Leberbiopsie

Die Leberbiopsie ist ein invasives Verfahren zur Gewinnung einer Gewebeprobe aus dem Leberparenchym (Lebergewebe) zur histopathologischen (feingeweblichen), immunhistochemischen (antikörperbasierten) und molekularen Analyse. Sie gilt als Goldstandard zur Diagnostik zahlreicher Lebererkrankungen und bietet eine direkte Beurteilung von Entzündungsaktivität, Fibrosegrad (Narbenbildung) und zellulären Veränderungen.

Anwendungsgebiete

  • Diagnostik unklarer Lebererkrankungen
    Abklärung bei persistierender Erhöhung von Leberenzymen (Leberwerten) ohne klare Ursache.
  • Beurteilung chronisch-entzündlicher Lebererkrankungen
    Einschätzung des Entzündungsgrades und Fibrosestadiums (Ausmaß der Vernarbung) bei Virushepatitiden (Virusinfektionen der Leber, z. B. Hepatitis B, Hepatitis C), Autoimmunhepatitis (Leberentzündung durch Fehlsteuerung des Immunsystems) oder primär biliärer Cholangitis (chronische Entzündung der kleinen Gallenwege).
  • Untersuchung auf Speichererkrankungen
    Diagnostik bei Morbus Wilson (Kupferspeicherkrankheit), Hämochromatose (Eisenspeicherkrankheit) oder Alpha-1-Antitrypsin-Mangel (Erbkrankheit mit fehlendem Eiweiß zum Schutz von Lunge und Leber).
  • Diagnostik bei Lebertumoren
    Histologische Sicherung bei unklaren Leberrundherden (z. B. Leberzellkarzinom [Leberkrebs], Metastasen [Tochtergeschwülste]).
  • Therapie- und Verlaufsbeurteilung
    Kontrolle des Fibrosegrades unter antiviraler Therapie oder nach Lebertransplantation (Verpflanzung einer Spenderleber).

Kontraindikationen (Gegenanzeigen)

  • Schwerwiegende Gerinnungsstörungen (Blutgerinnungsstörungen) ohne Korrekturmöglichkeit
  • Unkontrollierte arterielle Hypertonie (Bluthochdruck)
  • Flüssigkeitsansammlung im rechten Oberbauch (z. B. große Aszitesmengen [Bauchwassersucht])
  • Infektionen im Punktionsgebiet (Bereich der Einstichstelle)

Vor der Biopsie (Vorbereitende Maßnahmen)

  • Gerinnungsdiagnostik (Untersuchung der Blutgerinnung, z. B. Quick/INR, PTT, Thrombozytenzahl)
  • Sonographie (Ultraschalluntersuchung) zur Beurteilung der Leberstruktur und Ausschluss größerer Flüssigkeitsansammlungen
  • Medikamentenanamnese (Erhebung der Medikamenteneinnahme, z. B. Gerinnungshemmer)
  • Aufklärung über Ablauf, Risiken (Blutung, Infektion, Schmerzen) und alternatives Vorgehen (z. B. transjuguläre Leberbiopsie bei erhöhtem Blutungsrisiko)

Das Verfahren (Technik und Ablauf)

  • Durchführung in Lokalanästhesie (örtlicher Betäubung)
  • Aseptische Vorbereitung (steriles Arbeiten) und sterile Abdeckung
  • Ultraschallgesteuerte Markierung der Punktionsstelle, meist im rechten Oberbauch zwischen den Rippen
  • Einführung einer speziellen Stanznadel (z. B. Menghini- oder Tru-Cut-Nadel [hohle Nadel zur Probenentnahme]) in das Leberparenchym
  • Entnahme eines oder mehrerer Gewebezylinder

Dauer: Insgesamt ca. 15-30 Minuten.

Nach der Biopsie (Nachsorge und Verhalten)

  • Überwachung von Kreislauf und Schmerzsymptomatik für mindestens 4–6 Stunden
  • Bettruhe in Rückenlage mit leicht erhöhtem Oberkörper für mehrere Stunden
  • Vermeidung körperlicher Anstrengung für 48–72 Stunden
  • Aufklärung über Zeichen von Komplikationen (starke Schmerzen, Blutdruckabfall, Schmerzen in der rechten Schulter als Hinweis auf mögliche innere Blutung)

Mögliche Komplikationen

  • Blutungen
    Häufigste Komplikation (in 0,3-2 % der Fälle klinisch relevant), potenziell lebensbedrohlich.
  • Hämatombildung
    Bildung eines Blutergusses im Bereich der Leber oder im Bauchraum.
  • Infektionen
    Sehr selten bei steriler Technik.
  • Verletzung angrenzender Organe
    (z. B. Gallenblase [Speicherorgan für Gallenflüssigkeit], rechte Niere oder Darm).
  • Pneumothorax
    (Eindringen von Luft in den Brustraum) – extrem selten bei hochinterkostaler Punktion.

Fazit

Die Leberbiopsie bleibt trotz nicht-invasiver Alternativen (z. B. FibroScan [Elastizitätsmessung der Leber]) ein essenzielles Verfahren zur exakten Diagnosestellung und Verlaufskontrolle bei Lebererkrankungen. Sorgfältige Indikationsstellung, erfahrene Durchführung und adäquate Nachsorge minimieren das Risiko schwerwiegender Komplikationen.