Beckenboden- und Bauchübungen – die besten Übungen für den Start
Nach Schwangerschaft und Geburt spielen Beckenboden- und Bauchmuskulatur eine zentrale Rolle für die funktionelle Stabilität, Kontinenz und Körperwahrnehmung. Ziel der frühen Rückbildung ist es, die belastete Muskulatur behutsam zu reaktivieren und einer Rektusdiastase (Auseinanderweichen der geraden Bauchmuskeln) vorzubeugen bzw. eine bereits bestehende zu verbessern.
Bedeutung für den klinischen Alltag
Eine frühe Aktivierung des Beckenbodens unterstützt die Rückbildung postpartaler Veränderungen und reduziert das Risiko für spätere Funktionsstörungen wie Harninkontinenz, Senkungsbeschwerden oder chronische Rückenschmerzen [1]. Bauchübungen in den ersten Wochen müssen so angepasst werden, dass sie die Regeneration fördern, ohne Druck auf die Linea alba (senkrecht verlaufende Sehnenplatte in der Mitte des Bauches, die vom Brustbein bis zum Schambein reicht; sie verbindet die rechte und linke Bauchmuskulatur miteinander) oder das Becken zu erzeugen.
Prinzipien für den Trainingsstart
- Schonend beginnen: Start mit Wahrnehmungs- und Atemübungen, um Spannung und Entspannung bewusst zu steuern
- Druck vermeiden: Keine Sit-ups oder klassische Crunches, da diese den intraabdominalen Druck erhöhen und eine Rektusdiastase verschlechtern können.
- Funktionelle Integration: Übungen sollten mit Alltagsbewegungen (aufstehen, heben, tragen) verknüpft werden.
- Progression (Fortschreiten): von leichten isometrischen Aktivierungen bis zu dynamischen Übungen über mehrere Wochen
Geeignete Beckenbodenübungen für den Start
- Atmung mit Beckenbodenansteuerung: tiefe Bauchatmung, beim Ausatmen sanfte Anspannung des Beckenbodens (wie „Harnstrahl unterbrechen“)
- Kippen des Beckens in Rückenlage: in Rückenlage, Füße aufgestellt, sanftes Kippen des Beckens, Beckenboden gleichzeitig anspannen
- Vierfüßlerposition – Beckenbodenaktivierung: Im Vierfüßlerstand beim Ausatmen den Beckenboden sanft nach innen oben ziehen
Geeignete Bauchübungen für den Start
- Bauchnabel zur Wirbelsäule ziehen (tiefes Transversus-Training): Aktivierung der tiefen Bauchmuskulatur ohne Druck auf die Bauchwand
- Seitstütz in leichter Variante: Schonende Kräftigung der schrägen Bauchmuskulatur mit Fokus auf Stabilität
- Kniend diagonal Arm- und Beinheben („Bird Dog“ in leichter Form): Aktiviert Rumpfstabilität und Koordination
Klinisch-praktische Hinweise
- Übungen sollen zunächst kurz, aber regelmäßig (mehrmals täglich) durchgeführt werden.
- Visuelle und taktile Hilfen (z. B. Hand auf dem Unterbauch, Spiegelkontrolle) verbessern die Wahrnehmung.
- Ein Screening auf Rektusdiastase sollte erfolgen, um den Trainingsplan individuell anzupassen [2].
- Im Falle persistierender Beschwerden (z. B. Belastungsinkontinenz, Schmerzen, große Rektusdiastase) ist eine physiotherapeutische Mitbetreuung sinnvoll.
Prävention und Langzeitperspektive
Ein konsequentes Training reduziert nachweislich das Risiko für spätere Beckenbodenschwäche und senkt die Wahrscheinlichkeit für operative Eingriffe [3]. Zudem verbessert es die Rückkehr zu sportlicher Aktivität, steigert die Lebensqualität und wirkt präventiv gegen muskuloskelettale Beschwerden.
Literatur
- Mørkved S, Bø K: Effect of postpartum pelvic floor muscle training in prevention and treatment of urinary incontinence: a one-year follow up. BJOG. 2000;107(8):1022-1028. doi: 10.1111/j.1471-0528.2000.tb11103.x.
- Sperstad JB, Tennfjord MK, Hilde G, Ellström-Engh M, Bø K: Diastasis recti abdominis during pregnancy and 12 months after childbirth: prevalence, risk factors and report of lumbopelvic pain. Br J Sports Med. 2016;50(17):1092-1096. doi: 10.1136/bjsports-2016-096065.
- Dumoulin C, Cacciari LP, Hay-Smith EJC: Pelvic floor muscle training versus no treatment for urinary incontinence in women. Cochrane Database Syst Rev. 2018;10(10):CD005654. doi: 10.1002/14651858.CD005654.pub4.