BRCA1-/2-Mutation
Die BRCA1- und BRCA2-Mutationen zählen zu den wichtigsten genetischen Veränderungen im Zusammenhang mit einem erblich erhöhten Risiko für Brust- und Eierstockkrebs (Ovarialkarzinom). Mutationen in diesen Genen führen zu einer Beeinträchtigung der DNA-Reparatur durch homologe Rekombination (fehlerfreie Reparatur von Erbgutschäden), was die Tumorsuppression (Unterdrückung von Tumorbildung) einschränkt und die Krebsentstehung begünstigt. Neben Mammakarzinomen (Brustkrebs) sind auch andere Tumorarten – wie Prostatakarzinom (Prostatakrebs) oder Pankreaskarzinom (Bauchspeicheldrüsenkrebs) – mit BRCA-Mutationen assoziiert. Die genetische Testung erfolgt in der Regel im Rahmen der familiären Tumordisposition (erbliche Krebsveranlagung) oder im Kontext gezielter Therapieentscheidungen (z. B. PARP-Inhibitoren – Medikamente, die die DNA-Reparatur bei Krebs hemmen).
Synonyme
- BRCA1-/BRCA2-Mutation
- BRCA-Mutationsnachweis
- BRCA-Genanalyse
- Erbliche Brust- und Eierstockkrebs-Mutation
Das Verfahren
Benötigtes Material
- EDTA-Blut (in der Regel 1-2 mL)
- Alternativ: Speichel- oder Tumor-DNA (z. B. bei somatischer Testung – Untersuchung des Tumorgewebes)
- DNA-Isolierung durch validierte molekulargenetische Verfahren
Vorbereitung des Patienten
- Schriftliche Einwilligung nach Gendiagnostikgesetz (GenDG – gesetzliche Regelung zur genetischen Diagnostik)
- Präanalytische Aufklärung inkl. genetischer Beratung (Beratung über Nutzen und Konsequenzen der Untersuchung)
- Anamneseerhebung zur familiären Tumorhäufung
Störfaktoren
- Tumorheterogenität (Unterschiede innerhalb des Tumorgewebes) bei somatischer Analyse
- Niedrige DNA-Qualität (z. B. bei formalinfixiertem Gewebe)
- Mosaizismus (Mischung genetisch unterschiedlicher Zellen) kann die Nachweisrate senken
Methode
- Sequenzierung (Entschlüsselung der Erbgut-Buchstaben) des BRCA1- und BRCA2-Gens (in der Regel Next-Generation Sequencing – moderne Hochdurchsatztechnik)
- Abdeckung der kodierenden Exons (proteinbildende Abschnitte) und angrenzenden Spleißregionen (Schnittstellen der Gene)
- Inklusive Deletions-/Duplikationsanalyse (Untersuchung auf größere Verluste oder Verdopplungen von Erbgutabschnitten)
- Interpretation gemäß ACMG-Klassifikation (Einstufung in fünf Risikogruppen)
Normbereiche
- Kein Referenzwert im klassischen Sinn
- Beurteilung erfolgt über Variantentyp:
- Pathogen (krankheitsverursachend – Klasse 5)
- Wahrscheinlich pathogen (Klasse 4)
- Variante unklarer Signifikanz (VUS – Klasse 3)
- Wahrscheinlich unbedenklich (Klasse 2)
- Unbedenklich (Klasse 1)
Indikationen (Anwendungsgebiete)
- Familiäre Häufung von Mamma- oder Ovarialkarzinom (Brust- oder Eierstockkrebs)
- Frühes Erkrankungsalter (< 50 Jahre) bei Mammakarzinom
- Triple-negativer Brustkrebs (hormonunabhängiger Subtyp)
- Männliches Mammakarzinom
- Pankreas- oder Prostatakarzinome mit Familienanamnese
- Therapieplanung (z. B. Einsatz von PARP-Inhibitoren)
- Präventionsmaßnahmen (z. B. prophylaktische Mastektomie – vorbeugende Brustentfernung)
Interpretation
Pathogene oder wahrscheinlich pathogene Varianten
- Hohes Risiko für Brustkrebs (bis zu 70 % Lebenszeitrisiko)
- Erhöhtes Risiko für Ovarial-, Prostata- und Pankreaskarzinome
- Indikation zur intensivierten Früherkennung und ggf. prophylaktischen Operation
Varianten unklarer Signifikanz (VUS)
- Keine unmittelbare klinische Konsequenz
- Langfristige Reevaluation anhand neuer Daten erforderlich
Spezifische Konstellationen
- Somatische BRCA-Mutation in Tumorgewebe – relevant für gezielte Therapie, aber keine Aussage über Keimbahnmutation (vererbte Veränderung)
- Kombinierte Mutationen oder zusätzliche HRD-Marker (z. B. PALB2 – weiteres DNA-Reparaturgen) können das Risikoprofil verändern
Weiterführende Diagnostik
- Panel-Diagnostik (Untersuchung mehrerer Gene gleichzeitig) bei Verdacht auf hereditäres Brust- oder Eierstockkrebs-Syndrom (z. B. CHEK2, PALB2, ATM)
- Familienuntersuchungen zur Abklärung der Vererbung
- Gynäkologische Vorsorge bei BRCA-Mutationsträgerinnen
- Prädiktive Testung (vorbeugende Untersuchung) asymptomatischer Familienangehöriger nach genetischer Beratung
- Tumorgewebetestung bei fortgeschrittenem Mammakarzinom zur Therapieentscheidung (PARP-Inhibition)
Literatur
- Kuchenbaecker KB, Hopper JL, Barnes DR et al.: Risks of breast, ovarian, and contralateral breast cancer for BRCA1 and BRCA2 mutation carriers. JAMA. 2017;317(23):2402-2416. https://doi.org/10.1001/jama.2017.7112
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- Paluch-Shimon S, Cardoso F, Sessa C et al.: Prevention and screening in BRCA mutation carriers and other breast/ovarian hereditary cancer syndromes: ESMO Clinical Practice Guidelines. Ann Oncol. 2016;27(suppl_5):v103–v110. https://doi.org/10.1093/annonc/mdw327
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