Partnerschaft und Intimität nach der Geburt – psychische Veränderungen und neue Rollen

Die Geburt eines Kindes stellt für Paare einen der größten Umbrüche im Leben dar. Neben körperlichen Veränderungen bei der Mutter entstehen neue Anforderungen an die Partnerschaft, die Rollenverteilung und die Intimität. Dabei spielen hormonelle, psychische und soziale Faktoren eine wichtige Rolle. Ein sensibles Verständnis dieser Prozesse ist entscheidend, um sowohl die Mutter als auch den Partner bei der Anpassung an die neue Lebenssituation zu unterstützen.

Psychische Veränderungen nach der Geburt

Viele Frauen erleben nach der Geburt starke Stimmungsschwankungen. Etwa 50-70 % entwickeln in den ersten Tagen ein sogenanntes „Baby Blues“, das meist selbstlimitierend ist. In 10-20 % der Fälle entsteht jedoch eine postpartale Depression, die unbedingt erkannt und behandelt werden muss [1]. Auch Väter können depressive Symptome oder Anpassungsstörungen entwickeln. Typische Belastungsfaktoren sind Schlafmangel, Überforderung und das Gefühl, den Anforderungen nicht gerecht zu werden.

Neue Rollen in der Partnerschaft

Mit der Geburt verschieben sich Rollen und Verantwortlichkeiten. Häufig treten folgende Veränderungen auf:

  • Fokusverschiebung: Die Aufmerksamkeit richtet sich primär auf das Kind, wodurch die Paarbeziehung zeitweise in den Hintergrund rückt.
  • Ungleich verteilte Aufgaben: Stillen, nächtliches Aufstehen und körperliche Erschöpfung führen oft zu einer ungleichen Belastung, die Konflikte auslösen kann.
  • Neu definierte Partnerschaft: Paare müssen lernen, Elternrolle und Liebesbeziehung in Einklang zu bringen. Kommunikation und gegenseitige Wertschätzung sind hierbei zentrale Faktoren [2].

Auswirkungen auf Intimität und Sexualität

Nach der Geburt kommt es häufig zu einer Reduktion der sexuellen Aktivität. Gründe hierfür sind:

  • Körperliche Faktoren wie Schmerzen nach Geburtsverletzungen, Kaiserschnittnarben oder vaginale Trockenheit.
  • Psychische Faktoren wie Erschöpfung, depressive Verstimmungen oder ein verändertes Körperbild.
  • Beziehungsdynamik: Nähe entsteht stärker über gemeinsame Fürsorge als über Sexualität.

Studien zeigen, dass etwa 50 % der Paare in den ersten drei Monaten nach der Geburt weniger oder keine Sexualität erleben, sich die Situation aber in den meisten Fällen innerhalb eines Jahres normalisiert [3].

Praktische Empfehlungen für die Beratung

  • Offene Kommunikation fördern: Paare sollten ermutigt werden, über Bedürfnisse, Ängste und Belastungen zu sprechen.
  • Psychische Symptome ernst nehmen: Screening auf postpartale Depression und Belastungsstörungen auch beim Partner.
  • Intimität neu definieren: Zärtlichkeit und körperliche Nähe können auch ohne Geschlechtsverkehr eine stabilisierende Wirkung auf die Beziehung haben.
  • Unterstützungsnetzwerke aktivieren: Hilfe durch Familie, Freunde oder professionelle Angebote entlastet das Paar und gibt Raum für die Paarbeziehung.
  • Medizinische Beratung: Beschwerden wie Schmerzen oder Scheidentrockenheit sollten frühzeitig diagnostiziert und behandelt werden.

Literatur

  1. O’Hara MW, Wisner KL: Perinatal mental illness: definition, description and aetiology. Best Pract Res Clin Obstet Gynaecol. 2014 Jan;28(1):3-12. doi: 10.1016/j.bpobgyn.2013.09.002.
  2. Bogdan I et al.: Transition to Parenthood and Marital Satisfaction: A Meta-Analysis. Front Psychol. 2022;13:901362. doi: 10.3389/fpsyg.2022.901362.
  3. McBride HL, Kwee JL: Sex After Baby: Women’s Sexual Function in the Postpartum Period. Curr Sex Health Rep. 2017;9(3):142-149. doi: 10.1007/s11930-017-0116-3.