SNP-Analysen zur Risikostratifizierung und Pharmakogenetik

SNP-Analysen (Single-Nucleotide-Polymorphism-Analysen, Untersuchung einzelner Basenveränderungen) dienen der molekulargenetischen (erbgutbezogenen) Charakterisierung individueller genetischer Variationen an einzelnen Basenpaaren innerhalb des menschlichen Genoms (Erbguts). Diese punktuellen Veränderungen sind häufig klinisch unauffällig, können jedoch in bestimmten Konstellationen mit einem veränderten Krankheitsrisiko, Therapieansprechen oder Nebenwirkungsprofil einhergehen. Die Analyse erfolgt in der Regel mittels Hochdurchsatz-Sequenzierung (Next-Generation Sequencing, NGS – neue Generation der Erbgutanalyse) oder arraybasierter Verfahren (z. B. SNP-Chips – gentechnische Testplattformen).

Synonyme

  • SNP-Typisierung
  • Polymorphismusanalyse
  • Einzelnukleotid-Polymorphismus-Test

Das Verfahren

Benötigtes Material

  • EDTA-Blut (speziell stabilisiertes Blut) oder Speichelprobe
  • DNA-Extraktion (Gewinnung der Erbinformation) im molekulargenetischen Labor

Vorbereitung des Patienten

  • Keine spezielle Vorbereitung erforderlich
  • Aufklärung über genetische Testung und ggf. genetische Beratung empfohlen

Störfaktoren

  • Kontamination der Probe (z. B. durch Fremd-DNA)
  • Minderwertige DNA-Qualität bei Speichelproben
  • Technische Artefakte bei Hybridisierung oder Sequenzierung (fehlerhafte Laborergebnisse)

Methode

  • SNP-Microarray (z. B. Affymetrix, Illumina – spezielle Genchips)
  • Targeted NGS-Panel (zielgerichtete Genanalyse) oder Whole-Genome-Sequenzierung (WGS – komplette Genomanalyse)
  • Bioinformatische Auswertung (computergestützte Datenanalyse) mit Risikobewertung und Datenbankabgleich (z. B. PharmGKB, ClinVar)

Indikationen (Anwendungsgebiete)

  • Risikostratifizierung genetisch komplexer Erkrankungen (Krankheitsrisikoeinschätzung bei erblich beeinflussten Krankheiten)
    • Typ-2-Diabetes (Zuckerkrankheit)
    • Morbus Crohn (chronisch-entzündliche Darmerkrankung)
    • Koronare Herzkrankheit (KHK) (Herzkranzgefäßverengung)
    • Alzheimer-Krankheit (neurodegenerative Gedächtnisstörung)
  • Präventivmedizinische Einschätzung bei familiärer Belastung (Vorsorge bei familiären Erkrankungen)
  • Pharmakogenetische Fragestellungen (Zusammenhang zwischen Genetik und Medikamentenwirkung)
    • Therapieanpassung bei z. B. Antidepressiva (CYP2D6, CYP2C19 – Enzyme zur Medikamentenverarbeitung)
    • Onkologische Therapien (Krebsbehandlungen – DPYD, UGT1A1, TPMT)
    • Statinunverträglichkeit (Cholesterinsenker – SLCO1B1)
    • Antikoagulation (Blutverdünnung – VKORC1, CYP2C9 bei Warfarin/Wirkstoff aus der Gruppe der 4-Hydroxycumarine)

Interpretation

Wichtige SNPs in der klinischen Praxis – Beispiele

  • CYP2C19 *2/*3 – verminderte Metabolisierung (Verstoffwechselung) von Clopidogrel (Blutplättchenhemmer)
  • DPYD *2A – erhöhtes Toxizitätsrisiko bei 5-FU (Chemotherapeutikum)
  • SLCO1B1 c.521T>C – erhöhtes Myopathierisiko (Muskelschädigung) unter Simvastatin
  • HLA-B57:01 – Risiko für schwere Überempfindlichkeitsreaktion auf Abacavir (HIV-Medikament)
  • MTHFR C677T – Einfluss auf Homocysteinspiegel und Folatstoffwechsel (Stoffwechsel von Folsäure)

Klinische Bedeutung

  • Bestimmung des Metabolisierungstyps (Verstoffwechselungstyp: langsam, normal oder schnell)
  • Abschätzung individueller Risikoprofile bei multifaktoriellen Erkrankungen (durch viele Faktoren beeinflusste Krankheiten)
  • Personalisierung von Medikation und Dosierung (maßgeschneiderte Therapie)

Spezifische Konstellationen

  • Kombination multipler SNPs zur Berechnung eines polygenen Risikoscores (zusammengefasster Risikowert für bestimmte Krankheiten)
  • SNP-Signaturen bei Tumoren zur Abschätzung des Immuntherapieansprechens (Wirkung von Krebsimmuntherapie)
  • Identifikation genetischer Non-Responder (Nichtansprecher) in der Schmerztherapie oder Psychopharmakotherapie (Behandlung mit Medikamenten bei psychischen Erkrankungen)

Weiterführende Diagnostik

  • Erweiterte genetische Beratung bei hohem Risikoprofil
  • Funktionelle Tests (z. B. Enzymaktivitätsmessung) zur Bestätigung
  • Ergänzende Panelanalysen oder Whole-Exome-Sequenzierung (WES – umfassende Genanalyse der codierenden Abschnitte)
  • Therapeutisches Drug Monitoring (TDM – Kontrolle der Medikamentenspiegel im Blut) bei medikamentöser Umsetzung