Phenylketonurie – Einleitung

Die Phenylketonurie (PKU) ist eine autosomal-rezessiv vererbte Störung des Phenylalaninmetabolismus, die durch eine verminderte oder fehlende Aktivität der Phenylalaninhydroxylase gekennzeichnet ist. Dadurch kommt es zu einer Hyperphenylalaninämie mit konsekutiv erhöhten Phenylalaninkonzentrationen im Blut und einer verminderten Tyrosinsynthese. Die Akkumulation von Phenylalanin führt unbehandelt zu neurotoxischen Effekten, die eine schwere, irreversible geistige Entwicklungsstörung verursachen können. Die PKU wird weltweit im Neugeborenenscreening erfasst, da eine frühzeitige Diagnose und Behandlung eine normale neurologische Entwicklung ermöglicht. Neben der klassischen PKU existieren mildere Formen sowie BH4-sensitive Varianten, die sich biochemisch und therapeutisch unterscheiden.

Thesaurussynonyma und ICD-10

Phenylketonurie; Hyperphenylalaninämie; Phenylalaninhydroxylase-Mangel; PAH-Mangel; Klassische Phenylketonurie; Mild-PKU; Moderate PKU; BH4-responsive Hyperphenylalaninämie; BH4-sensitive PKU; Tetrahydrobiopterinmangel; ICD-10-GM E70.0: Klassische Phenylketonurie; ICD-10-GM E70.1: Andere Hyperphenylalaninämien.

Charakteristische Laborbefunde

  • Erhöhte Phenylalaninkonzentrationen im Plasma: typischerweise ≥ 360 µmol/l; klassische PKU häufig > 1200 µmol/l.
  • Erhöhter Phenylalanin/Tyrosin-Quotient: Quotient > 4 spricht für PKU.
  • Normale oder erniedrigte Tyrosinspiegel.
  • Auffällige Pterinbefunde bei BH4-Mangel: verändertes Biopterin/Neopterin-Profil oder erniedrigte DHPR-Aktivität.
  • BH4-Belastungstest: fehlender oder insuffizienter Abfall des Phenylalanins bei klassischer PKU; Abfall > 30 % bei BH4-sensitiven Formen.
  • Aminosäurenprofil mit charakteristischen Verschiebungen.
  • Sekundärmarker: Hinweise auf diätassoziierte Mangelzustände (Vitamin B12, Ferritin, 25-OH-Vitamin D, Zink, Albumin/Präalbumin).

Formen der Phenylketonurie

Endogene Formen (Enzymdefekte im Phenylalaninstoffwechsel):

  • Klassische PKU: Phenylalanin > 1.200 µmol/l.
  • Moderate PKU: Phenylalanin 600-1.200 µmol/l.
  • Mild-PKU: Phenylalanin 360-600 µmol/l.
  • Hyperphenylalaninämie (HPA): Phenylalanin 120-360 µmol/l.
  • BH4-sensitive PKU: deutliche Senkung des Phenylalanins nach BH4-Gabe.

Differenzialdiagnostisch abzugrenzen:

  • 6-Pyruvoyl-Tetrahydropterin-Synthase-Mangel (PTS-Mangel)
  • GTP-Cyclohydrolase-I-Mangel (GCH1-Mangel)
  • Dihydropteridin-Reduktase-Mangel (DHPR-Mangel)
  • Pterin-4a-Carbinolamin-Dehydratase-Mangel (PCBD1-Mangel)

Ursachen

  • Mutationen im PAH-Gen (Hauptursache der PKU).
  • Defekte der Tetrahydrobiopterin-Synthese oder -Regeneration (BH4-Mangel).
  • Geringe PAH-Restaktivität mit milden Hyperphenylalaninämien.

Epidemiologie

  • Prävalenz in Europa: ca. 1 : 6000 bis 1 : 10000.
  • In Deutschland: ca. 1 : 8000.
  • Erfassung im Neugeborenenscreening; klinische Manifestation nur unbehandelt.
  • Klassische PKU ca. 30-50 %, mildere Varianten ca. 50-70 %.

Verlauf und Prognose

Verlauf

  • Unbehandelt führt die Phenylketonurie (PKU) zu schwerer intellektueller Behinderung, Mikrozephalie, Krampfanfällen, Verhaltensstörungen und motorischen Entwicklungseinschränkungen.
  • Die Pathophysiologie basiert auf neurotoxischer Phenylalaninakkumulation, gestörter Tyrosin- und Dopaminbiosynthese sowie sekundären Neurotransmitterdefiziten.
  • Unter frühzeitiger Therapie (diätetische Phenylalaninrestriktion, ggf. Sapropterin, ggf. Pegvaliase) ist eine normale neurologische Entwicklung möglich.

Prognose

  • Die Prognose hängt maßgeblich von der Therapieadhärenz und der Aufrechterhaltung der Zielbereiche ab. Eine unzureichende Einstellung führt zu neurokognitiven Defiziten, Stimmungsschwankungen und beeinträchtigter Exekutivfunktion.
  • Bei maternaler PKU ohne adäquate Einstellung besteht ein hohes teratogenes Risiko (Mikrozephalie, Herzfehler, Wachstumsretardierung); bei Phenylalaninwerten zwischen 120-360 µmol/l ist eine günstige fetale Prognose beschrieben. Langzeitrisiken umfassen mögliche diätassoziierte Mangelzustände und Osteopenie.

Leitlinien

  1. American College of Medical Genetics and Genomics (ACMG): Phenylalaninhydroxylase-Defizienz – Evidenzbasierte klinische Leitlinie (2023). DOI: 10.1016/j.gim.2022.12.005
  2. European Society for Phenylketonuria and Allied Disorders (E.S.PKU): European Guidelines on diagnosis and treatment of PKU – First revision (2025). DOI: 10.1016/j.ymgme.2025.109125