Beta-2-Mikroglobulin

Das Beta-2-Mikroglobulin (Synonyme: β2-Mikroglobulin, β2-Mi; engl. beta-2 microglobulin, B2M) ist ein niedrigmolekulares Protein (Molekulargewicht ca. 11,8-12 kDa), das als Prognose- und Verlaufsparameter bei lymphoproliferativen Erkrankungen (Erkrankungen des lymphatischen Systems) sowie als Marker der Nierenfunktion (Beurteilung der Nierenleistung) (Serum) und der proximal-tubulären Resorptionsfunktion (Wiederaufnahmefunktion der Nierenkanälchen) (Urin) eingesetzt wird.

Beta-2-Mikroglobulin ist Bestandteil der leichten Kette der HLA-Klasse-I-Moleküle (Bestandteil von Zelloberflächenstrukturen) und wird kontinuierlich von kernhaltigen Zellen freigesetzt. Es wird glomerulär frei filtriert (Filtervorgang in den Nierenkörperchen) und nahezu vollständig im proximalen Tubulus (vorderer Abschnitt der Nierenkanälchen) rückresorbiert und metabolisiert.

Bei eingeschränkter glomerulärer Filtration (verminderter Filterleistung der Niere) steigt die Serumkonzentration an, während bei proximal-tubulären Funktionsstörungen (Störungen der Nierenkanälchen) eine vermehrte Ausscheidung im Urin beobachtet wird. Beta-2-Mikroglobulin gilt damit als Markerprotein der tubulären Resorptionsfunktion (Wiederaufnahmefunktion der Nierenkanälchen).

Die biologische Halbwertszeit (Abbauzeit im Blut) im Serum beträgt etwa 40 Minuten.

Synonyme

  • β2-Mikroglobulin
  • β2-Mi
  • beta-2 microglobulin (B2M)

Charakteristische Laborbefunde

  • Serum: Erhöhung bei eingeschränkter glomerulärer Filtration (verminderter Nierenfilterleistung), hohem Zellumsatz oder systemischer Entzündungsaktivität.
  • Urin: Erhöhung bei proximal-tubulärer Schädigung oder Resorptionsstörung (Störung der Wiederaufnahme in den Nierenkanälchen); praeanalytisch stark pH-abhängig.

Das Verfahren

Benötigtes Material

  • Blutserum
  • Urin (Spontanurin oder 24-h-Sammelurin)

Vorbereitung des Patienten

  • Keine spezielle Vorbereitung erforderlich.
  • Bei Verlaufskontrollen möglichst konstante Bedingungen (Hydratation, klinischer Status).

Störfaktoren

  • Urin: Instabilität von Beta-2-Mikroglobulin in saurem Urin (niedriger pH-Wert) mit falsch niedrigen Ergebnissen.
  • Urin: pH-Stabilisierung auf etwa pH 6-8 zeitnah nach Probengewinnung erforderlich.
  • Systemische Entzündungen oder Infektionen (allgemeine Entzündungsreaktionen) können serumseitig zu unspezifischen Erhöhungen führen.
  • Methodenabhängige Interferenzen durch Hämolyse (Zerfall roter Blutkörperchen), Lipämie (stark erhöhte Blutfette) oder Ikterus (Gelbsucht) möglich.

Methode

  • Quantitative Bestimmung mittels Immunnephelometrie oder (latexverstärkter) Immunoturbidimetrie (Antikörper-basierte Messverfahren).
  • Urinanalytik nach pH-Stabilisierung; Angabe als Konzentration oder bezogen auf Kreatinin (Stoffwechselprodukt der Muskulatur) möglich.

