Fetoskopische Biopsie
Die fetoskopische Biopsie (englisch: Fetoscopic Biopsy) ist ein hochspezialisiertes invasives Verfahren, bei dem unter direkter endoskopischer Sicht Gewebeproben vom Fetus (ungeborenes Kind) entnommen werden. Das Verfahren wird nur in wenigen spezialisierten Zentren eingesetzt und ist in der pränatalen Diagnostik selten erforderlich. Die Entnahme erfolgt zumeist im Rahmen der Abklärung seltener genetischer oder struktureller Anomalien.
Anwendungsgebiete
- Abklärung genetischer Hauterkrankungen
Entnahme von Hautbiopsien bei Verdacht auf schwere genetische Dermatopathien/Hauterkrankungen (z. B. Epidermolysis bullosa). - Muskuläre oder neurologische Erkrankungen
Gewinnung von Muskelgewebe zur Diagnose neuromuskulärer Erkrankungen, z. B. kongenitale Muskeldystrophien (Gruppe von erblichen Muskelerkrankungen). - Unklare fetale Tumoren (kindliche Tumoren)
Bioptische Sicherung bei Verdacht auf seltene fetale Neoplasien (z. B. teratoide Tumoren). - Forschung und experimentelle Indikationen
In kontrollierten Studienprotokollen zur besseren Charakterisierung komplexer Erkrankungen.
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
- Drohende Frühgeburt oder Cervixinsuffizienz (Gebärmuttersherzschwäche)
- Akute intrauterine Infektion (z. B. Chorioamnionitis/bakterielle Infektion der Fruchtblase und der Plazenta während der Schwangerschaft)
- Schweres mütterliches Gerinnungsproblem
- Fruchtwasserinfektionen oder Polyhydramnion/übermäßiges Fruchtwasser (relative Kontraindikation je nach Zugangsmöglichkeiten)
Vor der Biopsie (Vorbereitende Maßnahmen)
- Ausführliche genetische Beratung und Risikoaufklärung
- Bestätigung der Indikation durch ein spezialisiertes interdisziplinäres pränataldiagnostisches Team
- Detaillierte sonographische und ggf. Magnetresonanztomographische Bildgebung zur Planung
- Laborkontrolle von Gerinnungswerten, Entzündungsparametern
- Aufklärung über hohe Risiken (Fehlgeburt, Fruchtwasserverlust, Infektion) und Alternativen
- Bestimmung des Rhesusfaktors und Planung einer Anti-D-Prophylaxe bei Rhesus-negativen Frauen
Das Verfahren (Technik und Ablauf)
- Durchführung typischerweise zwischen der 18.-26. Schwangerschaftswoche
- Aseptische Vorbereitung und Antibiotikaprophylaxe
- Ultraschallgesteuerte Einführung eines kleinen Fetoskops transabdominal in die Fruchthöhle
- Lokalisierung und direkte Biopsieentnahme aus Haut, Muskel oder Organstrukturen mittels Miniaturinstrumenten
- Gewinnung kleiner Gewebestücke zur histologischen, immunhistochemischen oder molekulargenetischen Analyse
Dauer: Je nach Komplexität ca. 30-90 Minuten.
Nach der Biopsie (Nachsorge und Verhalten)
- Intensive fetale Überwachung (Ultraschallkontrolle von Herzfrequenz, Bewegungen, Fruchtwassermenge)
- Klinische Beobachtung der Schwangeren für mindestens 24 Stunden
- Körperliche Schonung für mindestens 48-72 Stunden
- Verabreichung einer Anti-D-Prophylaxe bei Rhesus-negativen Frauen
- Aufklärung über mögliche Spätkomplikationen (z. B. Fruchtwasserverlust, vorzeitige Wehentätigkeit)
Mögliche Komplikationen
- Fehlgeburt
Risiko deutlich höher als bei Amniozentese (Punktion der Fruchtblase) oder Chorionzottenbiopsie, je nach Zentrum ca. 5–10 %. - Fruchtwasserabgang (Amniorrhoe)
Relativ häufig bei fetoskopischen Eingriffen. - Infektion
Erhöhtes Risiko für Chorioamnionitis durch instrumentellen Zugang. - Nabelschnurverletzung oder fetale Blutung
Extrem selten, aber potenziell schwerwiegende Komplikation. - Vorzeitige Wehentätigkeit und Frühgeburtlichkeit
Fazit
Die fetoskopische Biopsie ist ein hochkomplexes Spezialverfahren mit spezifischer Indikationsstellung. Sie bietet einzigartige diagnostische Möglichkeiten in ausgewählten Fällen, ist jedoch mit einem erhöhten Risiko für Mutter und Fetus verbunden. Eine Durchführung sollte ausschließlich in spezialisierten Zentren mit interdisziplinärem pränataldiagnostischem Team erfolgen.