Kordozentese (Nabelschnurpunktion)
Die Kordozentese (englisch: Percutaneous Umbilical Blood Sampling [PUBS]) ist ein invasives pränatales Verfahren (vorgeburtliches Verfahren) zur Entnahme von fetalem Blut (kindliches Blut) aus der Nabelschnur. Sie wird zur weiterführenden Diagnostik oder Therapie in der fortgeschrittenen Schwangerschaft eingesetzt. Die Kordozentese erlaubt die direkte Analyse fetaler Blutparameter und bietet in speziellen Indikationen auch therapeutische Möglichkeiten (z. B. intrauterine Transfusion).
Anwendungsgebiete
- Abklärung von fetalen Anämien (Blutarmut)
Insbesondere bei Rhesusinkompatibilität (Rhesusunverträglichkeit), Parvovirus-B19-Infektion oder anderen Ursachen einer fetalen Blutarmut. - Infektionsdiagnostik
Serologische Diagnostik bei Verdacht auf intrauterine Infektionen/Infektion im Mutterleib) (z. B. Toxoplasmose, Cytomegalie, Lues). - Chromosomenanalysen und genetische Diagnostik
Alternative oder ergänzende Möglichkeit bei unzureichender Zellgewinnung aus Amniozentese (Fruchtwasserpunktion) oder Chorionzottenbiopsie (auch Plazentapunktion genannt). - Blutgruppenbestimmung und Rhesus-Status des Fetus
Bei Rhesusinkompatibilität oder fetalen Hydrops (generalisierte Flüssigkeitsansammlung, die sich über den gesamten Körper des Kindes ausgebreitet hat). - Therapeutische intrauterine Bluttransfusion
Behandlung schwerer fetaler Anämien durch direkte Blutgabe in die Nabelschnurvene.
Kontraindikationen (Gegenanzeigen)
- Akute mütterliche Infektionen (z. B. bakterielle Sepsis/Blutvergiftung durch Bakterien)
- Blutgerinnungsstörungen der Mutter ohne Korrekturmöglichkeit
- Uteruskontraktionen oder drohende Frühgeburt
- Mehrlingsschwangerschaften (relative Kontraindikation, abhängig von Expertise)
Vor der Biopsie (Vorbereitende Maßnahmen)
- Detaillierte Anamnese und klinische Untersuchung
- Aufklärung über Ablauf, Nutzen, Risiken (Fehlgeburt, Infektion, Blutung) und Alternativen
- Ultraschalluntersuchung zur Lokalisation des günstigsten Punktionsortes (freie Nabelschnur, placentare Insertionsstelle, intrahepatische Nabelvene)
- Rhesusfaktorbestimmung der Mutter mit Planung einer Anti-D-Prophylaxe bei Rhesus-negativen Frauen
- Laborkontrolle von Gerinnungswerten (Quick/INR, PTT, Thrombozytenzahl)
Das Verfahren (Technik und Ablauf)
- Durchführung üblicherweise ab der 18. bis 20. Schwangerschaftswoche
- Aseptische Vorbereitung der Punktionsstelle
- Ultraschallgesteuerte transabdominale ("durch den Bauchraum") Punktion der Nabelschnurvene oder -arterie
- Entnahme einer kleinen Menge fetalen Blutes mittels dünner Punktionskanüle
- Materialanalyse je nach Indikation (Blutbild, Serologie, Karyotypisierung/Chromosomenanalyse)
- Möglichkeit der sofortigen intrauterinen Bluttransfusion bei schwerer Anämie (Blutarmut)
Dauer: Insgesamt etwa 20-30 Minuten.
Nach der Biopsie (Nachsorge und Verhalten)
- Postinterventionelle Ultraschallkontrolle (fetaler Herzschlag, Fruchtwassermenge, Hämatombildung/Blutergussbildung)
- Klinische Überwachung der Schwangeren für mehrere Stunden
- Körperliche Schonung für 48 Stunden
- Anti-D-Prophylaxe innerhalb von 72 Stunden bei Rhesus-negativen Frauen
- Aufklärung über Komplikationszeichen wie Schmerzen, vaginale Blutungen, Fruchtwasserabgang oder Fieber
Mögliche Komplikationen
- Fehlgeburt
Risiko je nach Zentrum und Indikation etwa 1-2 %. - Fetomaternale Transfusion
Blutübertritt von fetalem in mütterliches Blut möglich, Relevanz insbesondere bei Rhesusinkompatibilität (Rhesusunverträglichkeit). - Infektionen
Sehr selten bei korrekter Durchführung. - Nabelschnurhämatom
Seltene Komplikation durch punktionsbedingte Gefäßverletzung. - Fruchtwasserabgang und vorzeitige Wehentätigkeit
Geringes Risiko bei sachgerechter Technik.
Fazit
Die Kordozentese ist ein hoch spezialisiertes Verfahren zur direkten Gewinnung fetaler Blutproben und ermöglicht präzise Diagnostik und Therapie bereits intrauterin. Bei strenger Indikationsstellung, erfahrener Durchführung und konsequenter Nachsorge bleibt das Komplikationsrisiko gering und der diagnostische sowie therapeutische Nutzen hoch.