Normwert – Blutserum

  Normwert in mg/l
< 3. Lebensmonat 2,8-3,4
3. LM-1. Lebensjahr 1,8-2,2
Kinder 1,4-1,6
Erwachsene 0,8-2,4
> 60. Lebensjahr < 3,0

Normwert – 24 h-Urin

Normwert in µg/l < 300

Indikationen

  • Prognose- und Verlaufsbeurteilung bei lymphoproliferativen Erkrankungen (Erkrankungen des lymphatischen Systems) (z. B. multiples Myelom (Knochenmarkkrebs), Non-Hodgkin-Lymphome (Lymphdrüsenkrebs), chronische lymphatische Leukämie (Blutkrebsform)).
  • Ergänzende Beurteilung der Nierenfunktion (Leistungsfähigkeit der Nieren) bei chronischer Nierenerkrankung (dauerhafte Nierenschädigung).
  • Nachweis proximal-tubulärer Resorptionsstörungen (Störungen der Wiederaufnahme in den Nierenkanälchen) (Urin).
  • Verlaufskontrolle im Rahmen nephrotoxischer Expositionen (Belastung durch nierenschädigende Substanzen).

Interpretation

Interpretation erhöhter Werte

  • Serum:
    • Eingeschränkte glomeruläre Filtration (verminderte Filterleistung der Niere) bei chronischer Nierenerkrankung.
    • Systemische Entzündungen oder erhöhter Zellumsatz (vermehrter Zellabbau oder -aufbau).
    • Lymphoproliferative Erkrankungen (Erkrankungen des lymphatischen Systems); prognostisch relevant insbesondere beim multiplen Myelom (Knochenmarkkrebs).
  • Urin:
    • Proximal-tubuläre Schädigung oder Resorptionsstörung (Schädigung der Nierenkanälchen).
    • Nephrotoxische Einflüsse (nierenschädigende Substanzen) (z. B. Schwermetalle, Medikamente).

Interpretation erniedrigter Werte

  • In der Regel ohne klinische Relevanz.

Weitere Hinweise

  • Markerproteine im Urin:
    • Albumin – Marker der glomerulären Proteinurie
    • Transferrin – Marker der glomerulären Proteinurie
    • Immunglobulin G – Hinweis auf unselektive glomeruläre Proteinurie
    • Alpha-1-Mikroglobulin – Marker der tubulären Proteinurie
    • Alpha-2-Makroglobulin – Marker der postrenalen Proteinurie

Weiterführende Diagnostik

  • Bei erhöhtem Serum-Beta-2-Mikroglobulin:
    • Kreatinin, eGFR, ggf. Cystatin C.
    • Albumin/Kreatinin-Quotient oder Protein/Kreatinin-Quotient im Urin.
    • CRP, Differentialblutbild bei Verdacht auf Entzündung oder Infektion.
    • Bei Verdacht auf Plasmazellerkrankung (Erkrankung der Antikörper-bildenden Zellen): Serumprotein-Elektrophorese, Immunfixation (Serum/Urin), freie Leichtketten, quantitative Immunglobuline.
  • Bei erhöhtem Urin-Beta-2-Mikroglobulin:
    • Überprüfung der Präanalytik (Vorbedingungen der Probengewinnung) (pH-Stabilisierung).
    • Bestimmung weiterer tubulärer Marker (Marker der Nierenkanälchenfunktion) (z. B. Alpha-1-Mikroglobulin).
    • Urinstatus und Sediment.
    • Anamnese bezüglich nephrotoxischer Expositionen (Belastung durch nierenschädigende Stoffe).

Leitlinien

  1. KDIGO CKD Work Group. KDIGO 2024 Clinical Practice Guideline for the Evaluation and Management of Chronic Kidney Disease. Kidney Int. 2024;105(4 Suppl):S1-S310. doi: https://doi.org/10.1016/j.kint.2023.10.018.
  2. Dimopoulos MA, Terpos E, Chanan-Khan A et al.: EHA-EMN evidence-based guidelines for diagnosis, treatment and follow-up of patients with multiple myeloma. Nat Rev Clin Oncol. 2025;22(2):85-104. doi: https://doi.org/10.1038/s41571-025-01041-x.
  3. Kouri TT, Hofmann W, Falbo R et al.: EFLM Task and Finish Group for Urinalysis. European Federation of Clinical Chemistry and Laboratory Medicine (EFLM) Guideline on Urinalysis 2023 – update. Clin Chem Lab Med. 2024;62(9):1653-1786. doi: https://doi.org/10.1515/cclm-2024-0070.