Beckenboden nach der Geburt langfristig stärken – Inkontinenz und Senkungsbeschwerden vorbeugen
Eine Schwangerschaft und die Geburt stellen für den Beckenboden eine enorme Belastung dar. Auch wenn viele Veränderungen physiologisch sind, können sie langfristige Folgen haben. Bereits wenige Wochen nach der Entbindung zeigen sich bei manchen Frauen erste Anzeichen einer Beckenbodenschwäche, die sich in Harninkontinenz, Senkungsbeschwerden oder sexuellen Funktionsstörungen äußern können. Frühzeitige Prävention und ein konsequentes Training sind daher besonders in der postpartalen Phase (Zeit nach der Geburt) von hoher Bedeutung.
Bedeutung des Beckenbodens nach der Entbindung
Der Beckenboden besteht aus Muskeln, Bändern und Bindegewebe, die Blase, Gebärmutter und Rektum (Mastdarm) stützen. Während der Schwangerschaft lockern sich hormonell bedingt die Strukturen, um die Geburt zu ermöglichen. Durch vaginale Geburten, Geburtsverletzungen, Kaiserschnitt oder Mehrlingsschwangerschaften kommt es zusätzlich zu funktionellen Veränderungen. Diese Belastungen erhöhen das Risiko für Funktionsstörungen – insbesondere für Harninkontinenz und Deszensus (Absenkung der inneren Organe wie Blase und Gebärmutter) [1].
Häufige Folgen einer Beckenbodenschwäche
- Harninkontinenz: nach der Geburt oft als Belastungsinkontinenz beim Husten, Niesen oder Lachen
- Senkungsbeschwerden: Deszensus (Absinken) oder Prolaps (stärkeres Hervortreten) von Uterus (Gebärmutter), Blase oder Rektum
- Störungen der Sexualfunktion: Schmerzen beim Geschlechtsverkehr oder verminderte Sensibilität
- Chronische Rückenschmerzen: durch fehlende Rumpfstabilität und muskuläre Dysbalance
Gerade in den ersten Monaten nach der Geburt ist das Risiko erhöht. Langfristig entwickeln bis zu 50 % aller Frauen im Laufe ihres Lebens Symptome einer Beckenbodenschwäche [2].
Präventive Maßnahmen
Ein frühzeitiger und kontinuierlicher Aufbau des Beckenbodens ist entscheidend, um Beschwerden vorzubeugen. Prävention umfasst dabei Training, Lebensstilmodifikationen und regelmäßige Kontrollen.
Postnatales Beckenbodentraining
Bereits im Wochenbett können sanfte Übungen begonnen werden, sofern keine Kontraindikationen (Gegenanzeigen) bestehen. Rückbildungskurse helfen, die Wahrnehmung für den Beckenboden zu verbessern. Kegel-Übungen (spezielle Übungen zur Kräftigung der Beckenbodenmuskulatur, z. B. gezieltes Anspannen der Muskulatur, die auch beim Anhalten des Urinstrahls aktiv ist) und funktionelle Konzepte mit Rumpfstabilisation haben sich als wirksam erwiesen [3].
Gewichtskontrolle und gesunde Lebensführung
Eine Gewichtszunahme während der Schwangerschaft ist normal, doch langfristig erhöht Übergewicht den intraabdominellen Druck (Druck im Bauchraum). Regelmäßige Bewegung, gesunde Ernährung und die Vermeidung von chronischer Verstopfung (Obstipation) sind wichtige präventive Faktoren.
Hormonelle Aspekte
Stillzeit und Menopause sind durch niedrige Östrogenspiegel geprägt. Das führt zu Veränderungen an Schleimhaut, Muskulatur und Bindegewebe. Eine lokale Hormontherapie kann in ausgewählten Fällen sinnvoll sein, um Atrophie (Gewebeschwund) und damit verbundene Beschwerden zu lindern [4].
Vermeidung zusätzlicher Risikofaktoren
Schweres Heben, chronischer Husten oder sportliche Aktivitäten mit hohem Druckaufbau im Bauchraum (z. B. Powerlifting) können die Symptomatik verstärken. Eine Anpassung der Belastung und ärztliche Beratung sind hier essenziell.
Praktische Tipps für Frauen nach der Geburt
- Schonend im Wochenbett starten, kleine Übungsintervalle bevorzugen
- Übungen regelmäßig in den Alltag integrieren (z. B. Anspannen beim Aufstehen)
- Biofeedback-Geräte oder Vaginalkonen können die Wahrnehmung verbessern
- Rückbildungskurse nutzen und präventive gynäkologische Kontrollen wahrnehmen
Fazit
Für Frauen nach der Entbindung ist ein gezieltes Beckenbodentraining essenziell, um Harninkontinenz und Senkungsbeschwerden vorzubeugen. Frühzeitige Prävention, konsequentes Training und eine gesunde Lebensführung sichern langfristig Kontinenz, Stabilität und Lebensqualität – und helfen, operative Eingriffe zu vermeiden.
Literatur
- Berghmans B, Bols E, Sahlin Y, Berner E, Frawley HC (2015): Evidence-based physical therapy for pelvic floor dysfunctions affecting both women and men. Bridging Science and Clinical Practice (2. Aufl.), Edinburgh: Churchill Livingstone/Elsevier, S. 311-353. doi: 10.1016/B978-0-7020-4443-4.00009-1.
- Milsom I, Gyhagen M (2019): The prevalence of urinary incontinence. Climacteric, 22(3), 217-222. doi: 10.1080/13697137.2018.1543263.
- Dumoulin C, Cacciari LP, Hay-Smith EJC (2018): Pelvic floor muscle training versus no treatment for urinary incontinence in women. Cochrane Database of Systematic Reviews, 10, CD005654. doi: 10.1002/14651858.CD005654.pub4.
- Robinson D, Toozs-Hobson P, Cardozo L (2013): The effect of hormones on the lower urinary tract. Menopause International, 19(4), 155-162. doi: 10.1177/1754045313511398.