstörungen (G00–G99)
- Defekte im Dopamin- oder Serotoninstoffwechsel bei BH4-assoziierten PKU-Varianten
Medikamente
- Keine direkte Medikamentenätiologie; jedoch mögliche metabolische Entgleisungen unter Wirkstoffen