Sentinel-Node-Biopsie (Wächterlymphknotenbiopsie)
Die Sentinel-Node-Biopsie (Wächterlymphknotenbiopsie, englisch Sentinel Lymph Node Biopsy [SLNB]) ist ein minimal-invasives Verfahren zur Beurteilung des Lymphknotenstatus bei malignen Tumoren. Der Sentinel-Lymphknoten (englisch Sentinel Lymph Node [SLN]) ist der erste Lymphknoten im lymphatischen Abflussweg eines Primärtumors (ursprünglicher Tumor). Die Untersuchung dieses Knotens ermöglicht eine zuverlässige Aussage über das Vorliegen einer lymphogenen Metastasierung und kann eine ausgedehnte Lymphknotendissektion überflüssig machen.
Anwendungsgebiete
- Mammakarzinom (Brustkrebs)
Standardverfahren zur Beurteilung der axillären Lymphknoten. Die Entnahme des Sentinel-Lymphknotens ermöglicht eine präzise Stadieneinteilung (TNM-Klassifikation) und kann bei negativem Befund eine komplette axilläre Lymphonodektomie (Lymphknotenentfernung aus der Achselhöhle) vermeiden. - Malignes Melanom
Bei mitteldicken und dickeren Melanomen wird eine Sentinel-Node-Biopsie empfohlen, insbesondere bei einer Tumordicke > 1 mm oder bei Ulzerationen. - Vulvakarzinom
Die Sentinel-Node-Biopsie dient der minimal-invasiven Beurteilung der inguinalen Lymphknoten (Lymphknoten im Bereich der Leistenregion) bei frühem Vulvakarzinom. - Cervixkarzinom
In frühen Stadien (IA2–IB1) wird die Sentinel-Node-Biopsie zunehmend als Alternative zur systematischen pelvinen Lymphonodektomie eingesetzt.
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
- Vorbestehende Operationen oder Strahlentherapien im Lymphabflussgebiet mit Veränderung der Lymphdrainage
- Bildgebend oder klinisch nachgewiesene Lymphknotenmetastasen
- Allergien gegen Radiotracer/radioaktiv markierte Substanzen (z. B. Technetium-99m-Nanokolloid [99mTc-nanocolloid]) oder Farbstoffe (z. B. Patentblau V [Patent Blue V Dye])
Vor der Biopsie (Vorbereitende Maßnahmen)
- Präoperative Aufklärung über die Bedeutung und Limitationen des Verfahrens
- Injektion eines Radiotracers (99mTc-nanocolloid) und/oder eines Farbstoffes (Patent Blue V Dye) peritumoral
- Durchführung einer Lymphszintigraphie (englisch: Lymphoscintigraphy) zur präoperativen Markierung des Sentinel-Lymphknotens
- Planung des operativen Zugangs anhand der bildgebenden Ergebnisse
Das Verfahren (Technik und Ablauf)
- Durchführung in Allgemeinanästhesie oder in ausgewählten Fällen unter Lokalanästhesie
- Hautschnitt im Bereich der höchsten radiologischen oder farblichen Aktivität
- Lokalisierung des Sentinel-Lymphknotens mittels Gamma-Sonde (englisch: Gamma Probe) und/oder Sichtung des blauen Farbstoffs
- Entfernung des Sentinel-Lymphknotens und ggf. angrenzender Lymphknoten bei Unsicherheiten
- Intraoperative oder postoperative histopathologische Untersuchung (Standardfärbung, Immunhistochemie)
Dauer: Je nach Lokalisation und Anzahl der Lymphknoten ca. 30-90 Minuten.
Nach der Biopsie (Nachsorge und Verhalten)
- Kurzzeitige stationäre Überwachung nach dem Eingriff
- Schonen der betroffenen Extremität (z. B. Arm nach axillärer Biopsie)
- Frühzeitige Mobilisation zur Vermeidung von Bewegungseinschränkungen
- Überwachung auf lokale Komplikationen (Serom, Hämatom, Infektion)
Mögliche Komplikationen
- Serombildung
Flüssigkeitsansammlungen im Bereich der entfernten Lymphknoten. - Infektionen
Möglich, aber selten bei korrekter Technik. - Blutungen und Hämatome (Blutergüsse)
Vor allem bei unzureichender Kompression. - Lymphödem (Stau der Lymphflüssigkeit)
Selten im Vergleich zur vollständigen Lymphonodektomie, aber möglich. - Allergische Reaktionen
Extrem seltene Reaktion auf Farbstoffe oder Radiotracer.
Fazit
Die Sentinel-Node-Biopsie ist ein hochspezifisches und schonendes Verfahren zur Beurteilung des lymphogenen Metastasierungsstatus. Sie ermöglicht eine präzise Tumorstaging bei gleichzeitig reduzierter Morbidität im Vergleich zur radikalen Lymphknotenentfernung. Bei korrekter Durchführung bietet sie eine exzellente diagnostische Genauigkeit und verringert das Risiko von Langzeitkomplikationen wie Lymphödemen deutlich.